Antwort: Der Milchmann zapfte lose Milch beim Kunden

Herford. Das Mittwochrätsel-Foto vom 22. Juli zeigte die Herforder Molkerei an der Gertrudstraße zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der stetig ausgebaute Standort ist die Keimzelle der 1934 gegründeten bäuerlichen Milchverwertungsgenossenschaft Herford-Oeynhausen. Das Gelände zwischen Mathilden-Hospital und Johannisstraße wurde im letzten Kriegsjahr 1946 bei einem Bombenangriff schwer getroffen. Die neue Molkerei, später Humana-Milchunion, wurde Ende der 1940er Jahre an der Bielefelder Straße errichtet, weiß Stadtarchivar Christoph Laue. Klaus-Dieter Storck meint: &bdquo;Die Molkerei befand sich von der Renntormauerstraße aus gesehen an der rechten Seite der Gertrudstraße." Werner Spielmann schreibt aus Kelkheim: &bdquo;Ich habe keine Erinnerung mehr daran, obwohl ich in den 1950er Jahren in der Nähe gewohnt habe. Ich tippe deshalb auf die Gertrudstraße, weil Herford eine Äbtissin Gertrud aus dem ,Lippschen hatte und das Viertel zwischen Rennstraße, Renntormauerstraße und Gertrudstraße komplett abgerissen wurde und heute wirklich nicht mehr zu erkennen ist." Friedrich Rischemeint: &bdquo;Der Molkereistandort ist zu der Zeit der Fotografie an der Gertrudstraße. Dort findet die Milchanlieferung noch in Kannen mit Pferdefuhrwerken statt. Später wurde der Standort aus Platzgründen an die Bielefelder Straße gelegt, um den Landwirten noch zusätzliche Dienstleistungen anbieten zu können." Opa sammelt Milch im Auftrag der Molkerei Jürgen Eckernkamp hat auf dem Foto Gustav Eckernkamp erkannt: &bdquo;Mein Großvater väterlicherseits war Milchkutscher in Herford. Oma Paula hatte ein Milchgeschäft in Hollinde. Opa sammelte im Auftrag der Molkerei mit seinem Pferdegespann im Ravensberger Land die Milchkannen bei den Bauern ein und lieferte sie in Herford ab. Er hatte einen Schimmel und einen Rappen. Die Großeltern haben 1910 geheiratet. Mein Vater wurde 1930 geboren. Irgendwann dazwischen muss das Foto entstanden sein. Manchmal hat es geheißen, mein Großvater sei ein Freiherr gewesen. Das ist aber unbewiesen." Milchmann war ein Knochenjob Marlies Horstmann schreibt: &bdquo;Die Milch wurde mit der Kutsche in die Kundschaft gebracht. An die Molkerei auf dem Foto kann ich mich nicht erinnern, wohl aber an den Milchhandel und das kleine Milchgeschäft meines Vaters. Robert Klaus war in Herford der letzte Milchhändler, Anfang der 1960er Jahre, der die Milch noch mit Pferd und Wagen auslieferte. Den Milchhandel hatte er schon von meinem Großvater übernommen. Die Milchhändler hatten Herford in Bezirke aufgeteilt. Mein Vater belieferte zwischen Bielefelder Straße und Diebrocker Straße. Das war ein guter Bezirk. Hier lagen die Ämter, Kreishaus, Finanzamt, Arbeitsamt, einige Firmen damals Leineweber (heute Brax), Angenete und Scholle, Höhndorf und das EMR, dazu die Privatkundschaft. In den Anfängen ein Knochenjob. Die Milchkästen und großen Milchkannen waren aus Metall, die abgefüllte Milch in Glasflaschen. Dazu gab es die ,lose Milch, eben die nichtverpackte. Hinten im Kutschwagen war ein Tank eingebaut und mit einem geeichten Litermaß wurde die Milch abgezapft und in die Milchkannen der Hausfrauen gefüllt. Später gab es dann Erleichterung, die Milch gab es in Schläuchen und noch später in Tetrapack und die Milchkästen und -flaschen waren aus Kunststoff. Auch bei dem Kutschwagen änderte sich die Bereifung. Anfangs die beschlagenen Holzräder, später die leichter rollenden Gummireifen. Flora, unser Pferd, war das geduldigste