„Ein Lebensabschnitt endet“: Landrat vom Kreis Herford blickt auf sein Werk zurück

Kreis Herford. &bdquo;Dazwischen“ befinde er sich, sagt Landrat Jürgen Müller. Heißt: &bdquo;Einige wollen noch schnell etwas geregelt haben, aber eigentlich kann ich keine Entscheidungen mehr treffen.“ Dem 65-Jährigen, der zur Kommunalwahl nicht wieder angetreten ist und der aus dem Amt ausscheidet, fällt das nicht leicht. &bdquo;Ein Lebensabschnitt endet.“ Aber er freue sich auch, dann mehr mit seiner Frau unternehmen zu können. Ihr möchte er etwas zurückgeben, sagt der Vlothoer, der zwei erwachsene Söhne hat. In seinen zehn Jahren als Landrat habe es keine fünf Abende gegeben, an denen sie mit ihm abends nicht noch wenigstens für eine halbe Stunde zusammengesessen habe, egal wie spät es gewesen sei. &bdquo;Und sie musste ja selbst am nächsten Tag wieder vor ihrer Klasse stehen.“ &bdquo;Ich habe das Amt des Landrats wirklich mit Leidenschaft gemacht“, sagt Müller, der am 21. Oktober 2015 sein Büro im Kreishaus bezogen hat. Der Spaß an der Sache war ihm in seiner Amtszeit anzumerken. Müller wollte etwas bewegen – für den Kreis und für die Menschen. Lesen Sie auch: Chef der Kreiskliniken Herford-Bünde: &bdquo;Es wird keinen Kahlschlag geben“ Die Fusion der Krankenhäuser war ein Glücksfall Müller hat die Verbraucherzentrale nach Herford geholt. Der Kreis war damals einer von dreien in NRW ohne solch eine Beratungsstelle. In Zeiten der Energieknappheit und der Handyverträge sei sie aber sinnvoll. Kaum im Amt beschäftigte Müller auch die Gesundheitsversorgung. Die Zusammenführung des Lukas-Krankenhauses in Bünde und des Klinikums Herford zu den Kreiskliniken Herford-Bünde hat er initiiert. Das erwies sich spätestens mit der Strukturreform als Glücksfall, auch wenn die finanzielle Situation schwierig bleibt: Die Kreiskliniken Herford-Bünde mussten kaum Leistungsgruppen abgeben. Die Weichen für den Bau der Kinderklinik hat Müller schon im Frühjahr 2015 und noch Kämmerer im Kreis Herford gestellt: Damals plante er sieben Millionen Euro im Haushaltsplan ein und konnte davon auch den Kreistag überzeugen. Gerne hätte er noch das Hospiz im Sommer nächsten Jahres eingeweiht. &bdquo;Ich hoffe, dass ich dazu eingeladen werde“, sagt er schmunzelnd. Das könnte Sie auch interessieren: So sollen mehr Kinderärzte in den Kreis Herford gelockt werden &bdquo;Keine Kommune ist mehr hausärztlich unterversorgt“ Bestärkt gesehen hat sich Müller in dem Hospiz-Neubau, als er Kontakt zu einer sterbenskranken Vlothoerin hatte. Für deren 16-jährige Tochter wäre der Weg zum Hospiz in Detmold oder Lübbecke kaum zu schaffen gewesen. &bdquo;Das hat die Entscheidung noch mal greifbarer gemacht.“ Zu Müllers Erfolgen gehört auch das Hausärzte-Programm, mit dem der Kreis Ärzte, die sich in der Region niederlassen, finanziell unterstützt. &bdquo;Keine der neun Kommunen ist mehr unterversorgt“, sagt Müller. &bdquo;Wir sind dabei, das Programm auf Kinderärzte auszudehnen.“ Als die Geburtsstation des Klinikums Ende Mai 2019 schließen musste, weil zu viele Hebammen erkrankt waren, entwickelte Müller mit der Fachhochschule des Mittelstandes ein Konzept für das Hebammen-Studium. Vom ersten Gespräch bis zum Kreistagsbeschluss vergingen sechs Wochen. Erst ein Jahr später wurde das Studium bundesweit obligatorisch. Der Kreis fördert seither Studierende, die sich verpflichten, nach ihrem Abschluss mindestens fünf Jahre in der Region tätig zu sein. Der Kreißsaal musste seither nie wieder schließen. Ebenfalls lesenswert: So sollen mehr Kinderärzte in den Kreis Herford gelockt werden Zwei Studiengänge