
Kreis Herford. Die Landschaft im heutigen Kreis Herford hat sich durch menschlichen Eingriff über die Jahrhunderte und manchmal innerhalb kürzester Zeit dramatisch verändert. Es wurden Bauernhöfe, Häuser, Burgen und Kirchen errichtet und wieder abgerissen oder zerbombt, Straßen, Autobahnen und Eisenbahnschienen gebaut, Flüsse verlegt, Wälder gerodet, Äcker angelegt und zu größeren Parzellen vereinigt.
An längst verschwundene Gebäude auf historischen Fotos kann sich mancher Zeitzeuge noch erinnern - aber wo genau sie gestanden haben, wenn auch der bauliche Zusammenhang durch Kriegsschäden oder Stadtsanierung verschwunden ist, ist manchmal schwer zu sagen.
Das neue, internetbasierte Geschichtsportal des Kreises Herford mit überblendbaren Karten und Luftbildern verschiedener Jahre und Jahrhunderte gibt Orientierung und ist für manche Überraschung gut. Es ist nicht nur für Historiker eine unerschöpfliche Fundgrube, sondern für alle, die nur mal wissen wollen, wie Omas kleines Häuschen vor 50 Jahren einmal ausgesehen hat. Wer dann einmal auf den Geschmack gekommen ist, kommt so schnell nicht wieder los von Computer, Tablet oder Smartphone.

Besucher des Geschichtsfestes in Enger hatten als Erste die Gelegenheit, das Geschichtsportal als Teil des Geoportals mit seinen verschiedenen Serviceangeboten auszuprobieren. "Wir wollten es seit Langem aufbauen und das Geschichtsfest war ein schönes zeitliches Ziel", sagt Sonja Boxhammer, die als Abteilungsleiterin im Kataster- und Vermessungsamt auch für die Bereitstellung und Nutzung von Geodaten zuständig ist. "Die Open-Data-Bewegung hat uns in die Hände gespielt. Es war eine politische Entscheidung, Informationen aus der Verwaltung kostenfrei zugänglich zu machen. Das Land hat nach und nach die Daten freigegeben."

Insbesondere der Geoinformatiker Daniel Sawatzky, den der Kreis nach seiner Masterprüfung direkt eingestellt hat, hatte maßgeblichen Anteil an der praktischen Umsetzung innerhalb weniger Wochen. Das Amt hat eine Vielzahl historischer Karten und Luftbilder zusammengeführt - angefangen mit der topografischen Uraufnahme von 1837, die die damaligen Siedlungsbereiche, die Landschaftsstruktur des ländlichen Raumes und die Geländeform darstellt. Die ältesten Luftbilder stammen aus den späten 1930er Jahren. Wurden Befliegungen damals aufgrund hohen Aufwands nur unregelmäßig durchgeführt, werden heute hoch auflösende Luftbilder in Farbe und im Wechsel von Winter und Sommer von beauftragten Flugunternehmen erzeugt. Fallen bei den alten Luftaufnahmen Nahtstellen auf, so werden sie heute computergestützt nahtlos und verzerrungsfrei zusammengefügt.

Natürlich konnten Fachleute, die Zugang hatten, immer schon alte und neue Karten und Luftbilder vergleichen. Der Clou des Geschichtsportals ist aber, dass sie deckungsgleich und in beliebiger Paarung fürs ganze Kreisgebiet auf den Bildschirm geholt und überblendet werden können. Das geht entweder mit einem Schieberegler von links nach rechts und umgekehrt oder punktuell mit einer Lupenfunktion, die nur einen kreisrunden Blick in Vergangenheit oder Zukunft des gewählten Bildes ermöglicht. Naturgemäß ist es immer eine Ansicht von oben.
Als Appetithäppchen sind im Portal Beispiele geographischer Zeitreisen hinterlegt: Altstadt, Kreisverwaltung, Marta-Viertel, Ludwig-Jahn-Stadion in Herford, Landwirtschaft und Brauerei in Hiddenhausen, Altstadt Enger, Bau der Autobahn A 30, Folgen des Orkans Kyrill in Rödinghausen, der Weserhafen Vlotho, die ehemalige Kleinbahntrasse und mehr.
In die Karten und Luftbilder lassen sich alte Grenzen einblenden, etwa die der alten Kreise Bünde und Herford und der kreisfreien Stadt Herford. Darüber hinaus gibt es eine Sammlung älterer, ungenauerer Karten seit 1501, die sich nicht ins eigentliche Geschichtsportal integrieren ließen. Das Geschichtsportal soll weiter gepflegt und ausgebaut werden.