Wie lebt und studiert es sich in den Kleinstädten Enger und Spenge?

Enger/Spenge. Die Abiturprüfung in NRW sind in vollem Gange und bei vielen Studienanfängern steht bald die Frage im Raum, ob sie eher in einer aufregenden Großstadt, oder einer etwas ruhigeren Kleinstadt leben möchten. Auch in Enger und Spenge wohnen Studierende. Sie haben sich aus unterschiedlichsten Gründen gegen ein Leben in der Großstadt entschieden. Doch wie lebt und studiert es sich in Orten mit einem Bruchteil so vieler Einwohnern wie in den meisten Uni-Städten? Timo (Name von der Redaktion geändert) kommt aus Enger. Er studiert im achten Semester auf Lehramt in Bielefeld, ist in der Widukindstadt zur Schule gegangen und wohnt auch weiterhin bei seinen Eltern. Für ihn habe nicht zur Debatte gestanden auszuziehen. &bdquo;Ich habe kurz vor der Coronapandemie mit dem Studium angefangen und hatte gerade mal ein Semester ohne die pandemiebedingten Einschränkungen. Für mich stand bereits vorher fest, dass ich zu Hause wohnen bleiben möchte“, erklärt er. Seinen Freundinnen und Freunden habe er erzählt, dass die Pandemie Schuld an seiner Wohnsituation sei. &bdquo;Das stimmte jedoch nicht. Ich konnte es mir nicht leisten und habe mich für vieles nicht bereit gefühlt“, sagt Timo. Gleichzeitig habe er auch das Gefühl, dass seitens seines Umfelds großer Druck aufgebaut wurde. &bdquo;Ich solle doch endlich mal ’richtig’ studieren – also Feiern, in eine WG ziehen und vorgegaukelt Erwachsenwerden. Das wollte ich zu dem Zeitpunkt aber nicht. Die Pandemie hat mich da ein wenig gerettet“, fügt er hinzu. Laut der Ergebnisse des &bdquo;MLP Studentenwohnreport“ ist Timos Wohnsituation kein Einzelfall. Knapp 30 Prozent der befragten 80.000 Studierenden wohnen noch bei ihren Eltern. Für den Uni-Standort Bielefeld sind es sogar überdurchschnittlich viele: Hier wohnen 45 Prozent mit ihren Eltern zusammen. Studentenleben verpasst? Als Timo sich dann nach einiger Zeit bereit für einen Umzug gefühlt hat, sei es &bdquo;zu spät“ gewesen: &bdquo;Ich habe gemerkt, dass ich nicht nur durch die Pandemie sehr viel verpasst habe, sondern auch, weil es schwierig ist, die gleichen Dinge zu tun, wie meine Kommilitonen, wenn man zu Hause und dann noch in einer Kleinstadt wohnt“, erzählt er. &bdquo;Mit Anfang 20 zu Hause zu wohnen bedeutet, keine Partys zu schmeißen, Freunde nicht zum Essen zu sich einzuladen zu können oder spontan einen gemeinsamen Filmabend zu veranstalten. Viele haben das auch während der Pandemie gemacht, da ich jedoch kein eigenes Auto habe, konnte ich an vielem nicht teilhaben“, so der Student. &bdquo;Gleichzeitig war ich jedoch froh, Geld sparen zu können und bei meiner Familie zu sein.“ Er blicke mit gemischten Gefühlen auf das nahende Ende seiner Studienzeit: &bdquo;Nun bin ich fast mit dem Studium fertig und denke, dass das Studentenleben, von dem einem vorher viele Menschen immer Geschichten erzählt haben, für mich nie richtig stattgefunden hat. Gleichzeitig erfüllt es mich auch mit Sorge, wie sich der Wohnungsmarkt entwickelt“, sagt Timo. Die Wohnsituation ist, gerade in Ballungszentren, weiterhin angespannt. Wohnraum ist nicht nur knapp, sondern auch teuer: Im Vergleich zum Vorjahr sind laut MLP-Report die Kaltmieten in allen 38 untersuchten Hochschulstandorten im Schnitt um sechs Prozent