Geflüchtete in Enger und Spenge: Was hat sich seit 2015 getan?

Enger/Spenge. Die Unterbringung von Geflüchteten war für die Städte Enger und Spenge im vergangenen halben Jahr herausfordernd. Anfang des Jahres hatte Landrat Jürgen Müller die Situation noch als &bdquo;extrem“ bezeichnet. Beide Kommunen mussten schließlich neue Unterkünfte bauen. Wie ist es dazu gekommen? Und wie hat sich die Lage in Enger und Spenge in den Jahren seit 2015 entwickelt? Darüber hat die NW mit Vertretern aus der Asylhilfe und der Verwaltung gesprochen. 2015: Als alles anfing &bdquo;Plötzlich waren viele Leute da“, erinnert sich Rainer Czypulowski, Fachbereichsleiter bei der Stadt Spenge. Im Spätsommer und Herbst 2015 habe die sogenannte Flüchtlingskrise Spenge erreicht. Zu Hoch-Zeiten wären rund 300 Geflüchtete in Spenge untergekommen, sagt Natascha Gräfe, Leiterin der Abteilung Schule, Kultur, Jugend und Soziales bei der Stadt Spenge. In Enger waren es zu diesen Zeiten rund 500 Geflüchtete, sagt Rolf Seele, Teamleiter Soziales bei der Stadt Enger. Zum Teil hätten in der Widukindstadt 6 bis 8 Menschen in einem Zimmer untergebracht werden müssen. In Spenge wurde die Werburger Turnhalle belegt. &bdquo;Alle waren ein bisschen überfordert“, sagt Rolf Seele. Die Behörden mussten sich erst auf die neue Situation einstellen. Oft habe es lange gedauert, bis Asylanträge bearbeitet wurden, erinnert sich Samir Al Najjar. Er kam 2015 selbst aus Syrien nach Spenge. Mittlerweile gehört er zum Vorstand des Vereins Asyl Spenge und ist Sozialarbeiter bei der Stadt Enger in der Flüchtlingshilfe. Al Najjar erinnert sich daran, wie er 2015 seinen Asylantrag gestellt hatte und erst Ende 2016 darüber entschieden wurde. Anfang 2017 konnte er dann seine Ausbildung starten. &bdquo;Damals gab es sehr große Probleme, sich sprachlich zu verständigen“, sagt Czypulowski. Kollegen mit entsprechenden Sprachkenntnissen habe es noch nicht gegeben. &bdquo;Früher gab es diese ganzen Handyübersetzungen noch nicht“, sagt Kordula Schimke, Integrationsbeauftragte bei der Stadt Enger. Es habe damals ebenfalls keine Formulare in anderen Sprachen gegeben. Strukturen, um mit dieser Situation umzugehen, mussten erst geschaffen werden. Die ehrenamtlichen Helfer Die Arbeit mit Geflüchteten in Enger und Spenge wurde damals wie heute wesentlich von ehrenamtlichen Helfern mitgetragen. In Spenge vernetzten sich schon 2014 erste Helfer, sagt Karl Hankel vom Vorstand von Asyl Spenge. Zunächst boten sie Sprachkurse an. Daraus entwickelte sich die Initiative Asyl Spenge, sagt die Vorsitzende Annegret Beckmann. 2016 wurde die Initiative dann als Verein eingetragen. Der Vorstand bestand aus Beckmann, Hankel und Samir Al Najjar. &bdquo;Wenn die nicht dagewesen wären, wäre alles sehr viel schlechter gelaufen“, sagt Fachbereichsleiter Rainer Czypulowski. Unter dem schon bestehenden Verein Una Terra fand sich währenddessen in Enger die Initiative Willkommen zusammen, erklärt Angelika Grote, die die Initiative vertritt. Eigene Räumlichkeiten für die Gruppe gab es noch nicht. &bdquo;Ende 2016 wurde die erste Vollzeitkraft bei der Stadt Enger eingestellt“, sagt Grote - auch auf Nachhaken der Initiative gab es dann eine Integrationskoordinatorin. 