Auflösung: Die Pfarrersfamilie überlebte den Bombenhagel im Keller

Herford. Das eigentlich unspektakuläre Foto des Lutherhauses am Oetinghauser Weg hat bemerkenswerte bewegende wie fröhliche Erinnerungen wachgerufen. Helfried Horstmann schreibt: &bdquo;Ja, das ist das Lutherhaus am Oetinghauser Weg achter der Bahn, der Ort meiner religiösen Sozialisation. Und bei allem, was mir dazu einfällt, fällt es schwer zu entscheiden, wo ich anfangen und wo ich aufhören sollte. Schon meine Familie, insbesondere meine Großmutter, war jahrzehntelang dort engagiert.Das Foto zeigt das Lutherhaus, wie es in den 1950er Jahren entstanden ist. Es gab bereits vor dem 2. Weltkrieg ein Lutherhaus, das beim Bombenangriff Totensonntag 1944 zerstört wurde. Der Herforder Bahnhof war das Ziel der Bomber und dabei bekam das Lutherhaus ein Volltreffer ab, der nur Trümmer hinterließ. Der Zugang vom ,alten Lutherhaus war über die Goltzstraße. In den Trümmern fand man den Christuskorpus des Altarkreuzes. Dieser wurde dann auf ein neues Kreuz angebracht, das noch heute im Lutherhaus zu sehen ist. Legendäre Pappenfete mit der Kult-LP von Status Quo Die Gottesdienste fanden danach in der Kantine der Polstermöbelfabrik Stepo statt, in der ich dann 1947 getauft wurde. Im Familienbuch steht als Taufort aber nicht ,Stepo sondern einfach &bdquo;Lutherhausbezirk“. Mit großem Engagement wurden die heil gebliebenen Steine von vielen aus der Gemeinde von Mörtelresten abgeklopft, um sie für einen Neubau einzusetzen. Der war zunächst erst einmal der Querbau, den man vom Oetinghauser Weg aus sieht. Der dürfte so um 1950 fertiggestellt sein. Die Gottesdienste fanden im Konfirmandensaal statt, der durch eine Falttür mit dem Nachbarraum verbunden war. Heute treffen sich in diesen Räumen die Teilnehmer von Böckmanns Laden. Der auf dem Foto zu sehende rechte Bauteil wurde Mitte der 1950er Jahre angebaut.Der Konfirmandenjahrgang meines Bruders war dann die erste Konfirmation, die im neuen Kirchsaal gefeiert wurde, das war 1957. Für den Neubau konnten von den Gemeindegliedern ,Bausteine in Form einer Postkarte gekauft werden, in beliebiger Spendenhöhe, die zur Mitfinanzierung dienten. Der neue Kirchsaal bot bis zu 500 Menschen Platz, der vor allem an Heiligabend nötig war. Zwei Personen verdienen es, besonders erwähnt zu werden. Einmal die langjährige Gemeindehelferin Hermine Schreiber, die neben der Frauenarbeit den Vorkatechumenenunterricht leitete und so viele Konfirmandenjahrgänge begleitet hatte. Und daneben Pastor Engau, der von 1939 bis 1976 Pfarrer des 4. Pfarrbezirkes (Lutherhaus) der Münsterkirchengemeinde war. Der insbesondere dann auch den neu entstandenen Posaunenchor unterstützte.Im Lutherhaus begann meine Zeit im CVJM, ich lernte mit 12 Jahren Zugposaune, später dann Trompete, war ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Jugendarbeit und bis zur Fusion des Posaunenchores mit dem Münsterposaunenchor 2007 CVJM Vorsitzender.