Die neue Marta-Direktorin im Interview: Lassen Sie sich überraschen!

Frau Rahn, Sie übernehmen das Marta nachdem ihr Vorgänger nach 13 Jahren wegen unterschiedlicher Vorstellungen zwischen ihm und dem Bürgermeister zu den finanziellen und programmatischen Perspektiven für das Museum nach Hombroich gewechselt ist. Wie haben Sie das Museum von außen wahrgenommen?Kathleen Rahn: Das Marta Herford ist auf Gegenwartskunst mit Bezügen in die Architektur und zum Design ausgerichtet. Diese programmatische Ausrichtung wurde insbesondere in Themenausstellungen bearbeitet und hat mich, wie auch viele andere immer wieder zu Besuchen angezogen. Auch mit unseren Mitgliedern des Kunstvereins Hannover bin ich im Marta zu Gast gewesen. Was zeichnet das Marta aus? Das Besondere des Marta ist, dass das Museum nicht nur programmatisch jung ist, sondern auch in seiner Struktur: Räume für ein Restaurant, für Veranstaltungen und sogar für Seminare wurden ins Museum integriert und werden personell betreut. Das ist ein großer Vorteil im Gegensatz zu anderen Museen, die ab der Nachkriegszeit errichtet und dann im Zuge der damaligen Anforderungen ausgestattet wurden. Ein Museum ist ja schon längst mehr &bdquo;nur“ ein Ort der Ausstellung, Forschung und Konservierung von Kunst. Museen sind Veranstaltungsorte, Räume der Begegnung und des generationsübergreifenden Entdeckens und Sich-Auseinandersetzens. Im Übrigen ist auch die Vermittlungsarbeit im Marta schon längst zeitgemäß und wird von Experten als &bdquo;Role-Model“ wahrgenommen. Gibt es Ideen, die Sie aus Hannover mitbringen? Wird sich etwas grundlegend ändern? Und wenn ja – in welche Richtung könnte das gehen? Natürlich bringe ich meinen ganzen Erfahrungsschatz und meine Expertise, Kontakte sowie einen Koffer voller Ideen mit. Wie ich diese anbringe und was ich auch verwerfe, möchte ich in den kommenden Monaten herausfinden. Hierbei ist es mir ganz wichtig, erst einmal wirklich kennen zu lernen, wie das Marta funktioniert und ich möchte mir Zeit nehmen, um das Team kennenzulernen. Viele arbeiten schon länger im Haus und haben sicher viel zu erzählen. Im Marta-Magazin können Sie bald erste Stimmen und Wünsche aus der Belegschaft lesen und natürlich wird hier ein gebührender Rückblick auf die umfangreiche Arbeit von Roland Nachtigäller im Zentrum stehen. Das Marta soll als &bdquo;Leuchtturm“ über die Region hinaus strahlen und gleichzeitig Menschen aus Stadt und näherer Umgebung begeistern. Glauben Sie, dass sich dieser Spagat lösen lässt, und wenn ja – wie? Das ist ein Spagat, den wir überall haben – wir haben einerseits den Auftrag ein innovatives, internationales Programm zusammen zu stellen, andererseits möchten wir dieses an ein breites Publikum vermitteln. Ich finde es immer wichtig, offen und direkt mit den Inhalten zu argumentieren und das Publikum – egal ob lokal ober nicht, ob Fachkreise oder Neu im Thema – zur Teilhabe einzuladen. Schließlich haben die Themen, die in der Kunst verhandelt werden, auch mit den Menschen zu tun, manchmal muss man dies einfach vermittelnd begleiten. Ich denke jedoch, dass die Menschen gerade in Zeiten von Fake News und sich auch sonst viral verbreitender Gerüchte interessiert sind im direkten Dialog von Experten im Raum des Museums mehr zu den hier gezeigten Themen zu erfahren. Hierzu gibt es im Marta bereits zahlreiche Angebote, die man nutzen kann. Das Jahresprogramm