Fachkräftemangel: Fleischermeister Rottmann sucht händeringend Nachfolger

Herford. "Ich fühle mich noch fit", sagt Fleischermeister Hans-Dieter Rottmann. Er ist "Baujahr 1945", hat aber in seinem Leben viel Sport getrieben wie Fußball, später Tennis und Fitness. Noch immer steht er morgens um 6 Uhr in seinem Betrieb an der Ecke Engerstraße/Weststraße und macht erst gegen 18.30 Uhr Feierabend. Weil Mitarbeiter erkrankt sind, fängt für ihn derzeit der Arbeitstag sogar schon um 4.30 Uhr an. Er möchte nun in einem zweiten Anlauf seine Nachfolge regeln. Doch das ist nicht so einfach. 2016 den Betrieb wieder selbst übernommen Zum Jahreswechsel 2010/2011 schien eigentlich schon alles in trockenen Tüchern. Ein Fleischermeister aus dem eigenen Betrieb, den Rottmann selbst ausgebildet hatte, trat als Nachfolger an und pachtete die Fleischerei. Doch er hielt nur bis 2016 durch und Rottmann wurde wieder vom Berater zum Chef. Abermals ging die Suche los. Rottmann möchte den Betrieb nun verkaufen oder verpachten. Bisher hat der beauftragte Makler nur Interessenten aus südlicheren Bundesländern gefunden, die aber letztlich abgewunken haben, weil es ihnen zu weit entfernt von der Heimat war. Leuten aus der näheren Umgebung fehlte das Eigenkapital. "Viele wollen auch den Stress nicht mehr", weiß Rottmann. "Der Laden läuft, der Kundenstamm ist da", sagt Rottmann. "Wochentags und samstags haben wir zwischen 200 und 250 Kunden, Freitags sind es zwischen 300 und 350. Er beschäftigt zehn Leute: Verkäuferinnen, Fleischer, eine Aushilfe und einen Koch. Längst hat sich Rottmann den Veränderungen der Zeit angepasst und betreibt neben dem Laden und der Belieferung der Bäckerei Strack in Enger mit Wurstwaren auch Herstellung und Verkauf von Konserven, eine warme Theke, einen Partyservice und eine Belieferung von Firmenkunden mit Speisen. "Hier könnten dynamische junge Leute noch expandieren", meint Rottmann. Der Betrieb verleiht auch Bratwurststände. Rottmann bezieht seine Schweinehälften vom Schlachthof einer bäuerlichen Erzeugergemeinschaft in Osnabrück, seine Rinderhälften von der Metzgerei Beier in Jöllenbeck. Daraus produzieren der Meister und sein Team täglich unter anderem frische Wurst, der er nur Naturgewürze und keine Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker beimischt. Hans-Dieter Rottmann hat bei der Fleischerei Haubrock in Enger gelernt. Er ist seit 1969 Fleischermeister und hat sich 1977 an der Engerstraße 58 selbstständig gemacht. Die Fleischerei hatte vorher lange leer gestanden. Einige Jahre betrieb er ab 1978 gleichzeitig die Fleischerei Grundmann in Enger. Unlängst bekam Rottmann den Goldenen Meisterbrief ausgehändigt. Schwierig, Nachwuchs für Fleischereien zu gewinnen Obermeister der Fleischerinnung Wittekindsland für die Kreise Herford und Minden-Lübbecke ist Cordian Reckmann aus Stemwede, der dort die Fleischerei Detert führt. Er weiß, dass es schon im Bereich Ausbildung schwierig ist, Nachwuchs für den Fleischerberuf zu finden. Es kommen nicht so viele junge Leute nach, wie in Rente gehen. Praktikanten würden aber schnell erkennen, dass es ein vielseitiger Beruf sei. Die Zahl der Gesellen, die ihren Meister machen, sei aber nicht so stark rückläufig wie vor 30 bis 40 Jahren. In den meisten Fällen handele es sich aber um Betriebsnachfolger. Einen Betrieb zu kaufen und dann noch in eine Modernisierung zu investieren, sie für einen jungen Meister schwierig. &bdquo;Das Geld muss da sein", weiß Reckmann. Die Investition sei nicht vergleichbar mit einem normalen Einzelhandelsgeschäft. Die Zahl der Fleischereien gehe noch immer zurück, aber nicht so stark wie vor vier oder fünf Jahren. In Herford sind noch wenige Fleischereien übrig geblieben, so Overbeck am Wellbrocker Weg, Vogt in Elverdissen, Kuller am Lübberlindenweg und eben Rottmann an der Engerstraße. Die Fleischerinnung wünscht sich eine Berufsschule mit Internat Ein &bdquo;Riesenproblem" in der Gewinnung von Nachwuchs sieht Reckmann in der Berufsschulsituation. &bdquo;Die Schule für uns ist in Rheda-Wiedenbrück. Es ist fast unmöglich, einen 16-jährigen Auszubildenden nach Rheda zu bringen, besonders für uns im Norden", beklagt Reckmann. Der zweite Standort sei Paderborn. Da an beiden Standorten die Zahlen zurückgingen plane die Bezirksregierung in Paderborn beide Einrichtungen in einer neuen Fleischerschule zusammenzufassen – allerdings ohne Übernachtungsmöglichkeit. Das Problem der Anreise bleibe das gleiche. Die Innung wünsche sich Blockunterricht im Internat in Münster, sagt der Obermeister. Das lehne die Bezirksregierung aber ab. Bisher hätten Kollegen für ihre Auszubildenden auch Berufsschulen in Niedersachsen genutzt. Das wolle die dortige Landesregierung inzwischen aber mit Blick auf die Kosten nicht mehr. &bdquo;Unsere Regierung schläft in dieser Hinsicht", sagt Reckmann. Zahlen Die Geschäftsführerin der Handwerkskammer OWL, Birgit Stehl, hatte schon vor einem Jahr Alarm geschlagen, dass dem Bäcker- und Fleischerhandwerk qualifiziertes Personal und Auszubildende fehlten. Gab es Ende 2008 noch 367 Bäckerbetriebe in OWL, waren es Ende 2018 260 und Ende 2019 nur noch 243. Die Zahl der Auszubildenden in den Bäckereien sank von 342 Ende 2008 auf 144 Ende 2018 und auf 120 Ende 2019. Gab es 2008 noch 400 Fleischerbetriebe in OWL waren es 2018 noch 262 und 2019 noch 250. Ende 2008 gab es noch 109 Fleischerazubis, Ende 2018 49 und Ende 2019 50.

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