63-Jährige verstorben: Gerichtsurteil für jungen Mann aus Enger nach tödlichem Autorennen

Enger/Osnabrück. Im Februar 2024 raste ein betrunkener 20-Jähriger aus Enger über eine Landstraße nahe Osnabrück und stieß auf der Gegenfahrbahn mit einer 63-jährigen Frau zusammen. Für die fahrlässige Tötung der Frau muss er in eine Jugendanstalt – wenn das Urteil Bestand hat. Das Jugendschöffengericht Osnabrück hat einen 20-jährigen Mann aus Enger wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge in Tateinheit mit Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt. Der Angeklagte bekam dafür zwei Jahre und sechs Monate Jugendstrafe, das Äquivalent zur Haftstrafe im Erwachsenenstrafrecht. Schon am ersten Verhandlungstag Ende Februar hatte der Angeklagte über seinen Verteidiger erklären lassen, dass nur er selbst schuld sei an dem tödlichen Zusammenstoß, der sich am Morgen des 4. Februar auf der Icker Landstraße ereignet hatte. Mit 0,8 Promille im Blut und mindestens 125 Kilometer pro Stunde kam der 20-Jährige mit einem Audi auf die Gegenfahrbahn und kollidierte dort mit dem Nissan der 63-jährigen Frau aus Belm bei Osnabrück. Fahrzeuge unterschiedlich stark beschädigt Während die Angeklagten nur geringe Verletzungen davontrugen, starb die Frau aus Belm, die das deutlich kleinere Fahrzeug fuhr, noch am Unfallort. &bdquo;Es war für mich beeindruckend zu sehen, wie zwei Fahrzeuge kollidieren, aber so unterschiedlich beschädigt sind“, sagte der Vorsitzende Richter Florian Ewald und bezog sich damit auf das Gutachten eines Sachverständigen. Lesen Sie auch: Junger Raser muss nach Rennen durch Bielefeld sein Auto abgeben Am zweiten Verhandlungstag befragte das Gericht noch einmal zahlreiche Zeugen, darunter vor allem Rettungskräfte. Die zentrale Frage: Wie hatte sich der Angeklagte nach dem tödlichen Unfall verhalten? &bdquo;Ein Body-Check wurde stark erschwert, weil er die ganze Zeit am Handy war, bis die Polizei es ihm weggenommen hat“, sagte eine 27-jährige Rettungsassistentin. &bdquo;Er hat zwar auf Fragen geantwortet, war aber geistig immer woanders“, sagte ein 42-jähriger Rettungssanitäter. Gleich zu Beginn der Verhandlung hatte das Gericht ein Video gezeigt, das der Angeklagte und sein Beifahrer nach dem Unfall gedreht hatten. Wie in einigen weiteren Clips, die beim Prozessauftakt gezeigt wurden, filmten sich die blutenden jungen Männer selbst und kommentierten, was ihnen gerade geschehen war. Nach den Zeugen äußerte sich Carl Wippermann, Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe für den Kreis Herford, der mit dem Angeklagten ein Gespräch geführt hatte. Laut Wippermann trage der 20-Jährige die gesamte Last seiner in Rumänien lebenden Familie; sowohl die Mutter als auch die Schwester seien schwer krank und auf seine finanzielle Hilfe angewiesen. Er lebe zwar wie ein Erwachsener – aber nur, weil er es müsse. Der 20-Jährige solle strafrechtlich wie ein Jugendlicher behandelt werden. &bdquo;Ihm war es wichtiger, Videos zu drehen.“ Und das Verhalten nach dem Unfall? &bdquo;So etwas sehe ich vor allem bei jungen Leuten.“ Offenbar sei der 20-Jährige von der Situation überfordert gewesen. Eine Haftstrafe sehe er als nicht zielführend an; weder brauche es eine erzieherische Wirkung, die sei durch den tödlichen Unfall schon längst eingetreten, noch müsse die Öffentlichkeit vor dem 20-Jährigen geschützt werden. Lesen Sie auch: Entsetzen nach mutmaßlichem Rennen - Zwei Frauen sterben Oberstaatsanwältin Wibke Warnking sah das völlig anders. &bdquo;Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist er nicht anders zu behandeln als ein erwachsener Mann.“ Die fahrlässige Tötung sei im Übrigen in diesem Fall nicht mehr weit entfernt von einer vorsätzlichen Tat. Und: &bdquo;Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass ihn das Wohlergehen des Unfallgegners interessiert. Ihm war es wichtiger, Videos zu drehen.“ Warnking beantragte schließlich dreieinhalb Jahre Haft. &bdquo;Eigentlich bräuchte ich erst mal Zeit, um durchzuatmen, nach diesem Antrag“, sagte Verteidiger Frank Otten in seinem Plädoyer. Nachdem die Oberstaatsanwältin gleichsam gesagt hatte, dass bei derartigen Straftaten eine Bewährung gar nicht mehr möglich sei, antwortete Otten: &bdquo;Das entspricht aber nicht der Spruchpraxis im Gerichtsbezirk Osnabrück.“ Sein Mandant habe an diesem Tag &bdquo;völlig daneben getreten“ – aber er habe auch nie einen Zweifel an seiner Schuld gelassen. &bdquo;Und seit diesem Tag ist auch keine weitere Straftat dazugekommen.“ Otten beantragte, seinen Mandanten auf Bewährung zu verurteilen. Verteidigung will Berufung einlegen Dem kam das Gericht mit seinem Urteil nicht nach. Zwar verurteilte das Jugendschöffengericht den 20-Jährigen noch nach Jugendstrafrecht, doch laut dem Vorsitzenden Florian Ewald sei auch das zwischen ihm und den beiden Schöffen – die den Berufsrichter überstimmen können – kontrovers diskutiert worden. In der Begründung erklärte Ewald, dass das vom Gericht festgestellte verbotene Kraftfahrzeugrennen nicht verlange, dass es noch einen zweiten Rennteilnehmer gebe. Dem 20-Jährigen sei durch mehrere Verfehlungen eine erhebliche Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen – und das ergebe kumuliert die sogenannte Schwere der Schuld. Stellt ein Gericht diese fest, ist die Voraussetzung gegeben, um eine Jugendstrafe zu verhängen, also die Entsprechung der Haftstrafe im Erwachsenen-Strafrecht. Ob der 20-Jährige tatsächlich in eine Jugendanstalt muss, steht aber noch nicht fest. Verteidiger Frank Otten sagte auf Nachfrage, dass er Berufung gegen das Urteil einlege. Auch die Staatsanwaltschaft dürfte das tun. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Fall also in einigen Monaten dann noch mal am Landgericht Osnabrück verhandelt. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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