Wie die Herforder Wirtschaft wurde, was sie ist

Herford. Bekleidungsindustrie, Möbelbranche und Schokoladenhersteller – das werden wohl die meisten Menschen antworten, wenn man sie nach den typischen Branchen für die Stadt und den Kreis Herford fragt. Doch wie kommt es, dass diese Bereiche des Arbeitslebens so prägend für die Region sind? Welche historischen Ursprünge stecken dahinter? Kommunalarchivar Christoph Laue sieht mehrere Faktoren, die dafür ausschlaggebend sind, dass sich bestimmte Branchen in bestimmten Regionen mehr etablieren als andere. Spinnerei und Weberei sind Grundlagen der Herforder Industrie &bdquo;Ausschlaggebend sind Dinge wie verkehrliche Anbindung, die Fruchtbarkeit und Beschaffenheit der Böden oder eben einfach, welche Menschen sich in der Historie prägend für die Region oder Stadt eingesetzt haben", so Laue. Zum Beispiel die Tatsache, dass in der Region viel Flachs angebaut wurde, hatte Auswirkungen darauf, welche Branchen sich entwickelten. &bdquo;Spinnerei und Weberei ist eine der Grundlagen der Herforder Industrie, aus denen sich mehrere Spezialfabriken entwickelten", schreibt auch Gustav Schierholz in seiner Abhandlung &bdquo;Geschichte der Herforder Industrie, Herford 1952". Ob die Teppichfabrik, die 1853 hier gegründet wurde, mehrere Färbereien und Bleichereien, Firmen die sich mit der Veredelung von Geweben befassten oder klassische Webereien waren die Ursprünge dafür, dass im weiteren Verlauf des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts die Konfektions- und Wäscheindustrie in Herford eine bedeutende Rolle spielte. &bdquo;Mit der Ravensberger Textilindustrie ist aufs engste die Anfertigung von Kleidung verbunden, anfangs nur für Herren, später auch für Damen", heißt es bei Gustav Schierholz. Allein in Herford wurden in der Zeit von 1864 bis 1924 ganze 17 Konfektionsfirmen gegründet. Darunter war zum Beispiel auch das Westfälische Textilwerk Adolf Ahlers in Herford-Elverdissen, die heutige Ahlers AG. So finden sich in der Geschichte immer wieder Ursprünge und Verbindungen, die heute noch prägend sind", sagt Christoph Laue. So auch die im Jahr 1873 unter der Bezeichnung &bdquo;Herforder Hemdenfabrik" eingetragene Firma der Brüder Josef und Hermann Elsbach. Nicht zuletzt das Elsbach-Haus erinnert noch heute an die Geschichte dieser jüdischen Familie, die im Dritten Reich zum Verkauf genötigt wurde. Dass heute noch große Textilhersteller wie Ahlers, Brax und Bugatti ihren Hauptsitz in Herford haben, liegt also weitgehend in der Geschichte begründet. &bdquo;Damals gab es noch viel Heimarbeit", berichtet Christoph Laue. &bdquo;Davon war sowohl die Textil- und Wäscheindustrie als auch die Zigarrenindustrie bestimmt." Spinner und Weber kamen zur Zigarrenindustrie Gustav Schierholz schreibt zum zweiten prägenden Industriezweig in Herford folgendes: &bdquo;Textilindustrie, Konfektions- und Wäscheindustrie sind bodenständige Industrien als Folgeerscheinung des heimischen Flachsanbaues. Andres die Zigarrenindustrie. Der Rohstoff Tabak ist im Ravensberger Land nicht beheimatet, das volkreiche Ravensberg stellte nur die Arbeiter." Zigarrenarbeiter brauchten eine besondere Geschicklichkeit mit den Händen. Und als die Spinner und Weber Mitte des 20. Jahrhunderts aufgrund des Rückgangs ihres Industriezweiges arbeitslos wurden, brachten sie genau diese mit und fanden &bdquo;lohnende Beschäftigung in der sich schnell entwickelnden Zigarrenindustrie", wie Schierholz schreibt. Im Jahr 1927 gab es in der Stadt Herford 15 eingetragene Zigarrenfabriken. Hochburg war allerdings Bünde mit 100. &bdquo;Es gab in Herford und im Umland aber zahlreiche Tabakspinner, die in Heimarbeit – zum Teil mit der ganzen Familie – für die Zigarrenfirmen produzierten", weiß Christoph Laue. Was heute in erster Linie von der Zigarrenindustrie geblieben sei, berichtet der Kommunalarchivar weiter, sei die Verpackungsindustrie. &bdquo;Auch damals schon war die Frage, wie man die Zigarren verpackte – es gab Lösungen in Papier und natürlich in Holzschachteln." Aus der ersten Linie sei die klassische Papierverarbeitung entstanden, die noch heute vermehrt in Herford zu finden sei, aus der zweiten – mit mehreren Weiterentwicklungsstufen – letztlich die Möbelindustrie. Auch die Schokoladen- und Zuckerindustrie etablierte sich &bdquo;In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts werden in Herford zum ersten Male Schokoladen- und Zuckerwarenfabriken erwähnt", schreibt Gustav Schierholz und nennt damit eine weitere Branche, die mit dem Schokoladenhersteller Weinrich oder mit Eickmeyer & Gehring noch bis heute eine Rolle in der Stadt spielt. &bdquo;Die Ursprünge dieses Zweiges liegen sicher in der Kolonialzeit, denn nur dadurch kam man hierzulande überhaupt an die benötigten Rohstoffe", sagt Christoph Laue. Auch im Bereich der Süßwaren war die Verpackung eine Frage. &bdquo;Hier ist ein weiterer Ursprung der Papierverarbeitung zu sehen." Grundsätzlich sei es immer eine Kombination aus den herrschenden Rahmenbedingungen, Zufällen und Menschen, die sich in einem Bereich in der Geschichte besonders engagiert hätten, die dafür sorge, dass Branchen in bestimmten Regionen oder Städten erfolgreich seien, so der Kommunalarchivar. &bdquo;Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Herford das Glück hatte, in vergangenen Zeiten immer wieder besonders findige Kaufleute zu haben, die etwas bewegen und selbst mit ihren Familien voran kommen wollten", sagt Laue.

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