Wie im Norden Syriens Demokratie gelebt wird

Kreis Herford. "Seit fast sieben Jahren arbeiten wir in der selbstverwalteten Region Rojava am Aufbau einer Region mit basisdemokratischen Strukturen, in der alle Religionen und Nationalitäten friedlich miteinander leben können" sagte Avin Sewaid, Sprecherin der Dachorganisation von Fraueninitiativen Kongreya Star, im Haus der Kirche. Sie gehört zu einer Frauendelegation aus dem nordsyrischen Rojava, die sich jetzt mit Vertretern der Initiative "Freundschaft der Regionen Derik/Rojava und Herford traf. Der aus dem "Bündnis für gerechten Welthandel" hervorgegangene Kreis informiert seit fast zweieinhalb Jahren regelmäßig mit Veranstaltungen zum Thema und hat - unterstützt von weiteren Initiativen und Organisationen - einen Antrag an den Kreistag für eine Städtepartnerschaft zwischen dem Kreis Herford und der Region Rojava gestellt. Laut Friedel Böhse von der Initiative ruhe dieser allerdings, bis die Haushaltsberatungen abgeschlossen sind. Neben Vertretern vom Kirchenkreis nutzten viele im "Bündnis für gerechten Welthandel" aktive Menschen die Gelegenheit, sich über die Situation in Nordsyrien nach Besetzung durch den IS, dessen Vertreibung und dem Einmarsch türkischer Truppen in Afrin zu Beginn dieses Jahres zu informieren. Rojava besteht als autonome Demokratische Föderation Nordsyrien aus den drei Kantonen Afrin, Kobani und Cizre. »Frauen leiden im Krieg und unter Terror am stärksten« "Für uns ist das Treffen sehr wichtig, um uns aus erster Hand bei Menschen aus der Region zu informieren, die Krieg und Terror erlebt haben und sich nun am Aufbau einer Gesellschaft versuchen, in der alle Menschen frei und gleichberechtigt zusammenleben", sagte Böhse. Dass nur Frauen am Tisch sitzen, erklärte Sewaid so: "Frauen leiden im Krieg und unter Terror in jedem Staat am stärksten." Daher sei nur eine Gesellschaft, in der Frauen frei leben, eine freie Gesellschaft. Alhammoud, Sprecherin des arabischen Frauenrates in Rakka, erlebte die Herrschaft des IS, der Rakka 2014 eroberte und zu seiner inoffiziellen Hauptstadt gemacht hatte, aus erster Hand. "Dessen Terror richtete sich nicht nur gegen Kurden oder assyrische Christen, sondern auch gegen Muslime, deren Auslegung des Islams ihnen nicht passte", sagte sie: "Die haben uns eine Gesellschaft aufgezwungen, die so rückständig war, wie Syrien in den letzten 100 Jahren vermutlich nie gewesen ist." In Krise und Unterdrückung habe sie aber auch eine Stärke gewonnen, die sie jetzt in die Lage versetze, am Aufbau eines neuen Gesellschaftssystems mitzuarbeiten und anderen Frauen Mut zu machen, sich ebenfalls zu organisieren. Aufbau einer basisdemokratischen Gesellschaft als Ziel Ziel aller Aktivitäten sei der Aufbau einer basisdemokratischen Gesellschaft, in der sich alle auf unterschiedlichen Ebenen einbringen können, die etwa dem Modell einer Räterepublik vergleichbar sei. Emine Gözen von der Initiative für Frieden und Hoffnung in Kurdistan begleitete die Delegation. Der Bielefelder Verein informierte über die Lage der Kurden in Nordsyrien und in der Türkei, unterstützt auch Projekte, die Notleidenden unabhängig von Kultur oder Religion in Rojava helfen, ihre Zukunft selbstbestimmt zu gestalten. So wurde jetzt etwa gerade ein Waisenhaus für Kinder eröffnet, die ihre Eltern durch den IS-Terrorismus verloren haben. "Auch solche Projekte würden wir gern unterstützen, indem wir Patenschaften vermitteln", sagte Böhse. "Mit 20 Euro im Monat lässt sich dort viel erreichen." Die angestrebte Städtepartnerschaft sei ein Ziel, aber der Initiativkreis wolle auch unterhalb der offiziellen Ebene Menschen zueinanderbringen.

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