2017 wurde dann das Haus der Kulturen in Enger gegründet - unter diesem Dach fand sich seitdem auch die Initiative Willkommen. Die Aufgaben der ehrenamtlichen Helfer sind seit damals sehr umfassend: Neben den Deutschkursen erstreckt sich ihre Arbeit auch auf den Sozialbereich. &bdquo;Wir haben sehr viele Wohnungen eingerichtet“, sagt Annegret Beckmann von Asyl Spenge. Auch beim Besuch bei Ärzten, der Ausländerbehörde oder im Jobcenter wurden die Geflüchteten begleitet. &bdquo;Es war Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Beckmann. In einigen Fällen wurden selbst geflüchtete Frauen in der Nacht ins Krankenhaus begleitet, damit sie dort ihr Kind bekommen konnten. Ähnliche Berichte gibt es auch aus Enger. Es wurde auch versucht, möglichst bei der Integration zu helfen. Zum Beispiel, indem man die Geflüchteten an Vereine wie die Schachgemeinschaft oder den Chor herangeführt hatte, erinnert sich Angelika Grote. Das Angebot wird größer Seit damals hat sich bei der Verwaltung und den Vereinen einiges getan. Seit Januar 2022 ist Ulla-Britta Rüssig Ansprechpartner für Geflüchtete bei der Stadt Spenge. Jeden Donnerstag können die Menschen zu ihr in die Sprechstunde kommen, um sich zum Beispiel bei Anträgen unterstützen zu lassen. In Enger gibt es ein Netzwerk an Übersetzern - viele davon ehemalige Geflüchtete, erklärt Rolf Seele. Im Haus der Kulturen werden Kurse vom AWO-Familienbildungswerk angeboten, zählt die Integrationsbeauftragte Kordula Schimke auf. Zusätzlich gibt es dort das Repair-Café, die Pflanzentauschbörse, historische Vorträge, eine Frauengruppe, das Nähcafé und gemeinsame Ausflüge. Schimke ist wichtig, dass sich das Angebot nicht nur an Geflüchtete richtet; dass das Haus der Kulturen ein Ort der Begegnung ist. In Spenge hat Samir Al Najjar eine internationale Fußballmannschaft gegründet. Mit dabei sind Geflüchtete im Alter von 14 bis 40. Mittlerweile spielen sie gegen Mannschaften aus anderen Kommunen, sagt Al Najjar. Auch beim &bdquo;Kultur Cup“ in Herford hätten sie schon mitgespielt. &bdquo;Letztes Jahr haben wir den zweiten Platz geschafft“, sagt Al Najjar. Dann kam der Ukraine-Krieg Es hat sich also viel getan in den beiden Städten. Warum wurde die Situation dann also doch wieder so angespannt? &bdquo;Die Ukrainer kamen als Nächstes, was auch eine Herausforderung war“, sagt Kordula Schimke. Während die Menschen in der Vergangenheit vermehrt aus Syrien, Afghanistan oder Nigeria gekommen waren, kamen nun vermehrt Geflüchtete aus der Ukraine, die vor dem russischen Angriffskrieg flohen. &bdquo;Die Zuweisungen 2024 waren bisher ausschließlich ukrainische Staatsbürger“, sagt Natascha Gräfe von der Stadt Spenge. Diese können sich anders als die anderen Geflüchteten frei in NRW bewegen und nutzen dies zum Teil auch. Was neu war: Ukrainische Geflüchtete kamen nun auch vermehrt privat unter, sagt Kordula Schimke. Mittlerweile kommen in Spenge rund 500 Geflüchtete unter - rund 200 mehr als in den Jahren 2015/16, sagt Fachbereichsleiter Rainer Czypulowski. Auch in Enger sind die Zahlen hoch gegangen. Zuletzt gab es dort rund 540 Geflüchtete, sagt Matthias Husemann, Fachbereichsleiter bei der Stadt Enger. 2023 habe es eine Phase gegeben, &bdquo;wo man nicht wusste, wo es hinging.“ Das sei auch die Zeit gewesen, in der die Kapazitäten an Unterkünften in Enger aufgestockt wurden. Die neuen Container-Unterkünfte in Spenge und die neue Unterkunft am Jahnplatz in Enger wurden auch teilweise schon bezogen. Momentan hat sich diese Lage in beiden Kommunen dadurch wieder etwas entspannt. In Teil Zwei der Recherche geht es um die größte Herausforderung bei der Unterbringung von Geflüchteten in Enger und Spenge, sowie Anfeindungen von Rechts. Die Fortsetzung erscheint kommende Woche.

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