Krieg im Osten: Angehörige von Herfordern berichten von schlimmen Zuständen

Herford. Die Welt trifft es heute am frühen Morgen wie einen Schlag: Russland hat die Ukraine angegriffen, der Konflikt ist eskaliert. Überall schauen die Menschen beim Aufstehen fassungslos auf ihre Smartphones. Ein Krieg in Europa. Auch in Herford sind die Menschen geschockt - manche sind besonders betroffen: Das Land, das angegriffen wird, war oder ist ihre Heimat und sie sorgen sich um viele Angehörige und Freunde. Die Familie der Herforderin Janna Opp lebt in der Ukraine und sie steht den ganzen Tag schon in Kontakt mit ihnen. Ihre Mutter hatte sie um 6 Uhr angerufen und berichtet, dass Explosionen sie geweckt hätten. Sie wohnt in Cherson, einer Stadt am Schwarzen Meer, nicht weit von Odessa. Der Flughafen dort ist angegriffen worden, was von vielen Medien bestätigt wird. "Die Fenster haben wohl richtig gewackelt", so Opp. Ihre Mutter berichtet ihr von zwei Explosionen. Sie ist 80 Jahre alt. Erst vor kurzem habe sie sie noch besucht, Opp habe viele Verwandte in Cherson."Alles ist zusammengebrochen" Jetzt herrscht dort der absolute Ausnahmezustand. "Alles ist zusammengebrochen", berichtet die 58-Jährige. Die Menschen dort könnten kein Geld mehr abheben und der Verkehr sei lahmgelegt. Viele hätten jetzt so gepackt, dass sie direkt flüchten können. Alle seien losgegangen, um noch schnell Lebensmittel zu holen, was zu Hamsterkäufen führe. Denn viele hätten die Angriffe am Donnerstagmorgen völlig unvorbereitet getroffen, niemand habe einen Vorrat gehabt.Bei den Verwandten bestehe jetzt die Befürchtung, dass der Strom zusammenbrechen könnte. Das Schlimme: Die Familie von Opp hat bereits das Trauma des Krieges erleben müssen, weil sie aus Tadschikistan vor dem Krieg geflohen waren. Opp ist im Zuge dessen nach Deutschland gekommen, ihre Familie floh in die Ukraine.Sie und ihre Familie sind russisch, wie sie sagt, sie haben aber unterschiedliche Auffassungen zum russischen Präsidenten. Während ihre Mutter Wladimir Putin vertraue, ist Janna Opp nicht auf seiner Seite: "Ich bin absolut dagegen", sagt sie entschlossen und fügt hinzu: "Ich schätze es sehr, in einem demokratischen Land wie Deutschland zu leben. Ich habe die UdSSR selbst miterlebt und möchte das nicht nochmal haben." Sie hofft, dass ihre Familie es bis zur polnischen Grenze schafft, damit sie sie dort abholen kann. Derzeit fühlt die Herforderin sich machtlos, wie sie sagt. Menschen flüchten aus Kiew Das Gefühl kann OleksandrMishchanchuk, Lehrer am Berufskolleg am Wilhelmsplatz, gut nachvollziehen, sagt er im Gespräch mit nw.de. Vor zwölf Jahren kam er mithilfe des Vereins "Brückenschlag Ukraine" nach Deutschland, wo er studierte und arbeitet. Auch seine Mutter habe am Donnerstagmorgen um 5 Uhr in Panik bei ihm angerufen, weil sie von einer Explosion wach geworden sei und mitbekommen habe, dass der Militärflughafen in der Stadt Lutsk brennt. Derzeit sei es dort wieder ruhig, sagt er am frühen Nachmittag. Doch die Menschen würden sensibilisiert werden, auf kleinere Personengruppen zu achten, die Anschläge verüben könnten. Er berichtet ebenfalls davon, dass es kein Bargeld gebe und vor den Tankstellen sich lange Schlangen bilden würden. Auch Medikamente seien schwer zu bekommen. In Kiew, wo seine Brüder wohnten, bildeten sich Schlangen von Menschen, die aus der Hauptstadt fliehen wollten. "Man sitzt hier und kann nicht verstehen, dass wir so nah dran sind und nichts machen", sagt der 35-Jährige. Er kritisiert Deutschland dafür, dass es nicht früher gehandelt habe. Der Stopp von Nord Stream 2 und auch die anderen Sanktionen seien viel zu spät gekommen. Die Lieferung von Helmen sei ein "Witz" gewesen, wo Deutschland doch einer der größten Waffenexporteure der Welt sei, sagt Mishchanchuk aufgebracht. Jetzt sei der Krieg ausgebrochen. "Das schlimmste ist, dass ich im Moment keine Lösung sehe", so der Lehrer. Kirchenmusikerin steht in engem Kontakt mit ihren Eltern Dariia Lytvishko ist ähnlich verzweifelt. Sie kam als Gaststudentin nach Herford und ist mittlerweile Kirchenmusikerin in mehreren Gemeinden. Sie stammt aus der West-Ukraine, ebenfalls aus der Stadt Lutsk. Da sie im Moment Internetprobleme hat, erfährt sie die schlimmen Nachrichten heute Morgen zunächst von einem Bekannten. "Gestern haben wir in der Chorprobe noch darüber gesprochen, jetzt ist es passiert" schrieb dieser ihr. Die 26-Jährige rief sofort ihre Mutter an und fragt, ob der Krieg angefangen hat. Ihre Mutter erzählte, was los ist. Die 26-jährige Herforderin bekam Panik, war kurz davor zu weinen. "Ich habe meine Eltern darum gebeten, ihre Sachen zu packen und ins Auto zu steigen, um das Land zu verlassen", sagt sie im Gespräch mit nw.de. Sie hätten Glück, ein Auto zu haben, mit dem sie flüchten könnten, so gehe es nicht allen dort.Doch die Eltern wollen erst einmal abwarten. Als die Lage in der West-Ukraine am Morgen ruhiger geworden ist, habe ihr Vater das Auto vollgetankt - eine Idee, die offenbar viele hatten, denn er habe dafür zwei Stunden angestanden. Die zwei Brüder der 26-Jährigen arbeiten derzeit auch in Deutschland. Zum Glück, denn beide sind mit ihren 21 und 18 Jahren in dem Alter, in dem sie vom Militär eingezogen werden könnten. Aber ihre Freundinnen seien derweil noch in der Ukraine. Eltern nach Deutschland holen Sowohl Lytvishko als auch ihre Eltern haben Panik und Angst. Die 26-Jährige hat bereits Kontakt zur Ausländerbehörde aufgenommen, um zu schauen, ob sie ihre Eltern wenigstens für eine gewisse Zeit nach Deutschland holen kann. Bislang habe sie aber noch keine Informationen dazu bekommen, was überhaupt möglich ist. Denn viel Hoffnung auf Besserung hat die 26-Jährige nicht: "Ich glaube nicht, dass es sich wieder beruhigen wird." +++Alle aktuellen Informationen zum Krieg im Osten gibt es bei uns im Liveticker+++

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