Tier, das ich kennen gelernt habe. Sie hielt an, wo immer sie halten sollte, wartete, bis mein Vater aus den Ämtern zurück war. Wenn das Schwätzchen unter Kollegen oder Mitarbeitern der Molkerei (später an der Bielefelder Straße) zu lange dauerte, machte sie sich aber auch schon mal allein auf den Weg in den Stall. Das brachte meinem Vater schon manche Schweißtropfen auf die Stirn, um Flora wieder einzuholen. Sie wollte einfach nach Hause auf die Weide, ob man da nun auf der rechten Seite der Straße seinen Wagen ziehen muss und die Toreinfahrt auch im rechten Winkel mitbekommt, egal, das Futter lockte. Irgendwann kam dann der Umstieg auf einen VW-Bulli und der Beginn der Supermärkte. Als dort die gleiche Milch günstiger verkauft wurde, als mein Vater sie bei der Molkerei einkaufen musste, war es das Ende dieses Berufsstandes." Günter Redekerschreibt: &bdquo;Die Straße ist heute eine Sackgasse und beginnt an der Renntormauerstraße gegenüber vom Mathilden-Hospital, den alten Verlauf der Straße kann man noch an dem Durchgang für Fußgänger bei dem Geschäft Conrad erkennen. Vor der Neubebauung der Johannisstraße/Rennstraße konnte man direkt in die Gertrudstraße abbiegen. Vor der Umgestaltung des Bereichs gab es hier diverse kleinere Handwerksbetriebe unter anderem auch die ehemalige Molkerei." Von der Sau zur lippischen Fürstäbtissin Ulrich Stille schreibt: &bdquo;Da die Straße an der alten Molkerei nach einer Äbtissin aus dem benachbarten Lippe benannt sein soll, kommt man schnell zur Rätsellösung, denn in Herford sind nur zwei nach ehemaligen Äbtissinnen benannt worden. Da ist Elisabeth von der Pfalz (1667 – 1680). Dagegen ist die kurze und etwas versteckte Gertrudstraße nach Äbtissin Gertrud II. zur Lippe (1215 – 1244) benannt und die ist eben Lipperin. Gertrud II. gilt als eine besondere Äbtissin, denn ihr Name ist eng mit dem Bau der Münsterkirche und der Gründung der Neustadt verbunden. Kurios ist, dass diese bemerkenswerte Frau mit ihrem Namen eine Straße erheblich aufgewertet hat, die bis 1904 noch den Namen ,Saustraße trug, wie Gerd Sievers im Remensnieder zu berichten weiß. Das Foto an der Molkerei mit dem Gespann vor dem Milchwagen zeigt auch einen Schimmel und der erinnert mich an ein Ereignis meiner frühen Kindheit. Damals kam der ,alte Blomeyer auch mit einem Schimmel vor seinem Milchwagen regelmäßig in unsere Straße. Ein großes Abenteuer war es dann manchmal für mich, wenn ich neben ihm vorn auf dem Bock ein kurzes Stück mitfahren durfte; und dann passierte es einmal, dass ich während der Fahrt vom Bock rutschte und unmittelbar vor das Vorderrad stürzte. Geistesgegenwärtig und mit einem beherzten Griff in die Zügel konnte der alte Blomeyer den Milchwagen gerade noch rechtzeitig anhalten. Das war mein Glück und dafür bin ich ihm heute noch dankbar. Allerdings war es das dann leider auch mit meinen Fahrten auf dem Milchwagen." Versuche mit Milch und Fliehkraft Jochen Hartig weiß: &bdquo;Mir fällt der Milchmann ein, der samstags zu den Kunden raus fuhr und bei dem man die Milch direkt am Bulli abholen konnte. Das war meine Tätigkeit als kleiner Junge: Zum Milchmann gehen, eventuell ein wenig in der Schlange stehen; eine Aluminiumkanne mit Handgriff und Deckel wurde hingereicht und aus dem großen Tank, der entweder hinter der Schiebetür oder der Heckklappe des Bullis verborgen war, aufgefüllt. Unvergesslich für mich die fast blau gefrorenen Finger des Milchmanns, der ja auch bei jedem Winterwetter kam und dann in seinen großen Manteltaschen nach dem Wechselgeld kramte – eine