Herford

König Balthasar auf Besuch in der Lokalredaktion

Eine echte Weihnachtsgeschichte: König Balthasar begleitet für einen Tag NW-Redakteurin Melanie Wigger und hilft ihr bei der Suche nach Weihnachtsstimmung. Die Puppe gehört zu einem Projekt der Herforder Experimentierkirche

Unterwegs auf dem Herforder Weihnachtsmarkt: Handpuppe Balthasar und NW-Redakteurin Melanie Wigger befragen Passanten in weihnachtlicher Mission. Der König wurde der Redaktion von der Experimentierkirche St. Paulus ausgeliehen. | © Vivien Tharun

Melanie Wigger
22.12.2016 | 22.06.2022, 12:01

Herford. Mit einer Handpuppe an mich gedrückt ziehe ich durch die Herforder Innenstadt - meine Mission: Ich will herausfinden, wie man in Weihnachtsstimmung kommt. König Balthasar begleitet mich. Die Puppe wurde mir von der Herforder Experimentierkirche St. Paulus geliehen - unter der Bedingung, dass ich über unseren gemeinsamen Tag einen Tagebuch-Eintrag für die Leihaktion schreibe.

Als ich mich für die Aktion anmelde, will ich nur wissen, wie es ist, an dem ungewöhnlichen Projekt teilzunehmen. Ich habe keinen Hang zu Puppen - obwohl ich bewundere, mit welcher Hingabe so manches Kind damit spielen kann.

Gemeindereferent Ulrich Martinschledde bringt meinen Gast abends in die Redaktion. Ich setze ihn in eine Ecke und vergesse ihn fast. Die stille Puppe scheint es mir nicht übelzunehmen. Erst auf dem Heimweg mache ich mir Gedanken, wie ich den nächsten Tag mit ihm verbringe. Ich google "Balthasar" und lese, dass über den weisen Mann wenig bekannt ist. Aber da er anscheinend gut im Finden ist - so wie damals mit Caspar und Melchior auf dem Weg zum Christuskind -, könnte er mir ja bei einer Suche helfen.

Am Glühweinstand: Seonkyemg Yu, Kyuhung Lee, Ai Suzuki, Melanie Wigger, Puppe Balthasar und Aron Leijendeckers tauschen sich über das Thema Weihnachten aus. - © Privat
Am Glühweinstand: Seonkyemg Yu, Kyuhung Lee, Ai Suzuki, Melanie Wigger, Puppe Balthasar und Aron Leijendeckers tauschen sich über das Thema Weihnachten aus. | © Privat

Und so machen wir uns am nächsten Arbeitstag gemeinsam auf den Weg durch die Innenstadt. Wir versuchen es bei der ersten Passantin, die Balthasar anblickt. Sichtbar unwillig bleibt sie stehen - obwohl wir doch nur eine kurze Frage haben: "Wie kommen Sie in Weihnachtsstimmung?" Sie zuckt mit den Schultern und runzelt die Stirn. "Nicht ein einziger Tipp?" frage ich. "Vielleicht klappt?s auf dem Weihnachtsmarkt", sagt sie und im Weggehen ruft sie noch, sie habe es eilig - "Geschenke kaufen!"

Balthasar und ich setzen die Tour fort. Schon komisch mit einer Puppe durch die Innenstadt zu laufen. Ich achte auf die Reaktionen. Verwirrte Blicke - staunend oder belustigt. Doch die meisten scheinen die Erwachsene mit der großen Puppe gar nicht zu bemerken.

An der Tastatur: Der besondere Praktikant König Balthasar hat auch beim Schreiben mitgeholfen. - © MW
An der Tastatur: Der besondere Praktikant König Balthasar hat auch beim Schreiben mitgeholfen. | © MW

Wir versuchen es weiter. Manchmal beginne ich mit der Frage, manchmal mein royaler Assistent. Es folgt ein Korb nach dem anderen: Private Gründe, keine Zeit, zu viel Stress ... Auch Weihnachtsgebäckverkäufer Gilles Günther kennt keine Tipps. "Für mich ist das gerade die stressigste Phase des Jahres." Ich nicke und wünsche ihm ein ruhiges Fest in einigen Tagen.

Aufgeben kommt trotzdem nicht infrage - auf zum Glühweinstand. "Wegfahren", das rät mir dort Siegfried Heerde. Er habe das einmal mit einem guten Freund gemacht, um den Weihnachtsstress hinter sich zu lassen. "Man hat Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen und abends kann man gemütlich zusammensitzen."

Gute Idee, aber etwas zu kurzfristig, denke ich. Statt Last-Minute-Reisen zu checken, steuern wir auf eine fröhliche Runde junger Menschen zu. Sie prosten sich mit Glühwein zu - und erklären mir, dass das Heißgetränk auf jeden Fall gut für die Stimmung ist. Die Gruppe ist multikulti: Weihnachten spiele in Japan zwar aus religiöser Sicht keine Rolle - "aber wir feiern so ziemlich jedes Fest, das man feiern kann", sagt Ai Suzuki. Dazu gehöre an erster Stelle, mit der Familie Kuchen zu essen.

König Balthasar wartet auf den Zug nach Hause. - © Melanie Wigger
König Balthasar wartet auf den Zug nach Hause. | © Melanie Wigger

Es fühle sich auch gut an, ein Geschenk für jemanden zu kaufen, den man gerne hat, sagt der Niederländer Aron Leijendeckers. Der Koreaner Seonkyemg Yu will unbedingt das passende Geschenk für seine Freundin finden. "Sonst ist sie enttäuscht." Bei ihm klingt die Geschenkesuche stressig. Vor allem die Sache mit den Geschenken scheint ein Knackpunkt zu sein. Familienmitglieder, Freunde, Bekannte ... überall höre ich davon und mir selbst macht die Auswahl längst keinen Spaß mehr.

Ich treffe ein Gegenbeispiel. Beim Stichwort "Geschenkestress" lacht Katharina Stipp. "Wir Erwachsenen schenken uns untereinander nichts. Warum auch? Wir haben doch schon alles. Im Mittelpunkt stehen an Weihnachten die Kinder", erklärt die junge Mutter. Es gehe nicht darum, sich etwas zu kaufen. "Das Beisammensein ist wichtig. Glück, Liebe und Mitmenschen - das sind die wahren Geschenke." Ihre Freundin Alexandra Pesch stimmt zu. Das Drumherum wie Kamin- und Kerzenlicht sei zwar auch stimmungsvoll, aber "das allerbeste ist es, diese Tage mit einem ganz lieben Menschen zu verbringen." Solche Gedanken bringen Vorfreude.

Die Worte der beiden Herforderinnen berühren mich. Balthasar und ich machen uns auf den Rückweg und beobachten erneut die Passanten. Immer noch gestresste Mienen, aber dazwischen auch fröhliche Familien und Freunde - mit Tüten beladen oder Crêpes in der Hand, an Ständen stehend oder durch die Straße schlendernd. Und manche haben sogar im Vorbeigehen ein Lächeln für Balthasar und mich.