Angeklagter im Mordprozess Jörg D. lebte jahrelang illegal in einem Haus in Enger

Enger/Hüllhorst/Bielefeld. Mietnomaden leben häufig für lange Zeit in einer Wohnung, ohne die entsprechende Miete zu bezahlen. Vermieter werden sie häufig nur über eine Räumungsklage los. Was der Angeklagte im Mordfall Jörg D., ein 37-jähriger Mann aus Enger, gemacht haben soll, geht jedoch weit darüber hinaus. Er habe ein Haus gekauft – und dann über Jahre einfach nicht den Kaufpreis bezahlt. Das sagen mehrere Zeugen am dritten Prozesstag in dem Fall am Landgericht Bielefeld aus. Es geht um das Motiv von Reinhard M., der den 62-jährigen Unternehmer Jörg. D. mutmaßlich getötet haben soll. Laut Anklage soll der Engeraner das getan haben, weil er dessen Lagerhalle in Hüllhorst als Abstellfläche für zahlreiche Boote und Autos nutzen wollte. Ihm habe eine Räumungsklage gedroht. Geräumt wurde eine Immobilie in Enger, die im Laufe der Ermittlungen Ende vergangenen Jahres auch von der Polizei durchsucht wurde. Nun sagen mehrere Zeugen aus, dass der Angeklagte dort seit 2015 mit mehreren Generationen seiner Familie gelebt haben soll – ohne für die Immobilie zu zahlen. Ursprünglich gehörte das Grundstück einem großen Münsteraner Agrar-Handelsunternehmen. Weil das Gelände nur relativ einschränkbar zu nutzen ist, versucht das Unternehmen es seit 2014 zu verkaufen. Angeklagter soll 127.000 Euro für Haus nie gezahlt haben Der zuständige Mitarbeiter des Münsteraner Unternehmens sagt vor Gericht aus, dass Reinhard M. damals Interesse bekundet habe. Beim Verkauf wurde dann aber dessen Tante S. als Käuferin angegeben. Der Kaufpreis: 127.000 Euro. &bdquo;Wir haben einen Fehler begangen: Wir haben die Schlüsselübergabe gemacht, bevor der Kaufpreis überwiesen war“, so der Angestellte. Die 127.000 Euro habe das Unternehmen daraufhin nie gesehen. Auch für die Grunderwerbssteuer habe das Unternehmen aufkommen müssen. Die eigentlich eingetragene Käuferin sei daraufhin nicht mehr erreichbar gewesen. Der Kontakt sei nun hauptsächlich über Reinhard M. gelaufen. Es ist ein bemerkenswerter Vorgang, den der Mitarbeiter des Grundstückeigentümers beschreibt: Aufforderungen seien zurückgeschickt worden und es habe immer wieder neue Erklärungen gegeben, warum der Kaufpreis nicht überwiesen wurde. Doch für das Unternehmen sei es wirtschaftlicher gewesen, die Situation so zu belassen, statt eine Räumungsklage mit den verbundenen Kosten anzustreben. Das änderte sich, als es um 2020 einen möglichen interessierten Käufer gab, einen Kaufmann aus Münster. Hintergrund zum Fall: Warum trotz fehlender Leiche ein Mordprozess läuft Angeklagter aus Enger hat sich gegen Räumungsklage gewehrt Der sagt aus, er hätte die Immobilie erwerben wollen, aber nur unbewohnt. So strebte der Eigentümer, das Münsteraner Unternehmen, 2022 eine Räumungsklage an. Er bekam Recht. Das Räumungsverfahren zog sich jedoch bis Ende 2023 hin. &bdquo;Eine derartige Räumung habe ich in meinen sieben Jahren auch noch nicht erlebt“, sagt der zuständige Gerichtsvollzieher L. Er hat das Verfahren zusammen mit einer Auszubildenden begleitet. Die Räumung selbst zog sich beinahe fünf Wochen lang. Die Lagerhalle auf dem Gelände in Enger sei mit mehreren Booten, Trailern und Fahrzeugen vollgestellt gewesen. Angeklagter war am Tag des Verschwindens von Jörg D. bei einer Sprechstunde L. beschreibt den Angeklagten in der Zeit als sehr wankelmütig. Es habe Provokationen gegeben. Der Vater des Angeklagten soll zu ihm gesagt haben: &bdquo;Wir wissen, wo Sie wohnen.“ L. und seine damalige Auszubildende A. berichten zudem von einem Besuch des Angeklagten in ihrer Sprechstunde am 18. Oktober vergangenen Jahres. Reinhard M. habe um eine Aufschiebung der Räumung gebeten. Und soll den beiden auch Geld angeboten haben. Sie widersprechen sich aber darin, ob er dabei auch einen Stapel 100-Euro-Scheine hervorgeholt haben soll oder nicht. Beide sind sich zudem unsicher, ob es sich um einen Bestechungsversuch gehandelt hat oder ob Reinhard M. so einen Teil seiner Schulden bezahlen wollte. Was an dem Treffen jedoch wichtig ist: Der 18. Oktober ist der Tag, an dem Jörg D. verschwunden ist. Der Angeklagte sei zwischen 16 und 17 Uhr bei ihnen in der Sprechstunde in Herford gewesen, sagen beide Zeugen aus. Carolina A. schränkt die Zeit auf einen Zeitraum zwischen 16.30 und nach 17 Uhr ein, weil sie zu der Zeit Whatsapp-Nachrichten an ihren Lebensgefährten schrieb, dass sich der Termin in die Länge ziehe. Vermisster Jörg D. bestellte vor Verschwinden noch große Mengen Stahl Die Verteidigung bestreitet die Darstellung der Vorgänge nicht. Am meisten Nachfragen kommen bei zwei anderen Zeugen. Die beiden Mitarbeiter eines Metallhändlers mit Niederlassung in Osnabrück geben an, dass Jörg D. am Morgen des Tages seines Verschwindens noch 1,2 Tonnen Stahl für den nächsten Tag bestellt haben soll. Dass dieser die Lieferung am Folgetag nicht angenommen habe, sei untypisch für ihn gewesen, sagt Simone B., die Jörg D. zehn Jahre lang als Kunden betreut hat. Unter anderem fragt die Verteidigung Simone B. nach dem Alkoholkonsum von Jörg D. Diese gibt an, dass er am Telefon durchaus auch mal &bdquo;gelallt“ habe und auch schon mal zur Mittagszeit in einem angetrunkenen Zustand war. Der Prozess wird am Montag, 10. Juni, fortgesetzt. Prozessverlauf im Mordfall des vermissten Hüllhorster Unternehmers im Überblick: 1. Prozesstag: Der Angeklagte aus Enger behauptet, Jörg D. lebt noch 2. Prozesstag: Spurensicherung fand nicht nur Blutspuren in der Hüllhorster Lagerhalle

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