Das Remensniderhaus steht seit 500 Jahren

Herford. 1521 ist ein ereignisreiches Jahr in der Kirchengeschichte. Papst Leo X. exkommuniziert im Januar den Reformator Martin Luther. Er hatte sich geweigert, seine ans Portal der Wittenberger Kirche genagelten 95 Thesen zur Reform der Kirche zu widerrufen. Auf dem Reichstag zu Worms verteidigt Luther vergeblich seine Lehre und der Kaiser verhängt die Reichsacht über ihn. Im Dezember beginnt Luther inkognito mit der Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche. Die Spanier erobern im gleichen Jahr Mexiko und Ferdinand Magellan unternimmt eine Weltumsegelung.Stadt kaufte das Haus 1899 für 13.000 Mark In der reichen Stadt Herford mit vielleicht 1.500 bis 2.000 Einwohnern lässt 1521 der erfolgreiche Handwerker Hinrik (Heinrich) Aldach, genannt Remensnider, ein dreigeschossiges Fachwerkhaus mit einzigartigen, kunsthistorisch wertvollen Figuren-Schnitzereien an der heutigen Brüderstraße 26 bauen. Es hat die Zeiten bis heute überdauert. Feuer und Krieg hätten das Ende des Gebäudes bedeuten können. Die akuteste Gefahr für das Remensniderhaus aber ging im 20. Jahrhundert von der Vernachlässigung in städtischer Verantwortung aus. Dabei hatte die Stadt es 1899 für 13.000 Mark gekauft, um es vor dem Abriss zu retten, nachdem der Vorbesitzer, ein Gerber, in Konkurs gegangen war. Für Zuschüsse von Provinz und Staat musste sich die Stadt verpflichten, die Front in einem guten Zustand zu erhalten. "Mit Liebe zu Antiquitäten hat alles angefangen" "Wenn das Haus Geschichten erzählen könnte ...", sagt Frank Liedtke. Ihm gehört seit 1998 das Remensniderhaus, das in diesem Jahr 500 Jahre alt geworden ist. "Mit Liebe zu Antiquitäten hat alles angefangen", erinnert sich der gebürtige Herforder. "Ich hatte ein Geschäft in Bad Salzuflen und wollte damit nach Herford umziehen. Damals gab es kaum Leerstände, doch da habe ich das Remensniderhaus gesehen und im Laden war nichts drin. Ich hatte das Haus oft gesehen, wenn ich aus dem Kaufhof herauskam, hatte aber keine Ahnung von seiner Bedeutung."Das Haus gehörte der städtischen Wohnbaugesellschaft. Die wollte zunächst vermieten, aber nicht verkaufen. Man wurde sich dennoch handelseinig, der junge Mann bekam einen akzeptablen Preis, musste aber bei der anschließenden denkmalgerechten Sanierung mit finanzieller Hilfe des Landes eine "hohe sechsstellige Summe" investieren. Denn die Bausubstanz war mit Ausnahme der Hauptfassade in keinem guten Zustand mehr.Baustopp wegen eine Wandheizung Liedtke hatte sich vorher von der Lemgoer Architektin und Restaurierungs-Spezialistin Manuela Kramp beraten lassen, um nicht in ein Fass ohne Boden zu investieren. Sie plante auch die grundlegende Sanierung. Ihre Kostenschätzung stimmte im Prinzip, doch ließ Liedtke mehr machen, als ursprünglich geplant. So ließ er entgegen dem ursprünglichen Widerstand der Bauverwaltung eine Wandheizung in die Lehmwände einbauen. "Damals gab es erst einen Baustopp, inzwischen ist das Goldstandard für Fachwerkhäuser", erinnert sich der 53-Jährige. Überhaupt fühlte und fühlt er sich von der Stadt nicht unterstützt. Liedtke und sein Vater Karl leisteten auch viel Eigenarbeit, insbesondere als es galt, das verwahrloste Haus zu entrümpeln.Stadtführer Mathias Polster war schon damals bei der Begehung "eines der bedeutendsten Fachwerkhäuser Deutschlands" dabei. Ja für ihn handelt es sich um "europäisches Kulturgut". Nach seinen Recherchen gab es in den 1960er Jahren Pläne, die schönsten Herforder Fachwerkhäuser abzubauen und wie ein Museumsdorf an der Münsterkirche wieder aufzubauen. Dann hätte auch das Remensniderhaus seinen historischen Standort verloren. Man wollte wohl "der Jugend nicht so eine alte Stadt hinterlassen"."Nie bereut, das Haus gekauft zu haben" Liedtke hat am Ende kein Antiquitätengeschäft eröffnet. Er hat Betriebs- und Immobilienwirtschaft studiert und nach Fremdvermietungen hier selbst ein Büro für Immobilienbewertungen eröffnet, das ebenso wie die Wohnung im 2. Stock überwiegend mit Antiquitäten möbliert ist. "Ich habe es nie bereut, das Haus gekauft zu haben", sagt Liedtke. "Es ist etwas besonderes und ich fühle mich wohl."In naher Zukunft muss nun auch die Fassade von Fachhandwerkern restauriert werden. Polster schätzt die Kosten auf mindestens 200.000 Euro, weiß aber, dass Fördermittel zu bekommen sind. Doch auch der Eigenanteil muss "erst einmal erwirtschaftet werden". Die Kunden für die Schmuckgürtel kamen von weither Mathias Polster geht davon aus, dass die Eichen, die zu Balken verarbeitet wurden, schon 200 bis 300 Jahre alt waren, als sie geschlagen und aus Frankreich importiert wurden. Bauen war damals teuer, weil gerade viele Kirchen errichtet wurden. Wie konnte sich ein Riemenschneider solch einen Bau leisten? Es war sogar ursprünglich nach hinten hinaus deutlich länger, weil der Handwerker eine Werkstatt, Lagerfläche, einen Verkaufsraum und natürlich Wohnraum brauchte. "Aldach hat ja nicht einfach nur Gürtel hergestellt, wie wir sie heute in der Hose tragen", sagt Mathias Polster. "Es waren sichtbare Schmuckgürtel von hoher Handwerks- und Lederqualität und er stellte auch Zaumzeug her", vermutet der Stadtführer. "Das Leder wurde gegenüber im Rothe-Haus hergestellt. Die Leute kamen von weither, um hier zu kaufen." 21 geschnitzte und bemalte Figurenknaggen prägen die Fassade des Hauses. Sie stellen überwiegend christliche Motive dar, die einen Einblick in die Glaubenswelt der Menschen des ausgehenden Mittelalters gewähren. "An höchster Stelle thront Christus, flankiert von vier Heiligen, darunter die Muttergottes, ebenfalls von Heiligen umgeben. Das Erdgeschoss zeigt die sündige Welt. Über der Haustür erscheint der Höllendrachen, und an den Knaggen sind sündhafte Eigenschaften wie Zorn, Schamlosigkeit und Unzucht dargestellt", heißt es im Fahrradreiseführer "Fahr im Kreis" des Kreises Herford. Wappen anderer Städte und Regionen zeugen von den weitreichenden Geschäftsbeziehungen der aufstrebenden Handwerker.In späteren Jahrhunderten verlor die Stadt an Bedeutung und wurde zur Ackerbürgerstadt. Das Zeugnis ruhmreicher Vergangenheit an der Brüderstraße aber ist Ziel vieler Stadtführungen.

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