"Oskars Kleid" in den deutschen Kinocharts: Regisseur aus Enger redet über seinen Film

Enger. "Oskars Kleid" war einer der ersten Filme, die in Zeiten der Pandemie, im Sommer 2020, gedreht wurden. Immer wieder wurde der Starttermin verschoben. Doch kurz vor Weihnachten war es endlich so weit: Der Film vom Engeraner Regisseur Hüseyin Tabak nach dem Drehbuch von Florian David Fitz kam endlich in die Kinos. Der Drehbuchautor ist auch gleichzeitig einer der Hauptdarsteller der Komödie: Fitz spielt einen Vater, der sein Kind als Sohn großgezogen hat. Doch wie sich herausstellt, ist das Kind eine Tochter. Das stellt die Welt des Vaters auf den Kopf. Der Film scheint beim Publikum gut anzukommen: Er ist in der dritten Januarwoche auf Platz 4 der Deutschen Kinocharts. Hüseyin Tabak hatte noch vor dem Filmstart im Gespräch mit dieser Zeitung einen Blick hinter die Kulissen gewährt. In Ihrem neuen Film &bdquo;Oskars Kleid“ spielen gleich mehrere bekannte Schauspieler mit. Wie war das, mit so großen Namen zu drehen? Das war so, als würde ein Kind in einen Süßwarenladen kommen. Ich hatte Senta Berger, Burghart Klaußner und Florian David Fitz am Set. Und Kida Khodr Ramadan, der dieses Mal eine komplett andere Rolle gespielt hat als sonst. Ich hatte auch ein tolles Team hinter der Kamera, das viel Erfahrung hatte. Das hat absolut Spaß gemacht. Wir hatten ja auch viele Kinderschauspieler und mit Kindern kann ich gut umgehen. Das war schon immer bei meinen anderen Filmen so. Warum kommen Sie so gut mit ihnen klar? Das Geheimnis bei Kindern ist, dass man sie ernst nehmen muss. Ich bin gerade Trainer von der F-Jugend des SC Enger, wo mein Sohn spielt. Das sind auch 7- bis 8-Jährige. Da habe ich gemerkt: Egal, ob Fußballspieler oder Schauspieler – Kindern muss man einfach zuhören. Aber Kinder können noch nicht über den Tellerrand schauen. Man muss sie spielerisch und mit Humor führen. Dann können sie auch damit umgehen, wenn man strenger mit ihnen wird, vor allem wenn die Konzentration nachlässt. Da wissen sie, es wird ernst. Oft liegt mir das Führen von Kindern mehr als von Erwachsenen, weil sie ehrlicher sind. Ich nehme auch immer Kinder, die noch nie beim Film waren, die spielen oftmals authentischer. Standen die Kinder von &bdquo;Oskars Kleid“ auch zum ersten Mal vor der Kamera? Beide haben noch nie vorher geschauspielert. Die Ava (Anm. der Red. Ava Petsch) hat danach noch drei oder vier Kinofilme gedreht. Wenn sie so weiter macht und sie die Schauspielerei noch liebt, werden wir von ihr später noch sehr viel hören. Was hat Sie an der Geschichte des Films gereizt? Bei dieser Geschichte hat es mich gereizt, dass wir in die Welt des Kindes mit einer Transidentität eintauchen - und das aus der Sicht des Vaters. Wenn es ein Film wäre über das Kind, wäre es ein komplett anderer Film. Dann wäre es eher ein Drama. Gereizt hat mich vor allem die Verwirrtheit des Vaters, der nicht weiß, was gerade passiert und der denkt: &bdquo;Was? Ich habe einen Sohn, der ein Mädchen ist?“ Das ist eingebettet in so eine Leichtigkeit und hat trotzdem Authentizität. Ich mag selbst Filme wie &bdquo;Little Miss Sunshine“. Die sind extrem komisch, haben aber auch eine harte Realität und Drama. Das war für mich ein Traum, so etwas selbst zu inszenieren. Auf der sozialen Plattform Tiktok wurde innerhalb der Community von Trans-Personen bemängelt, dass es in dem Film mehr um den Vater geht als um das Kind. Was sagen Sie dazu? Man will natürlich mit dem Film, den man macht, Menschen berühren. Es ist kein Film, der aufklärt und zeigt: Das ist der richtige Weg in so einer Situation. Man darf nicht vergessen, dass Film seine eigene