108 Meldungen von Kitas aus dem Kreis Herford wegen Erzieher-Mangels

Bünde/Kirchlengern/Rödinghausen. Das Handy klingelt. Auf dem Display erscheint die Nummer der Kita: &bdquo;Wir haben mehrere Krankheitsausfälle. Können Sie Ihr Kind bitte abholen?“ Eine Situation, die viele Eltern kennen. Denn kreisweit wurde im vergangenen Kita-Jahr mehr als 100 Mal Personalmangel an die Behörden gemeldet. Aktuell sieht es nicht besser aus. Ein Beispiel: Die AWO-Kita in Spradow kürzt ab kommenden Montag ihre Betreuungszeiten auf vier Tage pro Woche. Konkret hat eine Recherche von &bdquo;Correctiv.Lokal“ und &bdquo;Frag den Staat“ in Kooperation mit der Bünder Lokalredaktion ergeben, dass die Aufsichtsbehörden im Kreis Herford zwischen dem 1. August 2022 und dem 31. Juli 2023 in mindestens 108 Fällen eine Meldung erhalten haben, dass aufgrund von Personalmangel die vereinbarte Betreuung nicht mehr gewährleistet werden kann. Solche Meldungen sind immer dann gesetzlich vorgeschrieben, wenn &bdquo;Ereignisse oder Entwicklungen“ in der Kita das Kindeswohl gefährden könnten. Dazu zählt auch, wenn Kitas den vorgegebenen Personalschlüssel unterschreiten. Die grundsätzliche Idee hinter diesem Meldesystem: Die Aufsichtsbehörden sollen die Träger beraten und mit ihnen Maßnahmen zur Sicherstellung des Kindeswohls abstimmen. In Bünde wurden im aktuellen Fall sowohl das Bünder als auch das Landesjugendamt informiert, das zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gehört. Die Folgen für die Eltern Festgeschrieben ist der Personalschlüssel im Kinderbildungsgesetz, erklärt Pressereferent Markus Fischer vom LWL: &bdquo;Wenn ein Träger diese Mindestbesetzung nicht einhalten kann, muss er prüfen, welche Maßnahmen er ergreifen kann, um trotzdem eine Betreuung zu ermöglichen. Zu diesen Maßnahmen kann auch eine Reduktion der Betreuungs- oder Öffnungszeit gehören.“ So wie jetzt in Spradow: Die Einrichtung bleibt zwar von montags bis freitags geöffnet, die Kinder können aber nur noch an vier Tagen vor Ort betreut werden. Das soll laut AWO-Bezirksverband gewährleisten, dass alle fünf Gruppen der Kindertagesstätte mit jeweils weniger Kindern geöffnet bleiben könnten. Auch kurzfristige Personalausfälle aufgrund von Krankheit könnten dadurch aufgefangen werden. &bdquo;Im Alltag ist eine solche Maßnahme eine große Entlastung für unser Team, weil wir in kleineren Gruppen auch mit weniger Fachkräften unserem pädagogischen Auftrag viel besser gerecht werden können“, hatten die Einrichtungsleiterinnen Sarah Meier und Nadine Reche zuletzt in einer Mitteilung gegenüber der NW erklärt. Aktuell sind in ihrer Einrichtung sechs Fachkraft-Stellen und eine Ergänzungskraft-Stelle jeweils in Voll-/Teilzeit unbesetzt. Teil- und Gruppenschließungen In einem Fall wie diesem müssen zwar die Behörden zwingend informiert werden, die Eltern aber können nur auf die Situation reagieren. Zwar empfiehlt das Landesjugendamt den Trägern, den Elternbeirat in Entscheidungen mit einzubeziehen, ein Muss ist das allerdings nicht, sagt Fischer. Die Bünder Kita ist zwar die erste, die eine Vier-Tage-Woche einführt, allerdings nicht die einzige, die mit den Folgen von Personalmangel zu kämpfen hat: Im vergangenen Kita-Jahr sind an den kreisweit 137 Einrichtungen 23 Mal die Betreuungszeiten reduziert worden. In 19 Fällen gab es Teil- oder Gruppenschließungen und in drei Fällen wurde das Angebot laut Statistik nicht eingeschränkt. Wie viele der hiesigen Kitas betroffen waren, haben die zuständigen Behörden nicht mitgeteilt. Auch über die Länge der Teilschließungen liegen keine Informationen vor. Meldepflicht wird unterschiedlich ausgelegt Bei der Recherche ist zudem deutlich geworden, dass die Träger die Meldepflicht zum Teil unterschiedlich streng auslegen. Deshalb sind die 108 Meldungen nur eine Mindestzahl und können eine Tendenz aufzeigen. Daher ist ein Vergleich nicht aussagekräftig. Ein Blick auf die bislang vorhandenen Zahlen zeigt aber landesweit eine ähnliche Tendenz: Im Kita-Jahr 2022/2023 musste fast die Hälfte aller Kitas in NRW mindestens einmal akuten Personalmangel an die Aufsichtsbehörden melden. Im Durchschnitt betraf das jede Kita fast dreimal in einem Jahr. Dass der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz bestehen bleibt, ist für betroffene Eltern nur wenig tröstlich. Das Landesjugendamt verweist auf die Zuständigkeit der Stadt beim Thema: &bdquo;Ob gegebenenfalls alternative Betreuungsmöglichkeiten, wie in einer anderen Einrichtung oder durch eine Kindertagespflegeperson, bestehen, hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab.“ In Bünde hat auch für das neue Kita-Jahr nicht jedes Kind einen Platz bekommen, wie uns eine betroffene Mutter berichtet. Sie würde gerne wieder arbeiten, muss aber jetzt das dritte Jahr in Folge zu Hause bleiben. Und allzu bald wird sich daran wohl auch nichts ändern.

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