in Rekordzeit konzipiert Gerade mal 90 Minuten brauchte Müller, um mit einem Professor der Technischen Hochschule OWL den Studiengang &bdquo;Digital Management Solutions“ auf dem Herforder Bildungscampus zu konzipieren. &bdquo;Die Kunst ist, die Professoren mit den Unternehmern zusammenzubringen“, sagt er. Sehr hilfreich sei dabei David Peter von Peter-Lacke in Hiddenhausen gewesen. Das Besondere am Studiengang ist, dass er Projekte aus den Unternehmen zum Lehrinhalt macht. &bdquo;In einer mittelständisch geprägten Region spielt lebenslanges Lernen für die Wettbewerbsfähigkeit eine große Rolle.“ Der Landrat plant einen weiteren, mehr technisch geprägten Studiengang. Den werde er aber wohl nicht mehr hinbekommen, wie er meint. Das überlasse er seinem Nachfolger, Mirco Schmidt. Müller hofft zudem, dass etwas erhalten bleibt, was ihm immer wichtig war: &bdquo;Ich habe dafür gekämpft, dass die Beschäftigten der Zuschussempfänger – Kreissportbund, Frauenhaus, Femina Vita etc. – an den Tariferhöhungen für den öffentlichen Dienst partizipieren. Wenn Spardiskussionen geführt werden, sind das immer die Ersten, bei denen gestrichen wird.“ Ebenfalls lesenswert: Wie viel häusliche Gewalt gab es im Lockdown? Die Fälle von häuslicher Gewalt steigen Sehr froh ist Müller, dass der Neubau des Frauenhauses gelungen ist: &bdquo;Traumatisierte Frauen mit Kindern brauchen eine Umgebung, in der sie sich fallen lassen können“, sagt er. Jeden Morgen bekomme er den Lagebericht der Polizei auf dem Tisch, jeden Morgen finde er darin drei bis fünf Einsätze wegen häuslicher Gewalt. Tendenz steigend. Nicht immer sind Frauen betroffen, oft sind es auch Kinder, seltener Männer. Die Finanzierung der Sanierung des Johannes-Falk-Hauses – rund 11 Millionen Euro – war ein Herzensthema für Müller. Neben der Lehrfabrik der Möbelindustrie in Löhne, die 2024 eröffnet wurde, und dem beschlossenen Neubau des August-Griese-Berufskollegs sind viele Vorhaben durch seine Hände gegangen. Dabei hat er auch im Hintergrund in Bereichen gewirkt, die er selbst nicht öffentlich machen würde: für die Chancengleichheit von Frauen, gegen die Auslagerung von Beschäftigten in Bereiche mit schlechteren Tarifen. Die Einrichtung eines Sozialfonds in den angespannten Corona-Jahren mit ihren Lockdowns gehört ebenfalls dazu. Lesen Sie auch: Blick auf die Baustelle: Wie lernt es sich in einer Schule, in der an allen Ecken gebaut wird? Ein lebendiger Quartierstreff für Uffeln Und doch, so schwer ihm der Abschied fällt: &bdquo;Ich freue nicht darauf, kein durchgetaktetes Leben mehr zu führen“, sagt Müller, der nächste Woche seine letzten privaten Sachen im Kreishaus packt. Engagieren wird er sich aber weiterhin, zum Beispiel beim TuS Westfalia Vlotho-Uffeln, dem er vorsteht. &bdquo;In den vergangenen Jahren hat mich der Verein als Vorsitzenden getragen“, sagt Müller mit Blick auf die knapp bemessene Zeit, die er hatte. Außerdem entwickelt er gerade zusammen mit Sven Johanning, dem früheren Sprecher von Straßen NRW, ein Konzept für das Gemeindehaus der Evangelischen Kirche in Uffeln. In dem Ortsteil ist Müller aufgewachsen. Dort würde er gerne einen Quartierstreff einrichten, wie ihn Franziska Günther in Oetinghausen betreibt: als Ort der Begegnung und voller Leben. Aber vor allem will er mit seiner Frau mehr verreisen und wieder mehr radfahren. Was bleibt von der Zeit als Landrat, ist Dankbarkeit: &bdquo;Ich habe Glück gehabt, mit unheimlichen vielen sympathischen Menschen arbeiten zu dürfen.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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