Kunstform ist, wo wir Filmemacher die Farben für das Gemälde aussuchen. Wir haben uns entschieden, diese Geschichte über den Vater zu erzählen und wenn es jemand über die Sicht vom Kind machen will, wär es doch großartig. Wie stehen Sie zu der Diskussion auf Tiktok, die sich um den Film dreht? Wenn jemand nach dem Schauen des Films Kritik äußert, bin ich der Erste, der sich ihr stellt und zuhört. Doch wenn ich lese, was die Menschen jetzt schon über den Film denken, obwohl sie ihn noch gar nicht gesehen haben, weiß ich, dass sie sich schon festgelegt haben. Es gibt auch Menschen mit einer Transidentität, die kritisieren, dass der Film &bdquo;Oskars Kleid“ heißt und nicht &bdquo;Lilys Kleid“. Ich verstehe, was sie damit meinen. Aber es ist eine Geschichte aus den Augen des Vaters. Für ihn ist sein Kind am Anfang des Films der junge Oskar und der hat ein Kleid. Wenn es die Geschichte des Kindes wäre, würde der Film anders heißen. Es gibt auf der anderen Seite Menschen, die kritisieren, dass das &bdquo;woke Ideologie“ sei und kritisieren, dass darüber geredet wird. Wenn sie die Geschichte und das Thema nicht interessiert, müssen sie nicht ins Kino reingehen oder einen Kommentar dazu abgeben. Es läuft auch Avatar, das ist auch ein toller Film. Wenn man dann reingeht und etwas darüber zu sagen hat, dann höre ich gerne zu. Es wurde auch gefragt, ob Menschen aus der Transcommunity an dem Film mitgewirkt haben. Das ist extrem wichtig und da hat Florian David Fitz schon bei seiner Recherche zum Drehbuch Menschen aus der Community das Buch geschickt und das Feedback ernst genommen. Ich habe auch Kinder mit einer Transidentität getroffen und mit ihnen geredet. Das war auf jeden Fall ein Punkt, den wir uns zu Herzen genommen haben. Wie ist es denn zu der Zusammenarbeit mit Florian David Fitz gekommen? Das war sehr lustig, weil ich mir damals mit Elyas M'Barek geschrieben hatte und mit ihm einen Film machen wollte. Er war damals gemeinsam mit Florian David Fitz am Set von &bdquo;Das perfekte Geheimnis“. Elyas hat ihm gesagt, dass er sich unbedingt meinen Film &bdquo;Gipsy Queen“ anschauen soll. Das hat er auch gemacht. Danach haben wir uns in München auf einen Spaziergang getroffen und da hat er mir von der Geschichte erzählt, die er geschrieben hat. Am Ende hat er mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ein Buch (Anm. d. Red. Drehbuch) von anderen zu verfilmen. Später schickte er mir einige Seiten zu seiner Geschichte und ich hab tatsächlich zugesagt, ohne sein ganzes Buch gelesen zu haben. Warum? Die Gespräche mit ihm haben mich überzeugt. Vorher musste ich auch durch eine Art &bdquo;Regie-Casting“, weil auch mit anderen Regisseuren gesprochen wurde. Das waren auch Regisseure, die größere Filme gemacht haben als ich. Ich glaube, er hat aber gespürt, dass ich da keine aufgesetzte Emotionalität reinbringen will. Überzeugt hat ihn vermutlich auch, wie ich Schauspieler führe. Ich lasse ihnen extrem viel Freiraum. Warum sollte man den Film &bdquo;Oskars Kleid“ gucken? Oskars Kleid ist humorvoller Film, der aber an den richtigen Stellen emotionale Tiefe hat. Der Film ist wie eine Achterbahnfahrt. Manchmal nimmt er Fahrt auf, ist total lustig und es kommen ganz viele Szenen hintereinander, die einem Spaß machen. Und dann wird er langsamer und du spürst, dass es um Menschen und ihre Existenz geht. Wenn Menschen unterhalten und emotional getroffen werden möchten, dann sind sie mit Oskars Kleid im richtigen Film. Deshalb passt er auch richtig gut zu Weihnachten, auch wenn keine einzige Schneeflocke fällt oder der Weihnachtsmann zu sehen ist.

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