Herford musste schon vier Mal mit Jahrhunderthochwassern kämpfen

Herford. Die Flutkatastrophe im Süden Nordrhein-Westfalens und im Norden von Rheinland-Pfalz hat auch in Herford für Diskussionsstoff über die Gefährdung der Stadt bei Extremniederschlägen gesorgt. Mathias Polster ist schon im Zuge seiner Recherche für das Buch "Die Straßen und Plätze von Herford: Vom Aawiesenparkbis Zur Bleiche" zu für ihn erstaunlichen Ergebnissen gekommen. Das legendäre sogenannte Jahrhunderthochwasser von 1946 hatte zwar bis dahin ungekannte Zerstörungskraft durch Strömung entwickelt, doch ordentlich nasse Füße hatten die Herforder da innerhalb von 100 Jahren schon drei Mal bekommen. "1881, 1890, 1925 und 1946 stand die Innenstadt ähnlich hoch unter Wasser", sagt Polster. "Hochwassermarkierungen an verschiedenen Stellen in der Stadt dokumentieren noch heute die Wasserstände." Diese gusseisernen Markierungen konnte man sich in der Vorgründerzeit offenbar kaufen und am eigenen Haus anbringen. Hochwassermarkierungen an alten Häusern Ein Beispiel von Februar 1881 und November 1890 ist an der Komturstraße 29 zu sehen. Polster ist dankbar für Hinweise auf weitere Markierungen. Am höchsten Punkt, dem Gehrenberg, konnte man 1946 paddeln. Auf dem Neuen Markt müsste das Wasser sogar 60 Zentimeter höher gestanden haben. Das Hochwasser von 1946 ist durchaus etwas Besonderes gewesen. Allein vom 8. auf 9. Februar waren 130 Liter Regen pro Quadratmeter niedergegangen. Durch einen Fliegerangriff auf die Brücke der Lippischen Bahn am heutigen H2O hatte sich ein Damm aus Trümmern in der Werre gebildet. Die Wassermassen brachen sich am 9. Februar Bahn und ergossen sich mit Druck ins tiefer gelegene, von Bombenangriffen ohnehin gezeichnete Stadtgebiet. Die Lage verschärfte sich, weil zeitgleich auch die Hochwasserwelle der Aa in Herford ankam. Spenden für Flutopfer bei Stadtführungen Polster hat die Überschwemmungen zum Thema einer Stadtführung gemacht, für die er schon mehrfach ein interessiertes Publikum gefunden hat. Ein Honorar hat er dafür nicht erhoben. Die Bitte um eine Spende für die Opfer der aktuellen Flutkatastrophe hat aber schon mehr als 2.000 Euro zusammengebracht, die Polster über die Aktion-Lichtblicke von Radio Herford den Betroffenen zugute kommen lässt. Für Mathias Polster ist die Beschäftigung mit dem Hochwasser nicht nur eine historische Betrachtung. "Herford muss zusammen mit anderen Gemeinden an der Werre die Herausforderung meistern, wie das Wasser zurückgehalten werden kann", meint er. "Man redet nur über das Wehr am Bergertor, aber zu wenig über die vielen versiegelten Flächen an Aa und Werre. Herford wird absaufen bei einer Extremwetterlage, das ist nicht zu vermeiden." Auf einem rund 120 Jahre alten Foto des Geschichtsvereins vom Turm der Johanniskirche Richtung Lippe ist zu erkennen, wie viel Raum der Werre außerhalb der Stadtmauern früher gelassen wurde. Sechs Stunden Vorwarnzeit aus Lippe Der Umbau des Bergertor-Wehres zur Erhöhung der ökologischen Durchgängigkeit ist abermals Thema im Bau- und Umweltausschuss am Donnerstag, 23. September. Für Polster kann die angestrebte Lösung mit einer unveränderbaren Sohlgleite auf einem Drittel der Breite der Werre nicht das letzte Wort sein. "Wir haben sechs Stunden Vorwarnzeit für ein Hochwasser aus Lippe. Da muss das Wehr rechtzeitig abgesenkt werden, um danach wieder Wasser im Flussbett zurückhalten zu können", meint er. Wenn der Durchlass ein Drittel kleiner sei, werde das verlangsamt und die Sache schlimmer gemacht. Polster beklagt, dass das städtische Grundstück der früheren "Overbecks Badeanstalt" am Bergertor seinerzeit verkauft und mit Eigentumswohnungen bebaut worden sei. Viel sinnvoller wäre es nach seiner Meinung gewesen, hier die schon einmal geplante Umflut für den Fluss zu bauen. Polster meint, dass man jetzt nicht umhin kommen werde, das Gleiche für mehr Geld auf der anderen Seite zu tun. "Man müsste Wasserreservoirs unter Plätzen anlegen" "Bei meiner letzten Führung habe ich bemerkt, dass die Anlieger sich nicht ausreichend wahrgenommen fühlen", sagt Polster. Die hätten schon von ihren Versicherungen Probleme signalisiert bekommen, wenn sie nachweisen müssten, ob Schäden an Gebäuden von einem Hochwasser, von Grundwasserabsenkungen oder Bombenschäden aus dem Krieg herrühren. Mathias Polster hat sich als Restaurator viel mit Grundwasserabsenkung und ihren negativen Folgen für die Gebäude beschäftigt. Versiegelung und Ausbau der Kanalisation sieht er als Ursachen dafür. Nach seiner Ansicht könnte mit dem Anlegen von Wasserreservoirs unter wasserdurchlässig gepflasterten Plätzen sowohl etwas gegen Hochwasser wie auch gegen Grundwasserschwund getan werden. Die nächste Chance wäre auf dem Alten Markt, dessen Gebäude auch unter der Grundwasserabsenkung leiden. Einen Vortrag zum Thema Hochwasser mit Fotos plant Mathias Polster für Freitag, 8. Oktober, bei der Volkshochschule. Das Buch "Die Straßen und Plätze von Herford: Vom Aawiesenpark bis Zur Bleiche" ist in der Herforder Geschäftsstelle der Neuen Westfälischen, Lübberstraße 15-17 und im NW-Online-Shop zu bekommen.

Meistgelesen