steht grob bis Ende des Jahres. In der Vorschau fehlt noch die Herbst-/Winterausstellung in den Gehry-Galerien. Gibt es dafür schon Ideen? Und was können die Besucher in Zukunft erwarten? Die Jahresplanung wurde natürlich schon vor meiner Berufung gemacht und das ist auch sehr gut so. Ebenfalls eingeplant wurden Möglichkeiten für die neue Leitung Akzente zu setzen, was ich sehr umsichtig finde. Bevor ich mit Ihnen über die Zukunft spreche, würde ich jedoch erst einmal die aktuelle Gegenwart vor Ort kennenlernen. Gleich die erste neue Ausstellung &bdquo;Marta Maps“ beschäftigt sich mit der Marta-Sammlung. Hatten Sie schon Gelegenheit, sich mit der Sammlung zu beschäftigen? Das Konzept der Sammlungspräsentation liegt in der Frage, wie man selbige versucht zu kartographieren oder zu lesen, in dem mit der Ausstellung unterschiedliche Möglichkeit der Präsentation und Zusammenstellung der Sammlung selbst thematisiert werden, um die Werke vielseitig erfahrbar zu machen. Ich bin gespannt auf die Umsetzung und natürlich freue mich, auf diese Weise erste Werke im Original zu sehen oder wieder zu sehen, so beispielsweise eine Arbeit von Kaari Upson, mit der ich 2019 eine ihrer leider letzten Einzelausstellungen realisieren konnte.Die US-amerikanische Künstlerin (1970-2021) und deren Mutter Karin, welche in Upsons Werk eine wichtige Rolle spielt und die übrigens aus Hannover in die USA migrierte als junge Frau, haben mich sehr beeindruckt. Beide sind tragischer Weise von uns gegangen, so dass ich insbesondere diese Arbeit mit einer ganz anderen Erfahrung anschauen werde als andere Besucher und Besucherinnen – und da kommen wir schon zu einer von vielen Qualitäten von Kunst und ihrer Wahrnehmung. Verglichen mit der Landeshauptstadt Hannover ist Herford ja eher Peripherie. Wie nehmen Sie die Kunstszene hier wahr? Was war ausschlaggebend für Ihre Bewerbung? Ich finde diese ganze Frage von Zentrum und Peripherie hat sich im letzten Jahrzehnt kolossal verändert. Konzentriert durch die Pandemie wurden unsere gängigen Formen und Leben und Arbeiten hinterfragt, neu definiert und die ganze Standortfrage ist weniger relevant. Das ist natürlich aus meiner eigenen Perspektive gesprochen, denn ich hoffe doch, dass wir bald wieder mehr reisen können und das auch mit unserem Freundeskreis Kunst-Ausflüge umzusetzen sind. Denn es stehen ja wichtige Kunstereignisse wie die Biennale in Venedig und die documenta in Kassel bevor. Wichtig ist, wie man sich definiert, denn auch in der so genannten Provinz lässt es sich durchaus global denken, das sieht man ja am Marta! In Herford ist Kunst gerade ein großes stadtpolitisches Thema. Es geht dabei allerdings nicht um das Marta, sondern um den Neubau des OWL-Forums und die Frage, wie sich die Folgekosten auf andere kulturelle Einrichtungen der Stadt auswirken könnten. Wie sehen Sie da die Position des Marta? Können Konsolidierung und Fortentwicklung gleichzeitig gelingen? Das würde ich Sie bitten, diejenigen zu fragen, die die Haushaltspläne betreuen. