Bünder Herzkatheterlabor wird aufgelöst: Kardiologe wechselt zum Klinikum Schaumburg

Bünde. Das Bild der Medizin wandelt sich stetig. Wo es früher noch viele kleine Facharztpraxen in den Händen einzelner Mediziner, oder einer kleinen Gruppe von heimischen Ärztinnen und Ärzten gab, stehen heute nicht selten Multi-Millionen oder gar Milliarden schwere Konzerne hinter großen Versorgungszentren. Eine Entwicklung, die unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit und Effizienz nachvollziehbar ist. Dem Kardiologen Gerd Fuhrmann widerstrebt diese Entwicklung. Für den 68-Jährigen ist Schluss an der Brunnenallee in Bünde. Fuhrmann war in den ersten sechs Jahren zusammen mit den Medizinern Claudia Bruelheide und Stefan Ernst sowie der Diranuk Gesellschafter der Kardio-Diranuk Bünde GbR. Später war die Diranuk Alleingesellschafterin. Die Idee war damals die Schaffung einer &bdquo;eigenen Versorgungseinrichtung mit angenehmer Atmosphäre, die auch die menschlichen Bedürfnisse berücksichtigt“, sagt der Mediziner in einem Gespräch mit der NW zu seinem Abschied aus Bünde. &bdquo;Unser Ziel war es, den Menschen in den Vordergrund zu stellen und nicht die Diagnose oder die DRG. Wir wollten Zeit für Patientengespräche auf Augenhöhe haben und dabei das soziale, individuelle Umfeld berücksichtigen“, gibt der Kardiologe einen Einblick in den damaligen Grundgedanken. Kritik an Abrechnungssystem der Krankenkassen DRG ist die Abkürzung für &bdquo;Diagnosis Related Groups“, was ein Klassifikationskonzept beschreibt, in dem Erkrankungen in unterschiedliche Gruppen eingegliedert werden – so genannte Fallgruppen. Je nach Fallgruppe gibt es pauschale Beträge, die ein Krankenhaus oder die jeweilige medizinische Einrichtung mit den Krankenkassen abrechnen kann. Das System steht auch vielfach in der Kritik. Warum, wird am Beispiel einer Blinddarmentzündung deutlich. So ist für einen Patienten mit dieser Diagnose bei Entfernung des Blinddarms ein Betrag &bdquo;X“ vorgesehen, den das Krankenhaus abrechnen darf. Je weniger Aufwand das Krankenhaus mit dem Patienten betreibt, desto größer ist der Ertrag. Bleibt der Patient beispielsweise einen oder zwei Tage länger stationär in Behandlung, kann es passieren, dass der Aufwand den Betrag des im DRG-System für Blinddarmentzündung mit einem operativen Eingriff vorgesehenen Werts übersteigt. Dann war diese Behandlung für das Krankenhaus finanziell ein Verlustgeschäft. &bdquo;So zu arbeiten, stand aber bei uns nie im Interesse“, sagt Gerd Fuhrmann. Der Chefarztvertrag mit dem Lukas-Krankenhaus wurde zur Gründung des Zentrums für interventionelle Kardiologie und Angiologie in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst. Lesen Sie auch: &bdquo;Es wird absurd“ - Überlastete Fachärzte aus OWL fordern Gebühren für Patienten Der erste Patient war eine Herausforderung Der Herzspezialist erinnert sich: &bdquo;Gleich der erste Patient war eine Herausforderung.“ Denn bei ihm ging es nicht nur um eine schwere Herzerkrankung mit der Notwendigkeit zur Bypass-OP, sondern um einen zusätzlichen Eingriff an der Halsschlagader, in die ein Stent zur Aufweitung des verstopften Blutgefäßes eingesetzt wurde. Später, nachdem das Lukas-Krankenhaus mit Thomas Wege auch über einen kardiologischen Chefarzt verfügte, wurden im neu gegründeten Zentrum auch akute Herzinfarkte versorgt. Fuhrmann führte im Laufe der Zeit auch Spezialverfahren ein, zum Beispiel die Ultraschalluntersuchung oder optische Kohärenztomographie innerhalb eines Blutgefäßes und Verfahren, um verkalkte Gefäße am Herzen wieder durchlässig zu machen. &bdquo;Wir gingen im Herzkatheterlabor schon früh über die Arterie am Unterarm zum Herzen vor, anstatt über die Leiste, wie es damals noch andere Labore machten“, so Fuhrmann. Mit der Zeit wuchs das Vertrauen der zuweisenden niedergelassenen Ärzte und der Patienten, die auch aus weit überregionalen Gebieten zur Behandlung nach Bünde kamen. Das belege laut Fuhrmann eine &bdquo;außergewöhnlich hohe Zufriedenheit“, die aus einer Patientenbefragung hervorgehe. Die Patienten vergaben laut dem Mediziner &bdquo;ausschließlich die Note sehr gut“. Mehr zum Thema: Experten in Bünde behandeln gefährliche Engstellen am Herzen Wechsel zum Klinikum Schaumburg Im weiteren Verlauf übernahm die Diranuk, die zuvor Mitgesellschafterin war, alle Gesellschafteranteile. Die Diranuk ist eine überörtliche Gemeinschaft für diagnostische und interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin. Sie wurde 2023 an die Life Link Medical GmbH veräußert. Wie Fuhrmann weiter berichtet, hat die Diranuk das Herzkatheterlabor bereits 2022 an das Lukas-Krankenhaus verkauft. Diesem Schritt lagen gesetzliche strukturelle Vorgaben zugrunde, denn eine Klinik mit einer Kardiologie musste Eigentümerin eines entsprechenden Labors sein. &bdquo;In diesem Jahr wurde dann der Kooperationsvertrag mit dem Lukas-Krankenhaus gekündigt und unsere Praxis hier zum 30. September von Life Link aufgelöst“ bedauert Gerd Fuhrmann. Und weiter: &bdquo;Somit besteht ab dem 1. Oktober zu unserem tiefen Bedauern keine Möglichkeit mehr, die Herzen unserer Patienten zu untersuchen und zu behandeln.“ Es sei Fuhrmann und seinem Team ein großes Bedürfnis, den vielen Kolleginnen und Kollegen, die an das Zentrum geglaubt und es unterstützt haben, zu danken. Ebenso den vielen liebgewonnenen Patienten dankt Fuhrmann für das Vertrauen. &bdquo;Für uns waren ihre Herzen das Herz aller Dinge.“ Lesen Sie auch: Was sagt der neue Klinik-Atlas über die Qualität der Kreiskliniken Herford-Bünde aus? Doch so ganz zur Ruhe setzt sich der Mediziner nicht. Er werde dem Wunsch vieler Kollegen und der Geschäftsführung entsprechend im Klinikum Schaumburg tätig sein. Merklich betrübt stimmt Gerd Fuhrmann allerdings die beruflichen Veränderungen für seine seit heute ehemaligen Mitarbeiterinnen. Eine sei 64 Jahre alt und müsse für den vollen Rentenanspruch noch etwas mehr als zwei Jahre als Medizinische Fachangestellte in einem nunmehr neuen Team arbeiten. Gerd Fuhrmann hofft inständig, dass die Mitarbeiterinnen eine &bdquo;erfüllte Zukunft vor sich haben und ihre bislang auf höchstem Niveau erbrachte Arbeitsleistung weiterhin in den Dienst und zum Wohl der Patienten“ stellen können.

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