Naturerlebnis in Enger: Rundwanderweg „A1 Oldinghausen“ im Praxistest

Enger. Der &bdquo;Weiße Stein“ hat geschlossen. Zu schade. Wie gerne hätte ich jetzt auf halber Strecke eine Pizza gegessen. Und ein Glas Weinschorle getrunken. Und hätte dann frisch gestärkt die noch fehlenden Kilometer in Angriff genommen. Aber nun gut, es wird auch so gehen. Noch eine Dreiviertelstunde vielleicht, dann werde ich wieder in der Redaktion sitzen und dort mein vergessenes Butterbrot essen. Und dann werde ich aufschreiben, wie es mir auf meinem ersten Engeraner Rundwanderweg ergangen ist. Etwa anderthalb Stunden zuvor: Der Halbmond steht am blauen Himmel, die Sonne versteckt sich hinter einer der wenigen Wolken. Ich ziehe die Redaktionstür hinter mir zu. In der Hand habe ich eine winzige schwarz-weiße Karte mit einigen grünen Tupfern, heruntergeladen von der städtischen Website, ausgedruckt in der Redaktion. Straßennamen sind hier keine zu sehen, nur eine dünne rote Linie durch Feld und Flur markiert die Route &bdquo;A1 Oldinghausen“, rund zehn Kilometer lang. &bdquo;Bist du sicher, dass du damit klarkommst?“, fragt der Kollege und zeigt auf den kleinen Zettel in meiner Hand. &bdquo;Pah!“, rufe ich und gebe eine uralte Geschichte zum Besten: &bdquo;Ich war mal für ein Jahr in Mittelamerika unterwegs. Da hab’ ich mir auf dem Hinflug eine kleine Landkarte aus dem Bordmagazin gerissen. Und das war’s. Damit bin ich ein Jahr lang klargekommen. Kein Reiseführer und nix. Dann wird das hier wohl auch gehen.“ In der Nachbarschaft: Wandertouren mit Kindern im Bünder Land Nach zehn Minuten geht’s so richtig los Zehn Minuten später merke ich, dass ich auf dem falschen Weg bin: Statt stadtauswärts in die Seelbornstraße abzubiegen, spaziere ich seelenruhig die Bielefelder Straße entlang. Auf Höhe der Liesbergmühle bemerke ich meinen kleinen Irrtum, laufe über den Windmühlenweg zurück in eine Siedlung und stehe etwas später am Elsternbuschdenkmal. Und dann geht’s bei herrlichem Wetter endlich raus auf die Landstraße, raus auf Feld und Flur. Die Straße glitzert feucht, es riecht nach Erde und Laub, es kann losgehen. Kurz vorm Sattelmeierhof Meyer-Johann kommt mir eine Kindergartengruppe entgegen. &bdquo;Lichterkinder auf dieser Erde . . .“, singen die Kleinen aus voller Kehle. &bdquo;Hallo!“, rufen sie, als ich vorbeigehe. &bdquo;Hallo, ihr Lichterkinder!“, rufe ich zurück. Die Kleinen freuen sich, die Erzieherinnen freuen sich, ich freue mich auch. Geradezu euphorisch und strammen Schrittes gehe ich vorbei am Hof Ebmeyer, freue mich über die Sonne, die durch die stattlichen Eichen blinzelt und über den Graureiher, der sich vom Ufer eines Fischteiches erhebt. Irgendwo am Himmel tönt es: &bdquo;Gru, gru, gru.“ Kraniche, eindeutig. Bei dem schönen Wetter sammeln sie sich für ihren Flug gen Süden. Aber sehen kann ich sie nicht. Schade. Ich gehe in ein kleines Waldstück hinein. Kurze Phase der Desorientierung Kurz hinterm Hof Quest und kurz vorm Asbeke-Tal – ich streife mir die Matsche vom nassen Waldweg von den Schuhen – mache ich einen Fehler. Das werde ich aber erst Stunden später in der Redaktion merken: Statt dem Buschweg zu folgen und erst dann nach links in den Aspeweg zu gehen, biege ich bereits am Markgarten nach links ab. Die Folge: Ich verfranze mich gehörig, laufe durch kniehohe Brennnesseln und Brombeeren und durch zahlreiche Spinnewippen dicht an einem Maisfeld entlang, stehe zweimal auf dem Hof von Privatgrundstücken – und komme erst nach einer guten Viertelstunde wieder an einem Feldweg heraus, der mir irgendwie der richtige zu sein scheint. Als ich den Schriftzug &bdquo;Alligator“ sehe, habe ich Gewissheit: Das ist Oldinghausen. Es ist kurz nach zwölf. Eine Pizza und ein isotonischer Durstlöscher hätten mir jetzt wirklich gutgetan. Aber das Ristorante &bdquo;Zum Weißen Stein“ hat um diese Uhrzeit natürlich noch zu. &bdquo;Gru, gru, gru“, tönen die Kraniche über mir. Als würden sie mich auslachen. Leider kann ich noch immer keine Vögel dort oben entdecken. So langsam tun mir die Füße weh – meine Wanderschuhe sind noch immer nicht richtig eingelaufen. Und spätestens seit meiner kleinen Phase der Desorientierung an der Asbeke weiß ich auch, dass sich meine Lederjacke für eine solche Wanderung nicht wirklich eignet – ich schwitze. Ausziehen mag ich das Teil jetzt aber auch nicht, dafür ist es zu windig. Geheimtipps: Fünf weniger bekannte Rad- und Wanderwege in OWL Naturschauspiel zum Abschluss Nach einem kurzen Stück L557 – der mit Abstand hässlichste Streckenabschnitt – geht’s wieder in einen Feldweg hinein. Das Pödinghauser Holz lasse ich weit links liegen. Im Zickzackkurs durch Felder und Wiesen geht’s zurück zum Ausgangspunkt. An einem schon abgeernteten Acker liegt noch der Geruch von Kartoffeln in der Luft. Kurz vor den Toren der Stadt, die Straße heißt sinnigerweise &bdquo;Im Felde“, höre ich es wieder: &bdquo;Gru, gru, gru.“ Ich schaue nach oben. Etwa 200 Kraniche kreisen direkt über mir. Leider etwas zu hoch, um ein brauchbares Foto zu machen. Zwei oder drei Minuten stehe ich lächelnd da und darf das Spektakel genießen, dann entfernen sich die Tiere in mehreren Keilformationen in Richtung Süden. Der würdige Abschluss einer schönen Wanderung.

Meistgelesen