“ Andreas Völkel erinnert sich: &bdquo;Hier wurden meine Eltern 1963 getraut und im gleichen Jahr wurde ich hier auch getauft – meine Brüder folgten ein und vier Jahre später. Alles noch durch Pastor Engau, der hier lange tätig war. Wir sind viele Jahre auch immer sonntags morgens zum Kindergottesdienst gegangen (ich erinnere mich noch an die Helferinnen Bärbel Prybylski und Inge Brünger). Auf Pastor Engau folgte dann Pastor Dr. Rahe, bei dem ich auch im Pappenunterricht war und schließlich 1978 konfirmiert wurde. Für die damalige Zeit war das ein richtiger Generationswechsel unter den Pastoren. Pastor Rahe lief privat im Jeansanzug herum – das hatte es vorher nicht gegeben. Ich erinnere mich, dass Dr. Rahe mal gefragt hat, was wir am Tag nach der Konfirmation machen – da wäre doch schulfrei. Auf einmal trug ein Pfarrer Jeansanzug Von hinten kam es wie aus der Pistole geschossen: Geld zählen! Der Unterricht war eigentlich locker und hat uns nicht sehr gefordert. Es sei denn, die Gemeindehelferin Hermine Schreiber vertrat mal den Pastor. Und wenn du dann was nicht auswendig gelernt hattest, war der Tag gelaufen. Ich glaube, die konnte die ganze Bibel auswendig und wenn die dich einmal auf dem Kieker hatte, hat sie es nicht vergessen. Es fanden aber auch schon damals (ab 1978) Pappenfeten im Gemeindesaal statt – die Kirche hatte eine super Verstärkeranlage, die dann mal richtig gefordert wurde. Unvergesslich ist die Live LP von Status Quo mit Bye Bye Johnny – das war Kult – alle im großen Kreis und Headbangen! War eine schöne Zeit und die, die daran beteiligt waren, denken bestimmt wie ich gerne an sie zurück.“Klaus-Dieter Stork weiß: &bdquo;Der Grundstein für das Gebäude wurde 1914 gelegt. 1915 war die Einweihung. Im Jahre 2004 erfolgte die letzte umfangreiche Renovierung des Lutherhauses. Es dient u. a. dem Stadtteiltreff für Senioren. Der Kirchsaal wird auch für die Tagungen der Kirchenkreissynode genutzt. Wegen der coronabedingten Abstandsregelung mussten die letzten Veranstaltungen, wie die Presbyter- und Superintendenten-Wahl allerdings im Alten Güterbahnhof stattfinden.“ Hans-Walter Arning schreibt: &bdquo;Gerne treffen sich die Senioren von Böckmanns Laden regelmäßig hier. Da eine große Küche vorhanden ist, können die Räumlichkeiten auch für Feiern genutzt werden. Leider fallen zurzeit, bedingt durch Corona, alle Veranstaltungen aus, hoffentlich nicht mehr zu lange.“ Gerhard Heitholt hat erkannt: &bdquo;Gezeigt wird der Gebäudekomplex von seiner Rückseite mit dem in späteren ,Wirtschaftswunderjahren angebauten Kirchsaal rechts und der Sakristei ganz rechts am Bildrand. Ich erinnere mich als Gemeindemitglied noch gut an die 100-Jahr-Feier vor einigen Jahren. Das Hauptgebäude links wurde im 2. Weltkrieg durch Bombenvolltreffer völlig zerstört. Der Wiederaufbau wurde aber schon bald nach Kriegsende in Angriff genommen. Ich weiß noch als Kind im Grundschulalter, dass Gemeindemitglieder wie mein Vater bei den Aufräumarbeiten und Trümmerbeseitigung mitgeholfen haben. Für den sonntäglichen Gottesdienst hatte die Firma &bdquo;Stepo“ (Steffen Polstermöbelfabrik) am Wellbrocker Weg in dieser Zeit Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Schön für mich als Kind: der Weg zum Kindergottesdienst war so von zu Haus auch nur halb so weit und in einer Fabrik war ja alles irgendwie interessanter als in einem Kirchraum. Den ersten Gemeindepfarrer in der Nachkriegszeit, Pastor Engau, habe ich auch noch gut in Erinnerung, etwa bei Hausbesuchen zu Geburtstagen meiner Großeltern. Es wurde dann immer viel geplaudert und er war wohl allgemein recht beliebt. Behalten habe ich bis heute einen Satz von ihm, als wir Kinder bei einer Feier ungehorsam waren und die Erwachsenen eingriffen, wo er wohl ausgleichen wollte und sagte: ,Ja, ja, der Vater hat die Strenge und die Mutter hat die Liebe... (ein Körnchen Wahrheit wird wohl dran sein...). Durch strukturelle Änderungen werden regelmäßige Gottesdienste schon länger nicht mehr im Lutherhaus gefeiert.