Prozessauftakt nach bewaffneter Schlägerei am Jahnstadion

Herford. Zwei Abiturienten verabreden sich am helllichten Tag, um einen Streit auszuräumen. Beide kommen zum vereinbarten Treffpunkt auf den Parkplatz am Jahnstadion nicht alleine. Es fallen Schüsse, Pfefferspray wird versprüht, ein 29-Jähriger wird angefahren und muss verletzt ins Krankenhaus, Messer und Schlagringe sollen im Spiel gewesen sein. Die Polizei findet später einen Totschläger, auf dem Blut klebt, Patronenhülsen. Die Anklage gegen zwei junge Männer (21, 22) vor dem Jugendschöffengericht liest sich wie ein Skript des Tatorts. Es ist nicht die einzige Tat, die ihnen die Staatsanwaltschaft Bielefeld beim Prozessauftakt vorwirft. Und auch nicht nur zwei, sondern vier Angeklagte nehmen neben ihren Verteidigern am Montagmorgen im Saal 309 Platz. Staatsanwalt Tschaschnig verliest nämlich gleich zwei Anklagepunkte. Der eingangs kurz umrissene Nachmittag am Jahnstadion im Februar 2020 ist der eine Vorwurf, für den sich zwei der vier Angeklagten verantworten müssen. Eine weitere gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung soll sich bereits am 10. Mai 2019 zugetragen haben. Daran sollen alle vier Herforder auf der Anklagebank beteiligt gewesen sein. Zusammen sollen sie einen jungen Mann an der Werrestraße angegriffen haben. Mit Fäusten und Tritten sollen drei von ihnen auf das Opfer eingeprügelt haben, einer blieb im Auto, um möglichst schnell mit der Gruppe flüchten zu können. Diese Anklage verliest Staatsanwalt Tschaschnig zwar zum Prozessauftakt, doch während des langen Verhandlungstages wird hierauf noch nicht eingegangen - denn ein Zeuge taucht nicht auf. Ein Konflikt in der Schule soll den Eklat verursacht haben Daher geht es am ersten von drei angesetzten Verhandlungstagen nur um den eskalierenden Streit am 18. Februar 2020 am Jahnstadion. Nur einer der Angeklagten nimmt zu den Vorwürfen Stellung. Er und sein Kontrahent sind zum Zeitpunkt des Geschehens Klassenkameraden, machen Abitur an der Gesamtschule Friedenstal. Zwischen den beiden soll es häufiger zu Streit gekommen sein. Der Herforder Angeklagte soll dem heute 20-Jährigen eine "geklatscht" haben. In der Schule, aufgrund eines vorangegangenen Konflikts. So weit decken sich noch die Aussagen des Angeklagten und der geladenen Zeugen. Auch, dass sie sich nach der Schule verabredet haben, um "die Sache aus dem Weg zu räumen", bestreitet keiner der Anwesenden. Wie die Situation dann aber auf dem Parkplatz eskaliert, da gehen die Aussagen extrem auseinander. Der Angeklagte berichtet von Drohungen vorab über WhatsApp. Er sei mit zwei Freunden und seinem Kumpel, der auch die andere Partei kennt und schlichten wollte, zum Treffpunkt gefahren. Mit dabei hatte er eine Schreckschusspistole mit Gaspatronen: "Die habe ich mitgenommen, um mich zu schützen. Ich wollte sie nicht benutzen", sagt der Herforder. Er und sein Kontrahent sind beide davon ausgegangen, dass die Gegenseite nicht alleine zum Treffpunkt erscheint. "Es drängt sich auf, dass sie sich für eine Schlägerei verabredet haben", sagt die Vorsitzende Richterin Schwöppe-Funk an jeden der Anwesenden gerichtet. Doch alle verneinen die Frage nach einer verabredeten Massenprügelei - sie wollten die Situation nur schlichten. Autofenster vermutlich mit Teleskopschläger eingeschlagen Es passiert das genaue Gegenteil. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, auf die andere Gruppe gezielt geschossen zu haben. Er sagt, er habe nur drei Warnschüsse in die Luft abgegeben. Auch soll er den 29-jährigen Cousin des Kontrahenten absichtlich mit seinem Auto angefahren haben. Dieser habe eine ausgerenkte Schulter und einen vierfach gebrochenen Daumen davon getragen und musste ins Krankenhaus. Doch auch die Männer der Gegenseite entpuppen sich nicht als Unschuldslämmer. Sie sollen als bewaffnete "Meute" auf den Angeklagten und seinen Kumpel zugegangen sein, die dann ins Auto flüchteten. Das Fahrzeug wird zerbeult, mitsamt eingeschmissenen Fenstern. Das belegen Fotos der Polizei. Doch der Kontrahent streitet das Eindreschen mit Teleskopschlägern auf das Auto vehement ab. Ein Zeuge will auch zwei Männer mit Messern gesehen haben, die durch die zerbrochenen Fenster versucht haben, auf die beiden Angeklagten einzustechen. Die identifiziert er zugleich im Gerichtssaal. Gehört werden deren Zeugenaussage aber erst in einem der nachfolgenden Verhandlungstage. Fakt ist laut Polizei, dass drei Patronenhülsen auf dem Parkplatz gefunden wurden, ebenso ein blutiger Teleskopschläger im Auto des Kontrahenten und es zwei verfeindete, gegnerische Gruppen gibt. Doch was genau sich an diesem Nachmittag im Februar zugetragen hat, wissen bisher nur die Beteiligten selbst. Die Zeugenaussagen gehen zum Teil so diffus auseinander, dass sich der objektive Prozessbeobachter noch kein genaues Bild machen kann. Der Prozess wird am 27. Mai um 10.30 Uhr vor dem Jugendschöffengericht fortgesetzt.

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