Die urbane Sturzflut: Starkregen komme "total plötzlich und ohne Vorwarnung"

Herford. Die Fotos der Feuerwehr Herford vom vergangenen Wochenende bebildern das Ausmaß: eine tief im Wasser stehende Garage, übergelaufene Gullys, Land unter in Elverdissen. Starkregen wie jener, der am Freitag auf Herford niederging, kann die von Menschen geschaffene Infrastruktur binnen Minuten an ihre Grenzen bringen. Die Krux an diesen Ereignissen ist ihre Unberechenbarkeit. Hochwasser tritt dort auf, wo bereits ein Fluss, ein Bach oder ein See ist. Das Auftreten von Starkregen jedoch lässt sich nicht ohne Weiteres geografisch eingrenzen. "Es kommt immer total plötzlich und ohne Vorwarnung", sagt etwa Feuerwehrsprecher Christoph Büker. Ist der Wassereinbruch einmal da, wie zuletzt am Biemser Weg, ist die Feuerwehr für die Hauseigentümer oft die letzte Rettung. Die muss dann unter oft widrigen Bedingungen die Lage unter Kontrolle bekommen: "Technisch ist das nicht die größte Anforderung", erklärt Büker. Das Bedienen der Pumpen sei kein Problem. "Die Herausforderung ist dabei das Wetter. Es gießt wie aus Kübeln. Es ist schwül-warm und alles beschlägt. Nach drei Minuten bist du durch, musst aber zwei bis drei Stunden weiterarbeiten." Ein Wetterereignis wie dieses verlangt den Männern und Frauen viel ab. Doch ungewöhnlich ist es in den Sommermonaten nicht. Ein Starkregen ja, aber kein Jahrhundertregen "Alle vier, fünf Jahre haben wir einen Starkregen, aber das ist kein Jahrhundertregen", sagt Hobby-Meteorologe Heinrich Wulff, der in seinem Garten am Ortsieker Weg kontinuierlich Wetterdaten sammelt. Am vergangenen Freitag maß er gegen 1 Uhr morgens 32,4 mm Niederschlag, abends waren es 13,2 mm. Aber: "Elverdissen muss mehr gekriegt haben", mutmaßt Wulff. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) definiert den Starkregen über den Niederschlag pro Zeiteinheit. Von einer "markanten Wetterwarnung" ist etwa die Rede, wenn binnen einer Stunde 15 bis 25 Liter pro Quadratmeter niedergehen. Sind es mehr als 25, spricht der DWD von einer "Unwetterwarnung". Doch sind die Menschen dieser Naturgewalt schutzlos ausgesetzt? Im vergangenen Jahr organisierte der Immobilien- und Abwasserbetrieb Herford (IAB) insgesamt zehn Bürgerveranstaltungen. Es ging dabei um eine sogenannte Überflutungssimulation. So konnten die Bürger auf die Hausnummer genau einsehen, ob ihre Immobilie gefährdet ist. Der Simulation zufolge würden etwa 5.800 Häuser in Herford von einem Starkregenereignis bedroht, dem ein Wiederkehrintervall von 30 Jahren zugrunde liegt, hieß es damals. Die Besucherresonanz sei "recht überschaubar" gewesen, sagt der IAB-Betriebsleiter Gerhard Altemeier. Einige Städte sind mittlerweile dazu übergegangen, Gefahrenkarten ins Netz zu stellen. In Herford sei das aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken bisher nicht der Fall. "Wir wollen aber trotzdem zeitnah die Möglichkeit der Einsichtnahme über das Internet ermöglichen", stellt Altemeier in Aussicht. Könnte nicht die Kanalisation angepasst werden? Doch mit dem Wissen über eine mögliche Gefährdung ist es nicht getan. Denn wer weiß, in welchem Maße das eigene Heim oder Geschäft bei Starkregen im Wasser versinkt, wird sich um dessen Schutz bemühen müssen. Altemeier sieht etwa überflutungssichere Kellerfenster- und Türen sowie Absperreinrichtungen als eine Möglichkeit. Treppenaufkantungen und Lichtschachterhöhungen wären weitere Maßnahmen. Zudem stelle sich die Frage nach einem ausreichenden Rückstauschutz. "Falls es zu einem Einstau in den Kellerbereich kommt, werden häufig große Schäden dadurch hervorgerufen", erklärt der Leiter des Abwasserbetriebes. Könnte nicht die Kanalisation langfristig angepasst werden, um dem Starkregen gerecht zu werden? Laut Altemeier sei eine "Vergrößerung der Kanalquerschnitte flächendeckend nicht sinnvoll". Das Vorhaben würde eine Unsumme finanzieller Mittel und betriebliche Probleme mit sich bringen. Dass bei "urbanen Sturzfluten Abwasser aus der Kanalisation austritt und über öffentliche Straßen abströmt", wird es also immer mal wieder geben. Christoph Büker von der Herforder Feuerwehr weist in diesem Zusammenhang auf einen weiteren Punkt hin: "Jeder sollte ein bisschen vor seiner Haustür gucken, das Laub nicht in die Straßeneinläufe zu fegen." Der Schutz des eigenen Zuhauses beginnt mit dem Griff zum Besen.

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