Kirche geht mit der Zeit: Crowdfunding statt Klingelbeutel

Herford. 35.200 Euro kostet der neue Konzertflügel, den Pfarrer Bodo Ries für seine Petri-Kirche am Wilhelmsplatz bestellt hat - ein Schnäppchenpreis. Es ist ein Ausstellungsstück, der Listenpreis hätte mit 57.000 Euro zu Buche geschlagen. Die reformierte Petrigemeinde wuchs dank unkonventioneller, gut besuchter Gottesdienste mit Tatort-Public-Viewing, Walzertänzen und gemütlichen Andachten auf skandinavische Art ganz gegen den Trend um über zehn Prozent in den letzten zehn Jahren. 35.200 Euro sind dennoch eine Summe, die die Gemeinde nicht im Klingelbeutel zusammenwirft. Da traf es sich gut, dass ein Volksbank-Mitarbeiter den Heiligabend-Gottesdienst besuchte und auf die Crowdfunding-Aktion "Viele schaffen mehr" seines Arbeitgebers hingewiesen hat. Größere Spenden auf Vater, Mutter, Oma und Opa verteilen Damit haben kürzlich erst Rainer Pape und Mathias Polster einen namhaften Druckkostenzuschuss für ihr Straßennamen-Buchprojekt "Vom Aawiesenparkbis Zur Bleiche" erwirtschaftet. 9.571 Euro gaben 263 Unterstützter. Die Volksbank schießt 2.630 Euro zu, denn ein Prinzip des Projektes ist, dass das Geldinstitut pro Spender, der mindestens 10 Euro einzahlt, 10 Euro drauflegt. So ist es schlau, wenn eine Familie, die eine größere Summe spenden möchte, den Einsatz auf Vater, Mutter, Oma und Opa verteilt. Ein weiterer Vorteil für die Initiatoren gemeinnütziger Projekte ist, dass die Volksbank ein einfach zu bedienendes Portal für die bargeldlose Spende auf ihrer Homepage geschaffen hat, und auch sonst den lästigen Bürokratiekram übernimmt. Das Projekt "Ein Flügel für Petri" läuft erst seit dem vergangenen Wochenende und schon sind - Stand Freitagnachmittag - über 6.000 Euro von 70 Unterstützern eingegangen. Die Zielsumme, die in drei Monaten erreicht werden muss, beträgt 20.000 Euro. Wird das Ziel nicht erreicht, gehen die Spenden zurück an die Spender. Doch davon geht die Gemeinde nach dem Anfangserfolg nicht aus. "Unser sportlicher Ehrgeiz ist geweckt. Und wir haben Gottvertrauen", sagt Bodo Ries. Er will auch gezielt frühere Konfirmanden und Brautpaare ansprechen. Die ersten 250 Spender, die ein spezielles 20-Euro-Feld anklicken, stehen automatisch auf der Gästeliste für ein Dankeschön-Konzert mit dem Pianisten Dan Popek am 7. Juni in der Petrikirche - voraussichtlich mit dem neuen Instrument. Popek kombiniert Jazz mit Klassik, Boogie Woogie und Popmusik. "Es steckt ein hoher Suchtfaktor drin" "Es steckt ein hoher Suchtfaktor drin, zu beobachten, wie die Summe Tag für Tag höher und höher klettert", weiß Mathias Polster. Er unterstützt das Flügel-Projekt mit Führungen hinter die Kulissen des Gotteshauses - so zeigt er die alte Ratsglocke aus der abgerissenen Nikolai-Kirche vom Alten Markt, die nun im Turm von Petri hängt. Statt Eintritt bittet er um eine Überweisung für den Flügel. Die Führung findet am Samstag, 21. März, ab 15 Uhr statt. Bodo Ries ist nicht nur Pfarrer, sondern auch ausgebildeter nebenamtlicher Kirchenmusiker. Er hat die Erfahrung gemacht, dass moderne Lieder gut mit dem Klavier zu begleiten sind und es der Gemeinde leichter fällt mitzusingen, als es bei virtuoser Orgelbegleitung möglich ist. Doch in Petri wird der Flügel nicht nur in Gottesdiensten, sondern auch bei der Frauenhilfe, beim Seniorenfrühstück und dem Treffen von Konfirmanden-Eltern eingesetzt. "Wir stehen oft um den Flügel und das hilft, Beziehungen zu gestalten", sagt Ries. "Früher kamen die Leute nur für die Predigten, heute kommen sie auch wegen der Lieder. Da muss ein Lebensgefühl mitschwingen." Das vorhandene Instrument war nur geliehen und wird im Sommer zurück gegeben. Doch bis dahin wird der Flügel noch beim Klavierfestival "Flügel plus" eingesetzt. Klavierfestival Die Gemeinde will mit dem wiederkehrenden Klavierfestival eine Lücke im Kulturkalender schließen. Das Plus steht für ein spezielles (Glaubens-) Thema, ein weiteres Instrument, eine Lesung, eine Sinnebene, eine Lebensfrage. Für dieses Jahr konnten namhafte Musiker und aufgehende Sterne der Klavierszene für einen Auftritt in Herford gewonnen werden. Den Anfang setzt am Sonntag, 22. März, David Plüss aus der Schweiz. Am Gründonnerstag kommen &bdquo;Timo Böcking and friends“ mit Gospel- Jazz- und Soul. Am 26. April folgt Dieter Falk mit einer Konzertlesung. Am Sonntag, 17. Mai, trifft der Flügel auf Theater und es wird mit den Bielefelder Künstlern Kiki Rössler und Daniel Scholz das Kindertheaterstück &bdquo;Der Mäusesheriff“ von Janosch auf-geführt. Am 21. Mai spielen bei einem Jazz-Frühstück Tim Witt und Jördies Treude aus Minden Jazz, Soul und Pop. Am 24. Mai bildet das Duo &bdquo;2Flügel“ aus Essen den Abschluss des Festivals. Die Eintrittskarten gibt es in der Buchhandlung Otto und an der Abendkasse. Je 5 Euro gehen in die Finanzierung des neuen Flügels.

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