Betroffener will über Pädophilie aufklären - Enger und Spenge sagen Nein

Enger/Spenge. Georg Kellmann (66) hat sich entschieden, Öffentlichkeitsarbeit für ein denkbar schwieriges Thema zu machen. &bdquo;Pädophilie ist keine Tat“, steht auf dem Flyer, den er in die Kamera hält. Kellmann ist selbst pädophil. Er setzt sich dafür ein, dass unterschieden wird zwischen Menschen mit einer pädophilen Neigung und Straftätern, die Kinder missbrauchen. Das wollte er auch auf Veranstaltungen in Enger und Spenge machen - doch beide Städte ließen das nicht zu. Kellmann ist einer der wenigen Pädophilen, der öffentlich mit Klarnamen auftritt. Zu groß ist bei den meisten Betroffenen die Angst vor privater und beruflicher Ausgrenzung. Kellmann berichtet von einem Bekannten, der erst kürzlich seinen Job verlor, als in seiner Firma bekannt geworden sei, dass er pädophil ist. In den vergangenen Jahren war Kellmann Gast in mehreren Medien und Formaten, um einer Minderheit ein Gesicht zu geben, die in der öffentlichen Wahrnehmung kaum auftaucht. Denn: &bdquo;Entstigmatisierung ist wichtig für Prävention“, sagt Kellmann. &bdquo;Es ist für pädophile Personen oft schwierig, professionelle Hilfe zu finden. Eine große Hürde stellt die starke Stigmatisierung dar, die dazu führt, dass viele der ambulant tätigen Psychotherapeuten in Deutschland nicht bereit sind, mit pädophilen Patienten zu arbeiten “, sagt auch Maximilian von Heyden vom Präventionsnetzwerk &bdquo;Kein Täter werden“. Das Projekt der Charité Berlin bietet therapeutische Behandlungen für Menschen an, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Ein weiteres Hindernis sei die Angst vor sozialer Ausgrenzung und vor negativen Reaktionen seitens der Therapeuten. &bdquo;Was viele Betroffene davon abhält, trotz des Leidensdrucks therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen “, so von Heyden weiter. Aktion bei Eröffnung der Toleranzräume Kellmann spricht offen über seine Pädophilie. Er ist auch ehrlich damit, dass er vor Jahren wegen Kinderpornografie verurteilt wurde. Das bereut er. Vor allem spricht er aber auch darüber, wie schwer es ihm fiel, Hilfe zu bekommen. So hätten ihm Psychologen einfach geraten, mehr Frauen kennenzulernen. Er sei immer mehr in Depressionen verfallen. Aus einer Fachklinik für Depressionen sei er aber direkt nach der Aufnahme herausgeworfen worden, als bekannt geworden sei, dass er pädophil ist. Erst &bdquo;Kein Täter werden“ hätte ihm helfen können. Nun wollte Kellmann von Angesicht zu Angesicht etwas gegen die Stigmatisierung tun. Dafür habe er sich extra kleinere Städte ausgesucht. &bdquo;Davor, das in Bielefeld zu versuchen, hätte ich Angst“, sagt Kellmann. In Enger habe er angefragt, ob zur Eröffnung der Toleranzräume im Februar Flyer zum Thema ausgelegt werden könnten. Das geschah auch. Dann sei er aber mit einem Infostand zur Eröffnung auf dem Barmeierplatz erschienen - ohne Absprache, wie er selbst zugibt. &bdquo;Da hatte ich auch ein Klopfen im Hals“, sagt Kellmann. Daraufhin sei er gebeten worden, den Stand abzubauen. Auch seine Flyer wurden ihm zurückgegeben. &bdquo;Das war fast noch schmerzhafter“, sagt Kellmann. Anfrage zum Lange-Straßen-Fest In Spenge habe er dann die nächste Chance beim kürzlich stattgefunden Lange-Straßen-Fest gesehen. Die Stadt hatte im Vorfeld, dazu aufgerufen, dass sich Interessierte melden sollen, die dort einen Stand anbieten wollen. Doch Kellmann erfuhr auch dort Ablehnung. In einem anschließenden Gespräch habe ihm Bürgermeister Bernd Dumcke noch einmal erklärt, das Thema sei &bdquo;zu schwer für die Gesellschaft“. Im Wesentlichen bestätigen beide Städte Kellmanns Schilderungen. Doch: &bdquo;Es ist nicht unsere Aufgabe, die Anliegen jeder Interessengruppe, vor allem auch vor dem Hintergrund unserer räumlichen und personellen Kapazitäten, zu berücksichtigen und/oder eine Plattform zu bieten“, heißt es von der Engeraner Stadtverwaltung. Es fehle auch an entsprechend geschultem Fachpersonal, um das Thema angemessen zu begleiten. Es habe bei der Eröffnung der Toleranzräume Reaktionen von einem Elternteil gegeben, der Kontakt mit Kindesmissbrauch gehabt habe, sagt Bernd Rammler vom Engeraner Manifest. Die Gruppe, die sich für Toleranz einsetzt, war damals Mit-Veranstalter. Im Nachgang der Aktion sei im Manifest diskutiert worden, wie nun mit Kellmann umzugehen sei. &bdquo;Einige haben klipp und klar gesagt, Pädophilie wäre für sie ein No Go“, sagt Rammler. Das Manifest sei nicht der richtige Raum dafür. Rammler selbst zeigt sich aber zu einem persönlichen Gespräch bereit. Lesen Sie auch: &bdquo;Nicht automatisch Täter“: Pädophiler aus dem Kreis Herford kämpft gegen Vorurteile &bdquo;Dieses sehr, sehr schwere Thema passt nicht zum Lange-Straßen-Fest“, sagt Bernd Dumcke auf Anfrage der NW. Zwar finde er es bewundernswert, wenn es pädophile Menschen gibt, die versuchen ihre Neigungen nicht auszuleben. Für den Durchschnittsbürger sei das Thema aber &bdquo;tendenziell nicht vermittelbar.“ &bdquo;Das tut weh“, sagt Georg Kellmann im Nachgang. Menschen direkt auf das Thema Pädophilie anzusprechen, sei noch schwieriger, als er sich gedacht habe. So werde weiterhin nur über das Thema gesprochen, wenn es Missbrauchsfälle gebe. &bdquo;Es wird in eine Richtung eingegrenzt, die mich ausgrenzt“, sagt Kellmann.

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