Corona-Pandemie belastet Obdachlose mehrfach

Herford. In den vergangenen Monaten hat die Corona-Pandemie noch einmal an Fahrt aufgenommen. Grenzwerte werden überschritten, die Infektionszahlen sind hoch. Vor allem in der ersten Phase der Corona-Pandemie im Frühjahr war das Credo zur Eindämmung des Virus "Stay Home" - zu Deutsch: Bleibt Zuhause. Doch wie geht es den Menschen, die keine eigene Wohnung haben? Menschen, die auf den Straßen, in Obdachlosenunterkünften oder in unzureichenden Wohnbedingungen leben, seien gleich mehrfach belastet. "Die Corona-Pandemie und die kalte Jahreszeit verschärfen die Situation für Wohnungslose", sagt Bettina Schelkle vom Sozialberatungsdienst (SBD) der Evangelischen Diakoniestiftung. Der SBD kümmert sich um Menschen in sozialen Schwierigkeiten und Wohnungsnot. "Viele Wohnungslose gehören zur Corona-Risikogruppe und sind besonders schutzbedürftig. Sie können sich nicht in die eigenen vier Wände zurückziehen, leben auf der Straße oder müssen sich einen meist kleinen Wohnraum mit anderen teilen." Enormer Aufwand, das Angebot aufrecht zu erhalten Die Diakoniestiftung stellt Wohnungen, Gemeinschaftsunterbringungen und Übernachtungsmöglichkeiten für Wohnungslose zur Verfügung. Die Angebote werden auch während der Corona-Pandemie aufrecht erhalten. "Das ist ein enormer Aufwand", sagt Schelkle. In den Unterkünften würden Desinfektionsmittel bereit gestellt und Schutzmasken verteilt. Zudem würde der Obdachbereich vom Hausmeister desinfiziert. In der Beratungsstelle seien Schutzwände installiert worden. Es lasse sich jedoch manchmal nicht vermeiden, dass sich zum Beispiel einige Wohneinheiten mit ihren Nachbarn Bad und Küche teilen müssen. "Das konnten wir bisher leider nicht baulich verändern. Für die Bewohner sind individuelle Hygienestandards dann natürlich schwieriger einzuhalten als für andere Menschen", nennt Schelkle ein weiteres Problem für Obdachlose. "Es wäre gut, wenn es weitere Wohnungen gebe, in denen die Obdachlosen untergebracht werden können." Eine entzerrte Wohnsituation und mehr dezentrale Wohnungen wären ein Lösungsansatz für viele Wohnungslose, sagt Schelkle. Aber nicht allein die Hygienemaßnahmen seien aufwendig, auch die Mitarbeiter seien belastet. "Gerade jetzt sind viele neue Hürden auf die Menschen hinzugekommen. Vieles bedarf telefonischer Anmeldung. Zum Beispiel bei der Existenzsicherung oder bei Ärzten. Es ist für manche sehr kompliziert geworden und die sozialen und gesundheitlichen Hürden sind höher", sagt Schelkle. Das persönliche Gespräch bleibe wichtig Das persönliche Gespräch sei weiterhin ungeheuer wichtig, um den Menschen in Notlagen zu helfen, so Schelkle: "Die Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter ist seit Monaten hoch. Sie gehen weiterhin auf die Personen zu, müssen viel erklären. Viele Menschen haben Angst, weil sie gesundheitlich vorbelastet sind, verlassen ihre Räumlichkeiten nicht mehr. Andere tun sich schwer, die Schutzverordnung umzusetzen oder sind etwas sorgloser. Das ist ganz unterschiedlich." Ein weiteres Angebot des Sozialberatungsdienstes bleibt allerdings geschlossen: Der sogenannte Tagesaufenthalt, wo sich Wohnungslose täglich treffen konnten, um sich aufzuwärmen oder Zeit miteinander zu verbringen. "Vereinsamung trifft die Obdachlosen umso mehr, da sie kein familiäres Umfeld als Rückhalt haben. Der Kontakt im Tagesaufenthalt wäre umso wichtiger, aber das muss weiter wegfallen", sagt die Einrichtungsleiterin. Es sei jedoch trotzdem möglich, in den Räumlichkeiten zu duschen oder Wäsche zu waschen. Lage an der Werrestraße bleibt angespannt Neben der aktuellen Pandemie-Lage beschäftigt Bettina Schelkle die Lage an der Werrestraße. Das Gebäude ist in der Vergangenheit mehrfach in die Kritik geraten. Von teilweise "unhaltbaren Zuständen" war die Rede. "Eine grundlegende Sanierung wäre wünschenswert. Allerdings sind unsere Mittel extrem begrenzt." Für die Sanierung muss die Diakoniestiftung auf ihre Mieteinnahmen zurückgreifen. In diesem Jahr haben notwendige Kanalarbeiten die Geldmittel reduziert. "Jetzt heißt es, weiter sparen." Zudem müssen oft kleinere Reparaturmaßnahmen an der Unterkunft Werrestraße vorgenommen werden, denn es komme immer mal wieder zu Beschädigungen. "Entweder durch Mieter oder von anderen Personen. Es gibt ein beunruhigendes Gewaltpotenzial von außen. Daher haben wir zeitweise auf eigene Kosten einen Sicherheitsdienst engagiert, um das Problem einzudämmen. Die Erfahrungen waren positiv", sagt Schelkle. Hier würde sich die Leiterin Unterstützung erhoffen. Für die Menschen brauche es außerdem mehr sozialpsychiatrische Wohnangebote und Hilfen, die die Lage weiter entspannen könnten. Die Einrichtungsleiterin betont aber gleichzeitig: "Das Haus an der Werrestraße ist nicht für alle ein Horrorhaus. Hier gibt es auch viel Solidarität."

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