Fast 450 Jahre altes Fachwerkhaus am Neuen Markt wird saniert

Herford. Mancher Rentenexperte empfiehlt "Betongold" als Altersvorsorge. Ein 36-jähriger Engeraner, der namentlich nicht genannt werden möchte, setzt auf altes Eichenholz. Der angestellte Architekt hat Ende 2020 Herfords fünftältestes Fachwerkhaus am Neuen Markt 5 kurz entschlossen gekauft, saniert es nun in Absprache mit dem Denkmalschutz von Grund auf, und will es vermieten. Drei neue Wohnungen entstehen So wird nicht nur ein architektonisches Schmuckstück der frühen Neuzeit erhalten, sondern es entstehen der Wirtschaftlichkeit des Gebäudes geschuldet auch drei einzigartige Wohnungen für Singles und Paare in zentraler Lage, wie sie gerade dringend gesucht werden. Eine der Wohnungen war bis 2015 von einer der letzten Hausbesitzerinnen bewohnt. Das Ladengeschäft im Erdgeschoss, in dem Sandra Strunk bis vor Kurzem das Reisebüro "Ferieninsel am Neuen Markt" betrieben hat, soll im Idealfall schon vor Weihnachten wieder vermietet werden - womöglich mit Unterstützung des Herford-Plans, der Geschäftseröffnungen in bestimmten Fällen finanziell fördert. "Es ist schade, dass so viel über Leerstände in Herford geschrieben wird", meint der Engeraner. Er möchte ein positives Zeichen setzen. Der Bund fördert die Sanierung Apropos Förderung: Die Sanierung des Fachwerkgiebelhauses auf einem 135 Quadratmeter großen Grundstück wird, so der Eigentümer, mindestens so teuer wie ein Neubau. Sie wird mit 110.000 Euro aus dem Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes gefördert. Dafür hat sich der vom Eigentümer angesprochene Bundestagsabgeordnete Stefan Schwartze eingesetzt. Die Sanierung historischer Häuser entwickelt sich oft zu einem Fass ohne Boden. Der neue Hausbesitzer setzt auf seine Erfahrung auf diesem Gebiet und freut sich, dass die fast 500 Jahre alten Balken insgesamt noch erstaunlich gut in Schuss sind. Das Gebäude wurde der Denkmalliste der Stadt zufolge 1575 errichtet, ist mithin 446 Jahre alt. Es ist laut einer Inschrift beim großen Stadtbrand 1638, dem große Teile der angrenzenden Hämelinger Straße, der Frühherrenstraße und der Radewig zum Opfer fielen, dank günstiger Windrichtung verschont geblieben. "Wol Got vertruwet, de hät wol gebuwet - wer auf Gott vertraut, hat wohl gebaut" heißt es in einer anderen Inschrift. Brandschutz geht über Denkmalschutz Ja, Fachwerkhäuser und die Brandgefahr. Auf Gottvertrauen allein verlässt man sich heute nicht mehr. Die Vorschriften des Brandschutzes sind ebenso herausfordernd, wie die des Denkmalschutzes. Im Zweifel gehen sie auch vor. So sind die Fenster mit ihren Oberlichtern im zweiten Obergeschoss nicht groß genug, um als Fluchtwege zu taugen. Der Denkmalschutz hat erlaubt, ein historisches Fenster im zweiten Obergeschoss durch ein ähnliches, ganz zu öffnendes zu ersetzen. Im Dachgeschoss darf eine Bodenklappe durch ein Fenster ersetzt werden. Hinter jedes historische Fenster wird ein neues Fenster mit Wärmeschutz gesetzt. So muss die neue Heizungsanlage nicht über Gebühr in Anspruch genommen werden. Die Geschossdecken und die Treppe müssen von bestimmter Feuerbeständigkeit sein. Steine aus einem früheren Kloster verwendet Seit einigen Wochen sind Zimmerleute des Lemgoer Unternehmens Vagabund-Holzbau von Meister Veit Nawold dabei, die Balken freizulegen, auf ihren Zustand zu untersuchen, zu bearbeiten und gegebenenfalls ganz oder in Teilen zu ersetzen. Der Einsatz der Handwerker wird begleitet von Denkmalschutzexperten aus Münster, die auch darauf hoffen, neue Erkenntnisse zur Baugeschichte des Hauses zu gewinnen. So sind ihnen Ziegelsteine in einigen Gefachen aufgefallen, die aufgrund ihrer Maße auf die Anfertigung im 13. oder 14. Jahrhundert und eine vorherige Verwendung in einem Kloster hindeuten. Auch vor Jahrhunderten wurde schon gern recycelt. Im nächsten August soll das Werk vollendet sein Apropos Wiederverwendung. Der Hauseigentümer darf marode Balken nur durch anderes historisches Eichenholz ersetzen lassen. Er hatte Glück, als er vom Abriss eines Bauernhauses erfuhr und das sonst teuer gehandelte Holz geschenkt bekam. Eine Bauforscherin hat Tapetenreste, die in bis zu fünf Schichten geklebt waren, auf das 19. Jahrhundert datiert. Sie sollen hinter Glas als Dekoration ebenso sichtbar erhalten werden, wie die Deckenbalken. Die reich geschmückt Fassade bedarf aktuell keiner Sanierung. Der Architekt hofft, die erste Wohnung schon im Mai vermieten zu können, insgesamt sollen die Arbeiten im kommenden August abgeschlossen sein.

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