Klima-Demonstranten blockieren Hauptverkehrsstraße in Herford

Herford. "Wollen wir die Erde totfahren?" Einen blauen Erdball und rundherum die provozierende Frage haben Klimademonstranten am Freitagmittag erst auf die Berliner Straße und dann in Gegenrichtung mit Kreidefarbe auf die Straße "Auf der Freiheit" gesprayt. Die Blockade von Herfords Hauptverkehrsstraße erst der einen und dann der anderen Fahrtrichtung durch über 300 junge und alte Menschen war der Höhepunkt des Klimastreiks am Freitag in Herford. Die Mehrheit der Autofahrer nahm die Zwangspause und die Behinderungen gelassen auf, andere signalisierten Unverständnis. Hupsignalen nahm ein Plakat die Wirkung. "Wer hupt, stimmt zu", war da zu lesen. "Wir können Gott unsere Angst um die Zukunft anvertrauen" Ruhig und nachdenklich hatte es angefangen. Die Pfarrer Berthold Keunecke und Andreas Smidt-Schellong gestalteten gegen 12 Uhr eine Andacht im Chorraum der Münsterkirche. An die 90 Gläubige kamen zu Gesang und Gebet zusammen - mehr als die Organisatoren erwartet hatten. "Vor ein paar Minuten war es fünf vor zwölf", sagte Smidt-Schellong. Das sei es auch für unsere Erde. "Es ist notwendig, dass wir zusammenkommen und aufbegehren gegen das, was in der Welt passiert. Wir sind nicht allein. Viele andere Umweltaktivisten kommen heute in Gedanken zusammen. Gott können wir unsere Klage und unsere Angst um eine lebenswerte Zukunft anvertrauen." "Wir verwüsten den Garten, den du angelegt hast", sagte Mitorganisator Ingo Ellermann. "Vergib uns unsere Ingnoranz, Selbstsucht und faulen Ausreden." Die Schöpfung sei der Vergänglichkeit unterworfen, zitierte Pfarrer Keunecke aus einem 2.000 Jahre alten Brief von Apostel Paulus an die Römer. "Das war schon immer so und bekommt nun eine besondere Schärfe, weil unsere Technik und Lebensweise die Schöpfung und unsere Zukunft besonders bedroht." Die Pfarrer beteten vor allem für die jungen Leute, die sich bei Fridays for Future in "brennender Ungeduld" für ihre Zukunft einsetzen, und betonten: "Wir sind selber gefragt etwas zu tun, damit das Leben auf dem Planeten weiter möglich ist." Aber man müsse auch den Politikern klar machen, dass sie ihre Hausaufgaben machen müssten. "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut" Als die Andacht vorüber war, trafen die Teilnehmer im Freien auf viele andere Demonstranten von Recycling-Börse, Schulen, Berufskollegs, aus kirchlichen Kreisen und auf Passanten, die sich spontan anschlossen. Keunecke wies den Weg zur Berliner Straße, wo der Globus aufgemalt werden sollte. Man sang in Kirchentagsmanier: "Nach dieser Erde wäre keine, die eines Menschen Wohnung wäre." An der Einmündung Petersilienstraße wagte man sich auf die Fahrbahn der Hauptverkehrsstraße und stellte sich im großen Kreis auf. In die Mitte wurde der Erdball gesprüht. "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut", riefen die Demonstranten. Die aus Richtung Rathaus anrollenden Autos mussten zwangsläufig halten. "Viele kleine Leute können mit ihrem Verhalten das Gesicht der Welt verändern", meldete sich noch einmal der in Friedensdingen demonstrationserprobte Pfarrer Keunecke zu Wort. "Die Leute fahren immer dickere Autos" Auch Lea Weber vom Elisabeth-von-der-Pfalz Berufskolleg war mit zahlreichen Mitkollegiaten spontan gekommen. Die 22-Jährige meint, dass man sich für die Umwelt engagieren muss und ist besonders begeistert, etwas Bleibendes auf die Straße zu malen. "Die Leute fahren immer dickere Autos", beklagt sie. Sie hat aber auch Verständnis, dass die Fahrer, die bei der Demo im Stau stehen, "abgenervt" sind. Als die Aktion an dieser Stelle vorbei ist, rollt die Blechlawine an Lea und ihren Freundinnen vorbei. Etwas ungeordnet ziehen die Demonstranten weiter Richtung Telekom-Hochhaus und malen auch hier die Erde und die Frage auf die Fahrbahn. Mittendrin stehen Margret Tiepermann und ihre Enkelin Birte. "Es ist wichtig, für meine und weitere Generationen die Erde als grüne Lunge zu erhalten", sagt die 26-jährige Studentin. "Man sollte den Autofahren zeigen, dass es so nicht weiter geht. Wir sind eine Radfahrerfamilie und jeder kann ein kleines Stück zum Klimaschutz beitragen." "Nicht SUV-Autos machen glücklich, sondern Wasser, Luft und Erde." "Ich wollte erst nach Bielefeld fahren, aber jetzt bin ich doch froh, dass ich spontan in Herford geblieben bin", sagt die Oma. "Ich demonstriere schon seit den 1970er und 80er Jahren gegen Armut, Hunger und Krieg. Ich möchte, dass auch die Kinder meiner Enkel noch auf der Erde leben können. Ich will nicht missionarisch sein, sondern versuche es vorzuleben. Nicht SUV-Autos machen glücklich sondern Wasser, Luft und Erde. Davon hätten wir eigentlich alle genug."

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