Kantorin Johanna Wimmer gibt ihre Stelle auf

Enger. Der Silvester-Gottesdienst wird der letzte sein, den Johanna Wimmer als Kantorin in der Stiftskirche mitgestalten wird. Sie gibt ihre Stelle zum Jahresende auf, um sich neuen Aufgaben zu widmen. "Mein Herz brennt dafür, Kindern das Orgelspielen näher zu bringen", sagt die 29-Jährige. Mit ihrer Orgelschule wagt sie den Schritt in die Selbstständigkeit. "Dies nebenher zu meiner Tätigkeit als Kantorin zu machen, funktioniert nicht", sagt die Mutter von zwei Kindern (2 und 4 Jahre). Also musste sie sich entscheiden. Und wer ihr zuhört, wie begeistert sie von ihren Erfahrungen mit Kindern berichtet, denen sie das Orgelspielen näher gebracht hat, versteht schnell, warum sie sich für die Orgelschule entschieden hat."Die Kleinen waren hellauf begeistert" Ein Schlüsselerlebnis war für sie 2013 ein Kinder-Orgelkonzert an der Hochschule in Bayreuth, an der sie studierte. "Den Kindern wurde spielerisch erläutert, wie eine Orgel funktioniert. Und die Kleinen waren hellauf begeistert", erinnert sich Johanna Wimmer.Eine Erfahrung, die offenbar sehr nachhaltig auf die junge Studentin gewirkt hat. Denn zwei Jahre später widmete sie sich in ihrer Diplom-Arbeit dem Thema "Orgelunterricht mit Vorschulkindern".Interaktive Seite mit Lernvideos Ein Jahr darauf trat Johanna Wimmer die Stelle als Kreiskantorin und Kantorin in der Engeraner Stiftskirche an. Der Spaß an der Nachwuchsarbeit ließ sie später nicht los, wobei sie sich vor allem dem Unterricht mit Kindergartenkindern widmete. Unterrichtsmaterial für diese Altersgruppe gab es aber nicht. Also setzte sie sich hin und entwarf ein Lernbuch. Damit können junge Kinder in einem auf sie angepassten Lerntempo die ersten Noten und das Orgelsystem kennenlernen.Damit aber nicht genug: Sie entwickelte Lern-Videos, mit deren Hilfe Kinder auf spielerische Art und Weise die Orgel entdecken können. Auf einer interaktiven Seite können Kinder mit ihren Eltern einzelne Lerneinheiten anklicken und sich anschauen. "In der Corona-Zeit habe ich gelernt, was digital alles möglich ist", sagt die Kantorin. Damit leistet Johanna Wimmer echte Pionierarbeit: "Lernmaterial für so junge Kinder mit interaktiven Inhalten zu entwickeln, macht meines Wissens sonst niemand in Deutschland."Projekt für Kirchengemeinden in Deutschland Ihr neuestes Projekt ist die Orgelwoche, eine Lernwoche für Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren. Das kostenpflichtige Projekt richtet sich bundesweit an Kirchengemeinden, die eine Orgel-Lernwoche für bis zu 30 Kinder anbieten wollen.Innerhalb kürzester Zeit erlernen die Kinder Grundlagen des Notenlesens und des Orgelspiels, sodass sie bereits nach einer Woche in einem "kleinen Konzert" das Gelernte präsentieren können. Auch nach der Orgelwoche gibt es die Gelegenheit, mit digitalen Angeboten zu arbeiten und auf Lernvideos und Downloads zuzugreifen. "Auch für diese Woche in der Ferienzeit habe ich viel Lernmaterial entwickelt", sagt Johanna Wimmer.Erste Interessenten gibt es bereits: Eine Kirchengemeinde in Brandenburg und auch eine Gemeinde im Kirchenkreis Herford haben sich bei ihr gemeldet. Als Dozentin ist sie bundesweit unterwegs, um über ihre Erfahrungen zu berichten, die sie beim Orgel-Unterricht mit Kindern gesammelt hat.Wenn die Beine zu kurz sind "Kinder fahren voll auf das Instrument ab", sagt Johanna Wimmer. Bei keinem anderen Instrument lasse sich die Klangfarbe so verändern und gebe es so viel zu entdecken. Doch wie spielen Kinder eine Orgel "mit zu kurzen Beinen"? Denn schließlich entlockt man der "Königin aller Instrumente" nicht nur mit Händen, sondern auch mit Füßen Töne. Mit einem Aufsatz für das gesamte Pedal könne man sich behelfen, sagt Wimmer. Oder man könne als Behelf einfach einen Stuhl zwischen die Pedalen stellen - damit man nicht so hoch sitzt wie auf der Orgelbank.Eine sehr unkonventionelle Lösung sind Einmachgläser. Wimmer: Schraube man je ein Glas an eine Socke (der Deckel ist in der Socke, das Glas außen am Ballen), habe man eine Fußverlängerung, mit der das Kind, wenn es die Socken anziehe, bis ans Pedal reichen könne. Gläser in unterschiedlicher Größe erlaubten es, die Höhe auf die Kinderbeine abzustimmen.

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