Guter Ausbildungsstart in Enger: Trotzdem fehlen die Azubis

Enger. Für die freie Ausbildungsstelle zum Dachdecker oder zur Dachdeckerin hat Julian Ebmeyer auf vielen Wegen die Werbetrommel gerührt. Auf der eigenen Homepage des Betriebs, beim Arbeitsamt ist die Stelle gemeldet und sogar in den sozialen Medien wie zum Beispiel bei Facebook hat er sie beworben. "Trotzdem hat sich bis zum 1. August niemand gemeldet und die Stelle ist weiterhin unbesetzt", sagt Ebmeyer, Dachdeckermeister aus Enger. Schon seit einiger Zeit sei es eigentlich so, dass wer sich bewirbt, auch eingestellt wird. Eine Entwicklung, von der viele Ausbildungsbetriebe berichten, weil die Bewerber häufig fehlen. Dabei lässt ein Blick auf die Zahlen das auf den ersten Blick nicht vermuten: Sowohl die Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe (HWK) als auch die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen (IHK) vermelden in diesem Jahr einen Anstieg bei den geschlossenen Ausbildungsverträgen. In der Dachdecker-Innung Herford zum Beispiel, zu der auch Enger gehört, wurden bis Ende Juli in diesem Jahr 25 Ausbildungsverträge unterschrieben. Eine deutliche Steigerung zum Vorjahr, in dem es 16 Verträge waren. 481 Ausbildungsstellen im Kreis Herford unbesetzt Auch die Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe vermeldet bei den abgeschlossenen Lehrverträgen ein Plus von 8,7 Prozent zum Vorjahreszeitraum. OWL-weit wurden in diesem Jahr 280 Arbeitsverträge mehr als noch 2020 geschlossen. Der IHK wurden im Kreis Herford bis zum 31. Juli 801 abgeschlossene Ausbildungsverträge gemeldet. Auch hier gab es einen Zuwachs von 11,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (720 abgeschlossene Verträge zum 31. Juli 2020). Dennoch sind alleine im Kreis Herford 481 Ausbildungsstellen noch unbesetzt, während 556 Menschen weiterhin auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle sind, wie die Herforder Agentur für Arbeit mitteilt. Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt sei weiterhin schwierig, urteilen die Kammern. Doch warum ist das so? Für Julian Ebmeyer hat das verschiedene Gründe. Einer der Hauptgründe: Noch immer sei die Ausbildung in Teilen der Gesellschaft weniger angesehen als ein Studium. "Dabei besteht nach einer Ausbildung die Möglichkeit, sich beispielsweise fachspezifisch weiterzubilden", sagt er. Außerdem entspreche eine abgeschlossene Ausbildung weiterhin der Hochschulreife. "Es ist dann also möglich, mit Berufserfahrung ins Studium zu starten." Wer nach einer Ausbildung noch die Meisterprüfung ablegt, darf sich sogar "Bachelor Professional" und nach einer Weiterbildung zum technischen Betriebswirt "Master Professional" nennen. Einfluss der Eltern ist entscheidend Sowohl die Handwerkskammer als auch die IHK haben in den vergangenen Jahren viel für die Ausbildung geworben. "Wir haben neben unserem Ausbildungsatlas, der 364 Ausbildungsberufe beinhaltet, Imagekampagnen sowohl auf Messen als auch in den sozialen Medien gestartet", sagt Jörg Deibert, Sprecher der IHK. "Außerdem werben Azubis als Ausbildungsbotschafter in den Schulen für ihre Ausbildungsberufe." Dabei werde der ein oder andere auf seinen Wunschberuf aufmerksam. Dass schlussendlich einige Ausbildungsberufe gefragter sind als andere, die Erfahrung hat auch Ebmeyer gemacht, der selbst als Teil des Berufsparcour den Dachdecker-Beruf an den Schulen vorstellt. "In unserem Betrieb bilden wir neben Dachdeckern auch Zimmerer aus, da haben wir keine Probleme die Ausbildungsstelle zu besetzen", sagt er. "Obwohl beide Berufe im Endeffekt sehr viel miteinander zutun haben und sich in vielen Aufgabenbereichen ähneln." Ein erheblicher Unterschied sei jedoch, dass die Zimmerer in Bielefeld zur Berufsschule gehen, während die Dachdecker zum Blockunterricht ins Sauerland müssen. Ob das jedoch der entscheidende Faktor ist, da ist Ebmeyer sich nicht sicher. "Viel entscheidender ist der Einfluss der Eltern", sagt er. Fachkräfte mit Berufserfahrung sind gefragt Das beschreibt auch Stefan Lewe, Obermeister der Dachdecker-Innung Herford. "Schon häufiger habe ich mitbekommen, dass die Eltern sich gegen eine Dachdecker-Ausbildung für ihre Kinder entscheiden und die Kinder sich von dieser Entscheidung beeinflussen lassen." Das Sicherheitsrisiko im Dachdecker-Beruf sei dabei beispielsweise ein Thema. Dabei arbeite natürlich niemand ungesichert auf dem Dach. "Und wir beobachten, dass junge Menschen, die eigentlich schulmüde sind, von ihren Eltern dazu überredet werden weiter zur Schule zu gehen oder zu studieren", sagt Lewe. Dies treffe aber nicht nur auf den Dachdecker-Beruf zu, sondern sei generell ein Problem, bestätigt auch Deibert. Dabei seien gerade Fachkräfte mit Berufserfahrung auf dem Arbeitsmarkt gefragt, sagt der Sprecher der IHK. "Das Attraktive an ihnen ist, dass sie praktische Kenntnisse vorweisen können", sagt Lewe. Wie schon im vergangenen Jahr haben die Kammern bereits angekündigt, dass auch in diesem Jahr ein verspäteter Ausbildungsstart möglich ist. Auch die Lehrstellenbörse der Handwerkskammer ist dafür weiterhin freigeschaltet. Doch auch in der Firma Ebmeyer ist ein verspäteter Ausbildungsbeginn zum Dachdecker noch möglich. "Wer eine Ausbildung machen möchte, kann sie bei uns bekommen", sagt Ebmeyer.

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