gestiegen. Gleiches gilt auch für die Nebenkosten: Allein die Heizkosten hätten sich seit Anfang 2022 um durchschnittlich 43 Prozent erhöht. Wohnen in Kleinstädten ist günstig Wohnraum in Kleinstädten ist im Vergleich dazu deutlich günstiger: Laut des &bdquo;Check-Wohnreports“ betragen die durchschnittlichen monatlichen Mietkosten für eine studentische Musterwohnung über 30 Quadratmeter in Bielefeld 387 Euro zuzüglich Nebenkosten. In Spenge läge der Mietpreis laut Mietspiegel bei gleicher Größe dagegen bei 223 Euro – also ganze 165 Euro weniger. Für Mara (Name von der Redaktion geändert) sei das ein wichtiger Punkt gewesen, der für ein Leben in Spenge gesprochen habe. Sie studiert Soziale Arbeit im dritten Semester. Für sie überwiegen die Vorteile eines Studierendenlebens in der Kleinstadt. &bdquo;Ich könnte es mir nicht leisten, in einer Großstadt alleine zu wohnen. Hier ist es wiederum für mich machbar. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich etwas verpasse“, sagt die 24-Jährige. &bdquo;Im Alltag habe ich hier alles, was ich brauche – meine Familie, meine Freunde und meine Hobbys. Ich schätze es auch, dass es ruhig ist und ich beispielsweise sehr viel joggen und spazieren gehen kann. Es reicht dafür, vor meine Haustür zu treten, das empfinde ich als persönlichen Luxus,“ erklärt sie. Knackpunkt ÖPNV Trotzdem sieht sie auch Nachteile: &bdquo;Zum Feiern und zum Arbeiten muss ich oft nach Bielefeld ausweichen“, erklärt sie. &bdquo;Auch die Auswahl an Praktika ist hier nicht so umfangreich und die Plätze recht begehrt, weshalb ich zum Absolvieren meines Praxissemesters womöglich vorübergehendend umziehen muss. Das kostet natürlich auch wieder Geld“, fügt Mara hinzu. Das Leben und Studieren in einer Großstadt wie Bielefeld bringt nicht nur mehr Mietaufwand mit sich, sondern auch mehr Freizeit- und Kultureinrichtungen, mehr Bars und Clubs, mehr Konzerte, mehr Menschen, mehr Abwechslung und auch mehr Unternehmen und Nebenjobs. &bdquo;Wenn die Anbindung durch den ÖPNV besser und häufiger getaktet wäre, wäre es, besonders für junge Menschen, viel einfacher solche Angebote zu nutzen und gleichzeitig außerhalb der Stadt zu wohnen“, kritisiert Luis. Der 22-Jährige studiert an der Hochschule Bielefeld und wohnt ebenfalls in Spenge. &bdquo;Ich bin eigentlich sehr zufrieden. Hier habe ich meinen eigenen Rückzugsort, der es mir ermöglicht, mich nicht nur besser aufs Studium zu konzentrieren, sondern auch mal abzuschalten“, sagt er. Was er jedoch bemängele, sei die ÖPNV-Situation. &bdquo;Auf Abendveranstaltung zu gehen, ist fast unmöglich, wenn man kein Auto hat. Auch der Weg mit Bus und Bahn zur Hochschule dauert fast doppelt so lange wie mit dem Auto. Das schreckt ab“, sagt Luis. &bdquo;Wenn die Verkehrsanbindung in den Kommunen rund um Studienstädte besser wäre, würden wahrscheinlich viel mehr Studierende nicht in der Stadt, sondern auch auf dem Land wohnen wollen“, vermutet der 22-Jährige. &bdquo;Man darf die Kleinstadt wirklich nicht unterschätzen“ Trotzdem ist sein Fazit klar: &bdquo;Zumindest für die Region denke ich, dass es keinen Ort gibt, wo man so gut und einigermaßen schnell an der Uni ist und im Vergleich so günstig wohnen kann. Man darf die Kleinstadt wirklich nicht unterschätzen“, fasst Luis zusammen.

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