Fleischhändler auf Bünder Wochenmarkt: Sind Bauern, Schlachter und Fleischesser allesamt Mörder?

Bünde. Okay, vermutlich muss ich damit leben, dass ich bei allen unten durch bin, die die Leserbriefe zum Artikel über einen jungen Landwirt selbst verfasst haben oder die Meinung der Verfasserinnen und Verfasser in aller Konsequenz teilen. Das wäre schade, aber wenn es so ist, dann ist es so. Allerdings würde eine solche Haltung keinen sachlichen Austausch mehr über ein Thema stattfinden lassen, das die Gesellschaft mehr und mehr in zwei Lager teilt: Fleischesser und Nicht-Fleischesser. Ein junger Landwirt, über den die Neue Westfälische neulich geschrieben hat, will etwas besser machen. Besser als die industriellen Fleischproduzenten, bei denen die Gewinnmaximierung an erster Stelle steht und denen es im Grunde egal ist, wie die Schweine, Rinder und Hühner ihr Dasein bis zur Schlachtung fristen – Hauptsache ist doch, die werden nicht krank. Das macht das Fleisch womöglich unverkäuflich. &bdquo;Weniger Fleisch, dafür gutes“ Und sterben müssen sie doch sowieso. Warum sollen sie es also besonders gut haben – mit viel Auslauf und so? Keine Sorge. Das war ein Ausflug in die perfiden Gedanken einiger Fleischproduzenten. Zurück zum jungen Landwirt, der sich vom &bdquo;normalen Sauenbetrieb“ – so nennt er es – losgesagt hat, weil er will, dass Schweine ihren natürlich Trieben nachgehen können. Sie können sich bei ihm im Matsch suhlen und wühlen. &bdquo;Lieber weniger Fleisch, aber dafür gutes“, sagt er. Ja, natürlich steht am Ende der Tod seiner Schweine, deren Fleisch zu Wurst, Steak, Schnitzel und weiteren Produkten verarbeitet wird. Die Verfasser der eingangs erwähnten Leserbriefe würden sagen, dass die Tiere &bdquo;ermordet“ wurden, damit sich &bdquo;Egoisten“ ihren &bdquo;schlechten Angewohnheiten“ hingeben können, womit das Verzehren von Fleisch gemeint sein dürfte. Mit dem Ausruf &bdquo;Mord bleibt Mord!“ endet auch einer der Leserbriefe. Der junge Landwirt, der etwas besser machen will, bekommt hier also was um die Ohren gehauen. Er wird verurteilt – als Mörder. Lesen Sie auch: Neuer Händler auf dem Bünder Wochenmarkt: Er setzt auf besondere Schweinerasse Ist Fleischkonsum egoistisch oder am Ende sogar Mord? Wenn ich persönlich auch davon ausgehe, dass den Absendern der Leserbriefe der sachliche Fehler bewusst sein wird, will ich dennoch klarstellen: Mord ist ein juristischer Begriff und bedeutet, dass JEMAND vorsätzlich den Tod eines anderen MENSCHEN herbeiführt. Damit will ich Tiere in keiner Weise herabwürdigen. Die Unterscheidung trifft der Gesetzgeber – also doch wir alle. Insofern kann der Begriff &bdquo;Mord“ im Zusammenhang mit dem Töten von Tieren zum Verzehr nur eine Metapher sein, die der sachlichen Diskussion allerdings nicht dient. In einen ganz anderen Bereich kommen wir aber, wenn es um die Prophezeiung der Zukunft geht: &bdquo;Eine Zukunft gibt es nur vegan!“, steht da am Ende eines Leserbriefs. Da frage ich mich: Warum gibt es eine Zukunft nur vegan? Und vor allem, wie? Was ist mit denen, die das gar nicht wollen? Was ist mit denen, die gern Fleisch essen? Warum setzt der Leserbriefschreiber für andere eine Zukunft als gegeben voraus? Die Bedürfnisse derer zu ignorieren, die eine Ernährungsweise, die es seit Jahrtausenden gibt, nicht ablehnen, finde ich dann egoistisch und sogar extrem. Schlachten bedeute &bdquo;Abwertung und Gewalt“ Eine Absenderin schreibt: &bdquo;Es ist überhaupt nicht mehr nötig, Fleisch zu essen, um zu überleben.