So verläuft eine Nacht in Herford während der Ausgangssperre

Herford. Zum zweiten Mal binnen eines Jahres gilt in Herford eine Ausgangssperre. Seit vergangenem Wochenende dürfen Bürger zwischen 22 und 5 Uhr nicht mehr aus dem Haus, ohne einen triftigen Grund vorbringen zu können. Die NW-Redaktion ist am Freitagabend in der Innenstadt unterwegs, um sich selbst ein Bild zu machen. Halten sich die Herforder an die Ausgangsbeschränkung? Freitag, 22 Uhr: Das Läuten der Kirchturmuhr signalisiert den Beginn der Ausgangssperre. Die Lübberstraße wirkt zu diesem Zeitpunkt schon wie ausgestorben. Keine Menschenseele ist zu sehen und es herrscht Stille. Lediglich aus einigen Wohnungen im Obergeschoss dringt ab und zu der Klang von Musik auf die Straße. Nach wenigen Gehminuten dann doch der erste menschliche Kontakt. Ein junger Mann rast in halsbrecherischem Tempo über den Neuen Markt. &bdquo;Muss schnell nach Hause", ruft er und verschwindet so schnell, wie er aufgetaucht ist. Offenbar hat er Uhr und Ausgangssperre nicht im Blick gehabt. Ordnungsamt auf Streife 22.12 Uhr: Vom Gehrenberg aus kommend geht es über den Alten Markt. Im Dunkeln sind in der Nähe der Bushaltestelle schemenhaft drei Gestalten zu erkennen. Aus der Nähe wird klar, dass eine Streife des Ordnungsamtes gerade dabei ist, einem Passanten klar zu machen, dass er sich nicht mehr im Freien aufzuhalten hat. &bdquo;Auf direktem Wege nach Hause", lautet die bestimmte Ansage der Mitarbeiter. Der Mann fügt sich. Gemeinsam mit seinem Kollegen steigt der Ordnungsamts-Mitarbeiter kurz darauf in einen silberfarbene Bulli und fährt im Schritttempo über die Bäckerstraße davon. 22.19 Uhr: In der Nähe des Gänsemarktes ist eine Dame unterwegs. Dass eine Ausgangssperre herrsche, will sie vergessen haben. &bdquo;Ich muss nur schnell zur Sparkasse und bin in fünf Minuten wieder in der Wohnung", sagt sie und verschwindet. Radtour endet im Aawiesenpark 22.30 Uhr: Der Aawiesenpark wird von der Dunkelheit nahezu verschluckt. Lediglich das Rauschen des Wassers ist zu hören. Am Frederica Ufer sitzt ein junger Mann in Arbeitskleidung auf einer der Bänke, raucht eine Zigarette und starrt auf das Wasser. Sein Fahrrad hat er neben sich abgestellt. &bdquo;Ich habe nach Feierabend die milden Temperaturen genutzt und noch eine Radtour gemacht", sagt er und stellt sich mit dem Namen Frank vor. Die Ausgangssperre hält Frank für sinnvoll und kann ihr sogar etwas Positives abgewinnen. &bdquo;Ich bin gerne allein und dadurch, dass jetzt nicht mehr so viele Menschen unterwegs sind, kann ich mich hier ungestört ans Wasser zurückziehen", sagt der 26-jährige. Ein bisschen Angst davor, von Polizei oder Ordnungsamt erwischt zu werden, habe er trotzdem. &bdquo;Ich hole mir jetzt noch einen Döner und fahre nach Hause", verabschiedet er sich. Zu seiner Wohnung in der Innenstadt sei es nicht mehr weit. Wenig Verständnis für die Regeln 22.38 Uhr: Auf dem Weg Richtung Bahnhof ändert sich das Bild. Zunächst preschen zwei Mountainbiker den Deichtorwall entlang und eine Joggerin dreht ihre Runde. Unterwegs ist auch eine Vierergruppe junger Männer. Die Jungs im Alter von 20 bis 22 Jahren halten von der aktuellen Ausgangssperre zum jetzigen Zeitpunkt nicht besonders viel. &bdquo;Das bringt doch nichts. Das Virus ist doch vor 22 Uhr genauso ansteckend", sagt einer. Man verstehe nicht, warum man das Thema so lange diskutiert und herausgezögert habe. &bdquo;Jetzt werden die Tage länger und das Wetter besser und wir sollen drinnensitzen. Das hätte man auch im März oder April machen können", erklärt ein anderer. Dass es in Herford Kontrollen gibt, ist dem Quartett offenbar nicht sonderlich präsent. &bdquo;Ich habe gehört, dass sie in Bielefeld richtig krass kontrollieren." Auf den Hinweis, dass das Ordnungsamt auch in der Hansestadt unterwegs ist, steigt bei ihnen die Sorge, erwischt zu werden und die Gruppe überlegt sich schnell die passende Ausrede. &bdquo;Wir sagen, dass wir uns nicht kennen und unabhängig voneinander spazieren sind." Viel zu tun bei Knusper Kebab 22.50 Uhr: Knusper Kebab in der Steinstraße ist noch hell erleuchtet und es dröhnt Musik aus dem Laden. &bdquo;Seit 22 Uhr dürfen wir nur noch außer Haus liefern", sagt Sedat Berse. Seine Fahrer hätten dann einen entsprechenden Nachweis dabei. Dem Geschäft sei das aber nicht abträglich. &bdquo;Wir kommen mit den Bestellungen kaum hinterher", erklärt Berse. Über die Sinnhaftigkeit der Regelung macht er sich keine allzugroßen Gedanken. &bdquo;Das ist jetzt nun mal Gesetz. Ob das was bringt, müssen die Experten entscheiden." Grundsätzlich hält er Vorsicht beim Thema Corona aber für den richtigen Ansatz. &bdquo;Wir haben wegen Corona schon eine Tante verloren", sagt er. 23.12 Uhr: Der Bahnhofsvorplatz ist menschenleer und nur vereinzelt sind Autos unterwegs. Lediglich sechs Taxifahrer stehen neben ihren Wagen, rauchen Zigaretten und warten darauf, dass sie an diesem Abend noch gebraucht werden. &bdquo;Seit 22 Uhr läuft fast gar nichts mehr und wir stehen alle still", sagt ein Fahrer, der sich als Mehmet vorstellt. Auf den Straßen seien auch keine Pkw mehr unterwegs, berichtet er. Sein Kollege Atay hält die gegenwärtige Regelung für sinnvoll. &bdquo;Wir merken ja, dass deutlich weniger Menschen unterwegs sind und sich treffen", sagt er. Polizei: "Keine Auffälligkeiten" 23.35 Uhr: An der Esso- und Aral-Tankstelle in der Mindener Straße – eigentlich ein beliebter Treffpunkt für junge Menschen – ist an diesem Abend nichts los. Auch auf dem Weg dorthin wirkt die Straße Auf der Freiheit und die Kreuzung Berliner Straße/Mindener Straße wie ausgestorben. Auch aus Sicht der Polizei verläuft die Nacht ruhig. &bdquo;Es gab keine besonderen Auffälligkeiten", heißt es am Sonntag auf NW-Anfrage von der Leitstelle. Es seien zwar Verstöße aufgenommen worden, diese seien allerdings in überschaubarem Rahmen gewesen.

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