Tattoo-Kunst in Bünde: Tätowierer gibt Einblicke in seine Arbeit

Bünde. Das Surren der akkubetriebenen Tätowiermaschinen im Studio hat schon fast etwas Beruhigendes und ähnelt dem eines kleinen Rasierapparats – nur dass hier keine Haare fallen, sondern Farbe in die Haut befördert wird. 100 bis 120 Stiche pro Sekunde sind sicher leichter zu ertragen als ein Stich von Hand alle paar Sekunden. Jedenfalls sehen die Kunden im &bdquo;Ink District“ an der Eschstraße entspannt aus – meistens jedenfalls. Vor einem Jahr ist das Tattoo-Studio in die Innenstadt umgezogen. Seitdem ist das Publikum deutlich älter geworden. Der Kunde von Studio-Inhaber Dustin Müller ist Ende fünfzig und gehört damit noch nicht zu den ältesten, die sich tätowieren lassen. Tattoo-Trends damals und heute Ein paar Meter weiter verewigt Tätowiererin Leah Huntebrinker bei einer Krankenschwester aus Bad Oeynhausen gerade ein besonderes Symbol auf dem Unterschenkel, das in der jüngeren Vergangenheit zu einem richtigen Trend-Tattoo geworden ist: das Symbol für Organspende. In dieser Version noch leicht verziert mit zarten Ästen und Blättern. Aber was ist beim Tätowieren überhaupt ein Trend? Hat das gute alte Steißtribal – als Vulgarismus besser bekannt als &bdquo;Arschgeweih“ – ausgedient? In den Neunzigern und bis in die Zweitausender Jahre hinein war es besonders beliebt bei jungen Frauen, die sich das meist symmetrische Gebilde, das einem Hirschgeweih ähnelt, über dem Steißbein tätowieren ließen. Nicht wenige werden den Tag, an dem die Entscheidung zu dieser Jugendsünde fiel, heute verfluchen. Einige stehen aber auch dazu. Hier und da ist sogar zu lesen, dass es wieder in Mode kommen soll – ebenso wie mancher Kleidungsstil aus früheren Jahren. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von 𝐈𝐍𝐊 𝐃𝐈𝐒𝐓𝐑𝐈𝐂𝐓 𝐁Ü𝐍𝐃𝐄 (@inkdistrictbunde) Organspende als Tattoo-Trend Dustin Müller muss bei der Frage nach Arschgeweihen lachen. Mit seinen 34 Jahren ist er noch zu jung, um in der Hochphase dieser Steißverzierung selbst Hand an eine Tätowiermaschine gelegt zu haben. Er schüttelt den Kopf und sagt: &bdquo;Nein, die Zeiten sind hoffentlich vorbei.“ Die Krankenschwester, deren Unterschenkel die 25-jährige Leah Huntebrinker mit dem Organspendesymbol verziert, sagt: &bdquo;Das ist ein Symbol, mit dem ich mich als Krankenschwester selbst sehr stark identifizieren kann. Eben beruflich, aber auch aus Überzeugung.“ Mehr zum Thema: Ausweis, Register und Tattoo: Was Sie zur Organspende wissen müssen Wie der Mittdreißigerin ging es in den vergangenen zwei Jahren vielen Menschen. &bdquo;Das Symbol haben wir bestimmt fünfzig- oder sechzigmal gestochen“, sagt Leah Huntebrinker. Und doch war nicht jedes Symbol in der Haut gleich. Mehrere Stunden für einen Arm Die Tätowiererin gibt auch den recht einfachen und klaren Kanten des Organspendesymbols das gewisse Etwas. So lässt sie innerhalb der Linien mit extrem feiner Nadel Farbverläufe von tiefem Schwarz zu einem blassen Farbton entstehen. Ein Hingucker allemal. Später wird sie einer Frau Anfang Zwanzig noch einen Schmetterling stechen, der auf einer Blume sitzt und der den halben Rücken bedeckt. Farbverläufe schafft sie mit feiner Spitze, die aus nur drei Nadeln besteht. Doch es geht auch anders. Bei Dustin Müller und seinem Kunden geht es vier Meter weiter schon etwas rustikaler zu. Mehrere Stunden bearbeitet der Tätowierer den linken Arm des Mannes. Hin und wieder muss da auch eine Zigaretten- und Kaffeepause am Hintereingang drin sein. Jede Haut reagiert anders Das Motiv ist ein Gebilde aus Mandalas