Trockenheit und Schädlinge: Herforder Stadtwald in der Krise

Herford. Rund 30 Interessierte sind zur Führung durch den Herforder Stadtwald mit Förster Julian Schütz und Ralf König vom städtischen Grünflächenamt gekommen. Der Orkan Friederike 2018, drei heiße und trockene Jahre in Folge sowie Borkenkäferbefall haben massive Spuren in den Fichtenmonokulturen hinerlassen. Obwohl im Herforder Stadtwald wenig Fichten stehen und der Mischwald noch grün erscheint, fällt der Blick in die Zukunft der Fachleute düster aus: &bdquo;Der Wald mit den vertrauten Baumarten dürfte kaum zu retten sein." Jede Baumart hat ihren Schädling Nur wenige Schritte abseits der Stadtholzstraße liegt eine Lärche am Boden. &bdquo;Die mussten wir aus dem Bestand nehmen, weil sie vom Borkenkäfer befallen war", erklärt Schütz während er mit dem Messer ein Stück Rinde abhebt, um das Fraßbild des Schädlings zu zeigen. &bdquo;Jede Baumart hat ihren eigenen Schädling", sagt der Förster. Ein paar Meter weiter sind es Fichten, die teils bereits von Brombeersträuchern überwuchert am Boden liegen. Auch die Bäume wurden gefällt, weil die vom Borkenkäfer befallen waren. &bdquo;Normalerweise können sich die Bäume mit Harz gegen die Käfer wehren", sagt König, &bdquo;doch es sind zu viele Käfer, und es ist zu trocken für die Harzproduktion." Anders als die Lärche, deren Holz noch Abnehmer zu einem vertretbaren Preis finden könnte, ist nicht nur der Preis für die Fichte im Keller, sondern es fehlen auch die Kapazitäten für Fällung, Transport und Verarbeitung in den Sägewerken. &bdquo;Eigentlich müsste befallenes Holz sofort aus dem Wald", sagt Schütz. Das sei angesichts der schieren Menge aber nicht mehr zu bewältigen. &bdquo;Gut ein Drittel des gesamten Fichtenbestandes ist in Nordrhein-Westfalen am Boden", sagt er, &bdquo;und der Rest ist vermutlich auch verloren." Die Fichten scheinen verloren, selbst für Buchen könnte es eng werden Der verbreitete Fichtenwald war nach dem Zweiten Weltkrieg als schnell wachsendes Holz in Monokulturen gepflanzt worden. &bdquo;Das war damals den gesellschaftlichen Bedingungen geschuldet, und niemand hat an Ökologie gedacht", sagt Schütz. Die Fichte ist ein Flachwurzler und an höhere Mittelgebirgslagen angepasst. Angesichts steigender Temperaturen und fallender Grundwasserpegel werde es sie hier wohl bald nicht mehr geben. Auch für die vorherrschende Buche werde es eng. Eichen könnten länger durchhalten, weil ihre Wurzeln weit in den Boden reichen und tiefere Wasserschichten erreichen könnten. Dazu komme, dass viele Laubbaumarten derzeit massiv mit Schädlingen oder Krankheiten zu kämpfen hätten: Eichenprozessionsspinner setzen den Eichen zu, ein Pilz sorgt für ein Eschensterben, die Russrindenkrankheit befällt Kastanien und Ahorn. Überall stellt sich die Frage nach der Neubepflanzung. Die einen setzen auf natürliche Verjüngung, die Erneuerung des Waldes mit bisher hier heimischen Arten, andere auf die Aufforstung mit möglicherweise klimaresistenteren Arten wie der Douglasie aus anderen Regionen. Ziel bei beider Ansätze ist ein Mischwald, vom dem sich Experten eine größere Stabilität angesichts des Klimawandels erhoffen. Seit Jahrhunderten Bewährtes funktioniert nicht mehr Schütz arbeitet eng mit König zusammen, der bei der Stadt für den Wald zuständig ist. Der macht anhand von Diagrammen das Ausmaß des erwarteten Klimawandels deutlich. &bdquo;Bei der erwarteten Erwärmung um 3,5 Grad, haben wir hier ein Klima wie heute in Südfrankreich", sagt er, &bdquo;wenn Sie da aus dem Auto steigen, stehen da keine Buchen, sondern ein ganz anderer Wald." Das Problem, dem sich Förster, Fachleute und Waldbesitzer gegenüber sehen, ist die beispiellose Geschwindigkeit des Wandels. &bdquo;Jahrhundertelang Bewährtes funktioniert nicht mehr", sagt König, &bdquo;aber wir müssen heute die Frage beantworten, was wir pflanzen, damit es in 100 Jahren immer noch einen Wald gibt." Seine Antwort ist Durchmischung und Risikostreuung, also das Anpflanzen verschiedener Arten in der Hoffnung, dass es einige packen werden. Allerdings sei in den vergangenen drei Jahren geplanter Waldbau kaum möglich gewesen, da die Forstarbeiter quasi durchgängig mit dem Bekämpfen akuter Trockenschäden beschäftigt sind. &bdquo;Wir haben ein dichtes Wege- und Straßennetz am und im Wald", sagt König, &bdquo;und als Stadt haben wir eine Sicherungspflicht und sind daher sehr damit beschäftigt tote Äste aus Baumkronen oder Bäume, die auf Wege zu fallen drohen, zu entfernen." Die Führung war der Auftakt der 1. Herforder Klimaschutzwoche, die noch bis Samstag, 15. August läuft: www.herford.de/klimawoche

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