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass das Marta ein Aushängeschild der Stadt Herford ist und dies auch bleiben wird. Was ich bisher mitbekommen habe, stellt die Politik das nicht in Frage. Möglicherweise ist neben dem Wechsel an der Spitze des Museums Corona die größere Zäsur. Gibt es Ideen, wie das Museum während Corona präsent bleibt und hinterher das Publikum wiedergewinnen könnte? Dass Museen im Kontext der Pandemie und damit zusammenhängender Verordnungen sowie Verhaltensregeln in den Bereich der Unterhaltung und nicht als Orte der Vermittlung gruppiert wurden, war schon sehr schmerzlich – insbesondere da der Fokus auf die Wirtschaft allein ja auch nicht zum Leben reichen kann. Umso mehr hoffe ich, dass die Menschen sich wieder nach &bdquo;echter“ Kultur sehnen, die live und real erlebbar ist und bei der es auch um einen Austausch geht. Wichtig ist am Ende, dass man insbesondere diejenigen Menschen erreicht, die dieses Potenzial erkennen und da vertraue ich auf die Attraktivität der Kunst. Das Marta war und ist ja über die reine Ausstellungstätigkeit hinaus vielfältig aktiv – etwa in Sachen Digitalisierung oder in der Frage des Urheberrechts in der Kunst. Gibt es besondere Themenfelder, gerade in der zeitgenössischen Kunst, in denen das Marta Impulse auch in der Zukunft setzen könnte? In der Tat sind schon viele Dinge sehr gut angelegt im Marta. Bitte geben Sie mir die Zeit, dass ich mich hiermit erst einmal befasse. Zum Beispiel das Forum, das nicht nur als Begriff genutzt werden kann für Debatten, sondern auch räumlich bestechend ist. Wir haben alle neue Verhaltensformen des Kommunizierens entwickelt und so möchte ich prüfen, ob man hybride Formate, mit denen die Welt ebenso wie die Besucher vor Ort zu Gast sein können im Marta, umsetzen kann. Ansehen werde ich mir natürlich auch die sehr wichtige Frage der klimabilanziellen Arbeitsweise. Wie ich das Marta bisher einschätze, wurde auch hierüber bereits geforscht und nachgedacht. Wie kamen Sie zur Kunst? Welches waren prägende Kunsterfahrungen? Ich hatte das Glück, dass ich mit Musik groß geworden bin und schon als Teenager vom Niederrhein aus Museen besucht habe. So beispielsweise eine Andy Warhol Ausstellung im Museum Ludwig in Köln in den 1980er Jahren, die ich einfach &bdquo;cool“ fand und merkte, dass mich sowas interessiert. Mein Vater fuhr mit mir als Abiturientin zur documenta 1992, die ja bekanntlich von Jan Hoet kuratiert wurde, schon toll, wenn sich Kreise zu schließen scheinen. Gibt es einen Künstler, eine Künstlerin der oder dem Sie gerne eine Einzelausstellung widmen würden?Lassen Sie sich überraschen! Wann waren Sie überhaupt zum ersten Mal im Marta – und was war ihr Eindruck?Ich war selbstverständlich vorher als Ausstellungsbesucherin im Marta und konnte hier sogar vor vielen Jahren einmal als Leiterin des Kunstvereins Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft – ein Projekt mit der Kanadierin Michelle Di Menna für das Foyer konzipieren auf Einladung von Roland Nachtigäller sowie dem damaligen Kurator Thomas Niemeyer. Sie hatten inzwischen Gelegenheit, ein wenig Stadt und Menschen kennenzulernen. Wie ist Ihr erster Eindruck von Herford? Werden Sie nach Herford ziehen? Die Stadt Herford und die Menschen vor Ort kenne ich natürlich noch nicht. Ich wurde ja erst vor drei Monaten ausgewählt und wie Sie sich vorstellen können, hatte ich noch einiges zu erledigen in Hannover. Ich freue mich, dass diese Phase nun ein Ende nimmt und dann geht es nahtlos weiter in Herford, wo ich mich freue dann alles kennenzulernen und nach einer Wohnung zu suchen, denn zum Schuljahreswechsel werden mein Partner und unsere neunjährige Tochter dann mit mir nach Herford ziehen.

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