und Mustern aus feinen Linien, sich überschneidenden Kreisen und Farbverläufen. Der aufwendige Hautschmuck bedeckt den kompletten Arm von der Schulter bis zur Hand. &bdquo;Man kann bei größeren Arbeiten vorher noch nicht genau sagen, ob man in einer Sitzung fertig wird, oder ob man einen zweiten Termin braucht. Das ist ganz individuell“, sagt Ink District-Inhaber Dustin Müller. Lesen Sie auch: Hohe Nachfrage im Tattoo-Studio: So tragen Löhner ihre Körperkunst Individuell heißt hier, dass die Kunden – besser gesagt deren Haut – unterschiedlich reagieren. &bdquo;Ich merke irgendwann, dass die Haut keine Farbe mehr annimmt. Man darf ja nicht vergessen, dass das Tätowieren erst mal sehr kleine Verletzungen verursacht. Und je nachdem, wie schnell und aktiv das Lymphsystem ist, bildet sich früher oder später Wundwasser, das die frische Farbe wieder aus der Haut schwemmt“, erklärt Müller. Wie jeder Künstler, der auf Papier oder Leinwand arbeitet, haben auch Tätowierer ihre Stilrichtungen. Bei Leah Huntebrinker sind es Schriften sowie &bdquo;Fineline“ und &bdquo;Mikrorealismus“ – also kleine, aber sehr real wirkende Motive. 25 Nadeln in einer Spitze Dustin Müller ist der Allrounder im Team, liebt Mandalas und auch Schriften, kann sich aber besonders für das sogenannte &bdquo;Dotwork“ begeistern – also Motive, bei denen er gezielt kleine Punkte setzt. Je dichter die Punkte beieinanderliegen, desto dunkler die Fläche. Bei seinem Kunden setzt er aber auch eine Spitze an, die man im Vergleich zur reinen Malerei als Flächenpinsel bezeichnen würde. Sie ist etwa einen Zentimeter breit und besteht aus 25 einzelnen, nebeneinander angeordneten Nadeln. Damit lassen sich größere Flächen schnell füllen, aber eben auch Farbverläufe schnell realisieren. Der Einsatz dieser Spitze scheint auch beim Kunden Eindruck zu hinterlassen, der danach mit Kaffee und Zigarette für einige Minuten draußen entspannt. Das Durchschnittsalter der Kunden ist gestiegen Anfang Dezember 2023 hat Dustin Müller sein Tattoo-Studio an der Eschstraße eröffnet. Allerdings nicht im Rahmen des NRW-Programms zur &bdquo;Stärkung der Innenstädte und Zentren“ mit zweijähriger vergünstigter Miete für Geschäftsräume, sondern mit einem regulären Mietvertrag. Kurios: 80-Jährige aus dem Kreis Gütersloh hat sich Logo des SC Verl tätowieren lassen Zuvor war das Geschäft an der Engerstraße in Hunnebrock beheimatet. &bdquo;Seit wir hier in der Innenstadt sind, haben wir hier auch schon Besuch von Menschen gehabt, die 70 Jahre und älter sind. Das war vorher nicht so. Das Durchschnittsalter unserer Kundschaft ist seit dem Umzug gestiegen. Die Leute kommen auch mal kurzentschlossen rein und holen sich einen Beratungstermin.“ Das Team besteht neben Dustin Müller und Leah Huntebrinker auch aus Stephen Jenkins, dem Oldie mit mehr als 30 Jahren Erfahrung. Jenkins’ Spezialität sind unter anderem Maori-Motive. Persönliche Leidenschaften als Tattoo-Symbole Trends in den Motiven, die sich Menschen in der Haut verewigen lassen, sieht Dustin Müller vor allem in Verbindung zu persönlichen Erlebnissen, Interessen und Leidenschaften. Handwerker lassen sich zum Beispiel ein Symbol für ihren Beruf oder ihre Zunft tätowieren. Er selbst ist neben seinem Beruf ehrenamtlich aktiv in der Bünder Feuerwehr. Ein Feuerwehrkamerad hat sich bei ihm mit einem besonderen Wunsch angekündigt, den Dustin Müller selbst absolut nachempfinden kann: &bdquo;Der bekommt von mir das Symbol für ’Retten – Löschen – Bergen – Schützen’ tätowiert. Die Hauptaufgaben der Feuerwehr“, sagt Müller.

Meistgelesen