“ Zum Überleben ist es vielleicht nicht nötig. So wie vieles nicht zum Überleben nötig ist: Autofahren, Kreuzfahrten, Flugreisen. Manches ist sogar potenziell gesundheitsgefährdend, auf längere Zeit mitunter tödlich: Rauchen, Alkohol. Aber wer nimmt sich jetzt das Recht heraus, erwachsenen, mündigen Menschen zu sagen: &bdquo;Das dürft ihr nicht mehr!“? Eine Leserbriefschreiberin forderte, dass die Politik genügend Anreize schaffen müsse, damit Bauern dem System Schlachtung den Rücken kehren mögen. Schlachten bedeutet für sie &bdquo;Abwertung und Gewalt“. Auch das Erziehen unserer Kinder zu &bdquo;Friedfertigkeit und Mitgefühl“ sparte sie nicht aus. Ich wette, dass noch die überwiegende Mehrzahl der Kinder heute zu Friedfertigkeit und Mitgefühl erzogen wird – aber sich dennoch nicht vegetarisch oder vegan ernährt. Von einer &bdquo;verpassten Chance, einen Betrieb wirklich fortschrittlich und zukunftsorientiert zu führen“, schrieb ein Leserbriefschreiber, der im Folgesatz gleich verkündet, dass &bdquo;der Mensch kein Fleisch braucht, um, gesund zu leben“. &bdquo;Gesunde Lebensweise“ kann nicht aufgezwungen werden Erstens: Warum hat der junge Landwirt eine Chance vertan, wenn er seine persönliche Chance doch ganz woanders sieht? Hier werden die eigenen Wertvorstellungen anderen einfach übergestülpt. Und wer nicht komplett dieser Meinung ist, macht ohnehin alles falsch – ist sowieso der Gegner – ist egoistisch. Zweitens: Und da sind wir wieder bei dem, was der Mensch braucht. Man kann den Menschen keine &bdquo;gesunde Lebensweise“ aufzwingen. Auch nicht gesetzlich. Wer das versucht, wird möglicherweise viele, die sich eben nicht vorschreiben lassen wollen, was bei ihnen auf den Tisch kommt, in die Arme von Extremen auf der &bdquo;anderen Seite“ treiben, die das für sich nutzen könnten und sich womöglich als die &bdquo;letzten Verfechter des freien Fleischkonsums in Deutschland“ hinstellen. Das wäre kontraproduktiv. Lesen Sie auch: Alle paar Stunden füttern: Landwirt aus dem Kreis Herford rettet Lämmchen vor dem Hungertod Forderung nach einer gesetzlichen Regelung gegen das Schlachten Es ist ganz bestimmt richtig und wichtig, dass sich bei der Haltung von Tieren viel ändern muss. Ein junger Landwirt tut das und wird dennoch von denen verurteilt, die gegen Massentierhaltung protestieren. Ja, am Ende werden die Tiere geschlachtet, verwertet, gegessen. Ein Vorgang, wie es ihn seit Jahrtausenden gibt. Und weil die Absender der Leserbriefe und deren Brüder und Schwestern im Geiste nach dem letzten Satz gerade Luft holen wollen: Dass es seit Jahrtausenden so ist, soll keine Entschuldigung für Fleischkonsum sein. Denn dafür muss sich niemand entschuldigen. Aber eine Ernährungsweise, eine &bdquo;Angewohnheit“, die seit Tausenden Jahren existiert, per Gesetz zu verbieten, wird nicht funktionieren, sondern die Gräben zwischen zwei Lagern noch vergrößern. Nur Diskussion kann helfen Einzig und allein die sachliche Diskussion darüber, vielleicht auch die Überzeugung zu einer &bdquo;anderen Ernährung“, ohne dabei Vorschriften zu machen, kann hier helfen und letztlich zum Ziel führen. Das passiert aber vermutlich nicht in einem Zeitraum von zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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