Seite die kleinen Münzen, auf der anderen Seite die großen. Was Mutter nicht sehen durfte: die Aluminiumkanne konnte man mit jeder Armumdrehung schön umherschleudern, ohne dass die Milch herausfloss . . . Diese Milchbullis sind später durch Hinzunahme anderer Artikel zu den heutigen Einkaufsläden auf Rädern geworden." Man sprach nur von der "guten Butter" Isolde Schure meint: &bdquo;Die Kuhmilch wurde von der Kiewiese (Kuhwiese) zur Molkerei im Pferdewagen abgeholt. Die Kannen waren von jeder Familie beschriftet. So konnte die Milchmenge gutgeschrieben werden. Die Milcherbrücke über die Werre war der Zugang zur Weide für die Melkmädchen. In den 50er Jahren mussten wir für unser Kolonialwarengeschäft die Butter von der Molkerei selbst abholen. Morgens um 5 Uhr holte meine Tante zweimal die Woche die Butter und lagerte sie im kühlen Keller. Es gab noch keine Kühlanlagen oder Kühlschränke. 1/2 Pfund kostete 1,65 DM, es gab auch abgepackte als 1/4 Pfund. Man sprach immer von ,Gute Butter. Nie das Wort Butter alleine, sie war eben etwas Besonderes. Unsere Milch bekamen wir werktags von Herrn Halemeier. Jeden Tag gegen 11 Uhr läutete er mit seiner Glocke. Dann stand sein Pferdemilchwagen auf der Ahmser Straße. Die Hausfrauen strömten mit Milchkanne oder Milchtopf aus den Häusern und kauften ein. Neben einem Zapftank Milch gab es auch Schlagsahne in Flaschen, Quark und Buttermilch. Joghurt wurde noch nicht so viel verlangt, sie war für viele noch unbekannt oder zu teuer. Dafür machte jede Hausfrau im Sommer aus sauer gewordener, umgekippter Milch Dickmilch selber. Als Schulkind kauften wir in der großen Pause für 7 Pfennig 1/4 l Schulmilch oder Kakao in einer Glasflasche. Häufig landeten die 7 Pfennige bei uns in der Ladenkasse. Ob das die Mütter wussten? Sie wurden in Klümpchen (Bonbons) umgesetzt. Stückpreis 1 oder 2 Pfennig. &bdquo;Aber bitte in einer Tüte", war der Kinderwunsch. Siegfried Rohner weiß, dass sein Schwieger-Großvater Otto Oberwörder als Milchhändler die Genossenschaft mitgegründet hat. Im Kommunalarchiv gibt es Akten zu geplanten Um- und Anbauten der Molkerei. Hier in Stichpunkten: Umbau des Wohnhauses 1921, Errichtung einer Tischlerwerkstatt mit maschinellem Betrieb 1921, Anbau von Lagerräumen 1929, Neubau der Molkerei für die &bdquo;Vereinigten Milchhändler E.G." und einer Kesselanlage 1929, Dampfkessel 1931,Umbau der Molkerei 1940. Es gab Geräte wie Annahmewaage, Milchpumpen, Reinigungsschleuder, Milcherhitzer, Milchkühler, Milchausgeber, Vorwärmer, Separatoren, Rahmpasteur, Rahmkühler, Rahmreifer, Butterfertiger, Buttermilchbehälter, Kannenabtropfgestell, Kannenspülbock, Dampfkessel, Dampfmaschine, Kesselspeisepumpe, Wasserpumpe, Kompressor, , Solepumpe und Refrigerator. Eine Akte berichtet von der geplanten Errichtung einer Dampfkesselanlage einschließlich Schornstein. Ein kleinerer Kessel wird 1927 und ein größerer 1931 eingebaut. Der für den größeren Kessel vorgeschriebene höhere Schornstein brauchte nicht ausgeführt zu werden, da der Kessel nur mit sehr kleinem Feuer betrieben wurde. Auch soll die Molkerei möglichst bald an anderer Stelle neu erbaut werden, plant man schon damals. Laut der Gewerbekartei gab es die Milchhandels-Genossenschaft Herford von 1925 bis 1937. Gewinner Drei Mal gab es beim Rätselbild eine historische Zeitungsseite per Mail zu gewinnen. Den Gewinn senden wir in den nächsten Tagen zu. Die Gewinner sind Marlies Horstmann; Günter Redeker und Isolde Schure. Herzlichen Glückwunsch!

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