Rasant wachsende Altersarmut in Bünde bringt Sozialamt ans Limit

Bünde. &bdquo;Wir versuchen, uns irgendwie über Wasser zu halten. Es gibt verschiedene Strategien, wie man das hinkriegt, aber irgendwann klappt das nicht mehr.“ So gut es eben ging, machte Sozialamtsleiter Stefan Bohnhorst im jüngsten Sozialausschuss gute Miene zum bösen Spiel. Das gelang ihm auch über weite Strecken. Am Ende war sein Hilferuf aber kaum zu überhören. Nach seinem alarmierenden Bericht über die laufende Arbeit des Sozialamtes reagierte Ulf Dreier von der SPD zunächst mit Sarkasmus: &bdquo;Das ist ja erschreckend, dass es in fast allen Bereichen steigende Zahlen gibt. Aber ich weiß ja, dass das Sozialamt in Bünde in Hülle und Fülle Mitarbeiter im Schrank stehen hat, um diese Aufgaben zu erfüllen.“ Als Dreier sehr schnell wieder ernst wurde, fragte er den Amtsleiter, ob angesichts der in Wirklichkeit sehr knappen personellen Ressourcen beim Sozialamt aufgestockt werden müsse. Daraufhin redete Bohnhorst Klartext – jedenfalls gemessen daran, dass er sich in einer öffentlichen Ausschusssitzung befand. Zum Hintergrund: Warum jüngere Menschen in Bünde schon jetzt über ihre Pflege nachdenken sollten Nur drei von fünf Stellen beim Bünder Sozialamt sind besetzt &bdquo;Wir planen natürlich und wissen, dass wir nächstes Jahr anders aufgestellt sein müssen. Aber wir wären froh, wenn wir jetzt überhaupt die fünf Sachbearbeiter hätten, die wir bräuchten. Wir haben zurzeit drei und von denen wissen wir, dass zwei aus den unterschiedlichsten Gründen auch wieder gehen werden“, sagte Bohnhorst. Anstatt über personelle Aufstockung zu reden, ginge es also erst einmal darum, die jetzt schon vorhandenen Stellen überhaupt zu besetzen. &bdquo;Wir sind froh, wenn Personal kommt und auch im nächsten Jahr noch da ist. Das ist unser Problem.“ Aktuell würde man den Arbeitsaufwand mit viel Routine des vorhandenen Personals sowie der Konzentration auf die wichtigsten Aufgaben schaffen. &bdquo;Das geht eine Zeit lang, bis es dann Auswirkungen hat. Bei den Antragslaufzeiten sind wir jetzt bei zwei Monaten und es liegen derzeit 50 offene Anträge auf dem Tisch“, sagte Bohnhorst. Ältere besonders betroffen: Deutlich mehr Privatinsolvenzen Zahl der Asylhilfeempfänger in Bünde ist gesunken Dass die Zahl der Anträge sowie die daraus folgenden Berechnungen und Prüfungen in der Zukunft wohl weiter steigen wird, hatte er zuvor in seinem Bericht deutlich gemacht. Denn während die Zahl der Asylhilfeempfänger in Bünde zwischen Ende 2016 und Ende 2024 von 450 auf 76 Personen gesunken ist, gibt es in anderen Bereichen deutliche Zuwächse. So ist die Gesamtzahl aller Sozialhilfeempfänger in Bünde seit dem Jahr 2020 von 665 auf 743 Personen Ende 2024 gestiegen. &bdquo;Bei der Frage, warum das so viele sind, landet man schnell bei Personen, die im Rentenalter sind“, verwies Bohnhorst auf die entsprechenden Zahlen. Nach Angaben des Bünder Sozialamtes ist die Zahl der Personen, die älter als 65 Jahre sind und bei der Sicherung ihres Lebensunterhaltes finanziell unterstützt werden, von 259 Personen im Jahr 2020 auf 358 im Jahr 2024 angewachsen. Zum Thema: Frauen besonders oft von Altersarmut betroffen - Herforder Finanzexpertin will helfen Bei immer mehr Älteren reicht die Rente nicht zum Leben &bdquo;Die Zahl steigt nicht erst seit 2020, sondern schon seit ein paar Jahren vorher. Ob das der Beginn einer exponentiellen Entwicklung ist, weiß ich nicht, aber da spielt die Demografie als wesentlicher Effekt mit rein“, sagte Bohnhorst. Es würde zwar versucht, die Entwicklung durch Sozialreformen wie die Mütterrente oder beim Wohngeld abzufedern, aber an der &bdquo;großen demografischen Entwicklung“ könne man nichts ändern. &bdquo;Die Zahlen werden weiter steigen, solange die Babyboomer massiv in Rente gehen und deren Rente nicht ausreicht“, verdeutlichte Bohnhorst. Zwar drückt die Wohngeldreform im Jahr 2023 die Zahlen der Sozialhilfeempfänger, für Entlastung bei den Sozialämtern sorgt das aber nicht, da diese auch die Wohngeld-Anträge bearbeiten. Da die Einkommensgrenzen für den Bezug von Wohngeld angehoben wurden, können auch hier viele Rentner, die zuvor keinen Anspruch hatten, nun einen Antrag stellen. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford Zahl der Wohngeldempfänger steigt ebenfalls Aufgrund der einzuhaltenden Grenzen bei Einkommen, Vermögen und anderen Kriterien, ist die Prüfung dieser Anträge sehr aufwendig und muss mitunter mehrmals pro Jahr stattfinden. Mit Inkrafttreten der Wohngeldreform ist die durchschnittliche monatliche Anzahl der Bünder Haushalte, die Wohngeld empfangen, von 253 im Jahr 2022 auf 409 im Jahr 2023 gestiegen. Ende 2024 lag die Zahl bereits bei 554 Haushalten. Dass das kein Bünder Phänomen ist, zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Landesamtes in NRW. Demnach haben Ende 2024 knapp 324.000 Haushalte in NRW Wohngeld bezogen. Das waren rund 23.500 Haushalte mehr als ein Jahr zuvor. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Wohngeld-Plus-Gesetzes sei dies der höchste Stand seit der Sozialreform 2005 (Hartz IV). Bohnhorst sagte gegenüber dem Sozialausschuss, dass er in diesem Bereich mit weiteren Steigerungen rechnet, da Menschen erfahrungsgemäß nach einer Reform nicht sofort wüssten, dass sie anspruchsberechtigt sind. Dies würde erst mit Verzögerung bei ihnen ankommen. Das alles werde voraussichtlich weiterhin zu einer steigenden Zahl von Berechnungen und damit zu mehr Arbeit aufseiten des Sozialamtes führen.

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