Herford. „Vorsicht – beißt! Der erste EVG Bundespanzer mit Superkanone“, „Ich warte auf den Lastenausgleich“: Ein Mann mit langem Bart guckt trübsinnig auf Aktenordner. So politisch war der Rosenmontagszug in Herford am 16. Februar 1953. Zeitungsreporter Georg Heese und Spielzeughändler Paul Kleineberg aus der Lübberstraße hielten das für Herford denkwürdige Geschehen fest. Eine große Karnevalstradition gab und gibt es hier nicht, trotzdem fanden 1949 der erste und 1953 ein zweiter Faschingsumzug statt. 1949 sollen 15.000 Herford auf den Beinen gewesen sein, als Prinz Fritz Begemann und Prinzessin Inge Freese nach dem Umzug am Rathaus den Stadtschlüssel übernahmen.
Die Presse kritisiert das Spektakel
1953 scheint die Zahl der Feiernden geringer gewesen zu sein. 300 Menschen, zwölf Fahrzeuge und drei Kapellen marschierten bei einer Zuglänge von 300 Metern innerhalb von 10 Minuten an den Passanten der Herforder Innenstadt vorbei. Kritisch merkt ein Redakteur an, dass im „ebenso nüchternen wie werktäglichen Herford“ es „einen Hohn“ bedeutet hätte, sich dem Treiben zu widmen. In Herford, „wo nur Kantate- und Schützenfest Tradition sind“, kämen „Alaaf“ und „Bützchen“ nicht so an. Angesichts der Schlüsselübergabe durch Bürgermeister Heinrich Höcker am Rathaus kritisiert der Autor, dass sich „die nahezu 5000 Wohnungslosen die Besatzungsverdrängten und die Ostzonenflüchtlinge mehr gefreut hätten, wenn ihnen das Stadtoberhaupt Schlüssel zu neuen Wohnungen überreicht hätte“.
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Bürgermeister: „Wir wollen nicht miesepetrig sein“
In einem anderen Pressebericht wird der Bürgermeister zitiert: „Wir wollen nicht miesepetrig sein“. Hier meldet der Autor, dass sich doch tausende Menschen „in der Wintersonne an die Straßen gestellt“ hätten. Sämtliche 86 Schutzpolizisten der Stadt hätten den Zug gesichert, die „Verkehrsampeln drückten beide Augen zu“ und der Ausruf des Karnevalspräsidenten Menke von der Rathaustreppe „Wir haben es geschafft“ spiegele die Aufbruch-Stimmung der Herforder wider. Prinz Konrad und Prinzessin Aenne sorgten dafür, dass „alle Ausgelassenheit in geordneten Bahnen bleibt“.
Im Zug dabei waren unter anderem das Prinzenpaar im Bismarckturm, das Kinderpaar Cilly und Rainer, das Original Mutter Grün mit ihrer Marketenderin-Karre (die echte Mutter Grün war 1950 in ihrer Obdachlosen-Baracke elendig gestorben), die „Herforder Wilden“ (Schausteller) im VW, ein Narrenschiff, ein Wagen des Landestheaters Detmold mit dem Apfel-Tell-Motiv, ein Wagen zur „Guten alten Zeit“, vier (echte) Zigeunermusikanten und mehrere große Pappmaschee-Köpfe. Das Panzermodell, mit der die 1952 gegründete Europäische Verteidigung-Gemeinschaft (erste Vorstufe der EG) aufs Korn genommen wurde und der Wartende auf den Lastenausgleich bildeten die politisch kritische Abteilung des munteren Zuges. Die Kinder an der Straße werden sich auch damals eher über die Bonbons gefreut haben.