“ Rita Frentrup schreibt: &bdquo;Dort ist mein Mann 1957 von Pastor Engau konfirmiert worden. Seine Mutter hat die letzten Monate ihres Lebens im Haus Elisabeth verbracht und für die Geburtstagskinder wurde dann im Lutherhaus einmal im Jahr eine schöne Feier ausgerichtet.“ Frank Klemens erinnert sich positiv: &bdquo;Ich habe quasi meine halbe Kindheit und Jugend im Lutherhaus verbracht. Sehr gerne denke ich an diese Zeit zurück. Meine Erinnerungen beginnen mit dem Besuch des Kindergottesdienstes, das liegt jetzt rund 50 Jahre zurück. Konfirmandenunterricht und Konfirmation 1980 folgten. In meiner Freizeit besuchte ich dann jede Woche den Bibel-Club bei Frau Becker, Samstag war dann unser Jugendtreff ,Brennpunkt mit Petra, Sigrid, Michael und Michael. Ich selbst habe freitags eine Jungschar für sechs- bis achtjährige Kinder geleitet. Es war eine wunderbare Zeit und ich danke allen, die mich in dieser Zeit begleitet haben. Sogar meinen 18. Geburtstag habe ich mit vielen Freunden dort feiern können. Ich bin dann von Herford nach Bielefeld gezogen und habe leider den Kontakt zum Lutherhaus verloren. Ich habe dann nur gehört, das es relativ ruhig um das Lutherhaus geworden ist. Umso mehr freut es mich, das es heute wieder für die verschiedensten Veranstaltungen und sozialen Projekte genutzt wird. Ich wünsche mir sehr, dass es noch lange so bleibt. Heute ist meine Mutter sehr aktiv im Lutherhaus tätig. Was mich umso mehr freut!“ Drei Bomben schlugen am Totensonntag ein Ulrich Stille meint: &bdquo;Es ist ein Haus mit wechselvoller ,Kirchengeschichte. 1914 zu Beginn des ersten Weltkrieges erbaut und 1915 feierlich eingeweiht, wurde das Gotteshaus gegen Ende des letzten Krieges von drei Bomben in einen Trümmerhaufen verwandelt. Die junge Familie des Pastors Engau, der als Soldat Heimaturlaub hatte, überlebte die Bomben im Keller und konnte gerettet werden. Nach dem Krieg wurde das Lutherhaus wieder aufgebaut und entwickelte sich unter der langen und prägenden Amtszeit von Pastor Engau zu einem Zentrum religiösen Lebens ,achter de Bahn. Hier wurden unsere Töchter getauft und konfirmiert und ich erinnere mich gern an so manche feierliche Christmette. Allerdings auch daran, dass vor vielen Jahren während der Weihnachtspredigt ein kleiner Junge neugierig zu dem Weihnachtsbaum am Altar ging, an dem die elektrischen Kerzen funkelten. Plötzlich steckte er unbemerkt vom jungen Pfarrer aber zum Schrecken der Gemeinde ein Licht in den Mund. Schnell zog ihn jemand beherzt aus der Gefahrenzone. Heute finden leider nur noch selten Gottesdienste im Lutherhaus statt. Die Kirche ist überwiegend ein Tagungszentrum geworden. So hat hier im vergangenen Jahr Robert Habeck, der Chef der grünen Partei, über Mensch und Schöpfung gesprochen – vor vollem Haus, wie es sich wohl jeder Pfarrer wünscht. Gewinner Drei Mal gab es beim Rätselbild eine historische Zeitungsseite zu gewinnen. Den Gewinn senden wir in den nächsten Tagen zu. Die Gewinner sind Grete Strakeljahn, Frank Klemens und Paul F. Knizewski.Herzlichen Glückwunsch!

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