Bünder steckt fast 300.000 Euro in Sportwetten: „Auf alles kreuz und quer gewettet“

Bünde. &bdquo;Es fing mit Bundesligaspielen an, später habe ich dann auf alles kreuz und quer gewettet, was ging – alle Länder, alle Kontinente, alle Ligen“, erinnert sich Stefan P. (Name von der Redaktion geändert) an seine Glücksspielsucht zurück. Seit August 2017 hat er keine Online-Sportwetten mehr gespielt, ist suchtfrei. Ihm ist es wichtig, seine Geschichte zu erzählen. Denn: 1,3 Millionen Menschen leiden laut Glücksspiel-Atlas in Deutschland an einer Glücksspielstörung, weitere 3,3 Millionen zeigen ein riskantes Spielverhalten. Bei dem Bünder fing das Ganze 2014 relativ harmlos an. Auf dem Sportplatz ist das Thema Sportwetten aufgekommen. &bdquo;Der ein oder andere stand dort mit Wettzetteln vom Anbieter Tipico. Ich habe zwar die Werbung im Fernsehen gesehen und im Radio gehört, mich damit aber sonst nie befasst“. Er habe das Wetten einfach mal ausprobiert. Anfangs noch am Terminal in den Tipico-Läden, später dann über eine Kundenkarte, auf die Geld geladen werden kann, welches dann für Online-Sportwetten am Handy und Computer genutzt werden kann. &bdquo;Am Anfang war es gelegentliches Wetten, dann wurde es sukzessive mehr“, so P. &bdquo;Das Problem ist, dass man die Wetten 24/7 am Handy spielen kann“, schildert er. Irgendwann seien die Verluste so hoch gewesen, dass er sich genötigt gefühlt habe, weiterzuspielen. &bdquo;Am Anfang wusste meine Frau, dass ich gelegentlich Wetten abgebe. Irgendwann war das aber so weit gediehen, dass ich es ihr nicht mehr gesagt habe“, sagt er. Das Geld habe er also nicht vom Konto abbuchen lassen können. &bdquo;Es sollte ja keiner mitbekommen oder davon wissen.“ Als Selbstständiger habe er dann auf seine Tageseinnahmen gesetzt. Irgendwann habe aber auch das nicht ausgereicht, dann habe er sich Geld im Privaten geliehen. &bdquo;Als Selbstständiger ist das am Anfang relativ einfach gewesen, sich auch höhere Summen zu leihen.“ Als die Sucht aufliegt, begibt er sich direkt in Therapie Bis zum 5. August 2017 ging die Heimlichtuerei gegenüber seiner Familie gut, bis seine Frau seine Karten gefunden hat und er sich erklären musste. &bdquo;Ich hatte Schulden beim Finanzamt, bei Lieferanten, Mahnbescheide.“ Das Theater sei groß gewesen, er habe erst mal alles sortieren müssen, um zu wissen, wo wie viel Geld offen ist. Insgesamt habe er 284.000 Euro in Sportwetten investiert. &bdquo;Nachdem es rausgekommen ist, habe ich mich sofort bei der Diakonie in Herford zur Therapie angemeldet“, schildert er. Zweieinhalb Jahre lang – bis November 2020 – habe die gedauert. In Gruppen- und Einzelsitzungen ist er seine Sucht Woche für Woche angegangen. Seine Frau habe auch ein Angebot für Angehörige angenommen. &bdquo;Ich bin froh, dass meine Frau das mit mir durchgestanden hat. Das hätte auch anders ausgehen können. Viele werden auch von ihrer Familie verlassen.“ Bereits zum siebten Mal in der Therapie &bdquo;Das Spielsucht- und Wettproblem zieht sich durch die ganze Gesellschaft. Ich schäme mich für nichts und das müssen andere Betroffene auch nicht“, sagt er. Und appelliert an andere, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, auch wenn es schwer ist und an den Nerven zehren kann. &bdquo;Ich habe noch nie so viele Männer weinen sehen“, sagt er. Manche der Betroffenen seien schon zum siebten Mal dort zur Therapie gewesen, er selbst sei nie rückfällig geworden. Auch sein finanzielles Debakel ist er angegangen. &bdquo;Ich hätte auch den leichteren Weg der Privatinsolvenz gehen können, aber ich wollte niemandem etwas schuldig bleiben“, sagt er. Er sei mit seiner Sucht offen umgegangen, habe Kontakt zur Bank und zum Finanzamt gesucht. Über eine Finanzierung der Bank und mit Unterstützung der Familie sei es ihm gelungen, alle offenen Posten zu begleichen. &bdquo;Auch meinen Betrieb habe ich umstrukturiert und noch einmal zweieinhalb Jahre lang Gas gegeben, ehe ich meine Selbstständigkeit an den Nagel gehängt habe und einen Job angenommen habe“, sagt er. Denn: Auch der berufliche Stress hat eine Rolle bei seiner Sucht gespielt. &bdquo;Ich habe teilweise 70 bis 80 Stunden in der Woche gearbeitet“, sagt er. Das Wetten sei dann ein Ausgleich gewesen. Prominenten Werbegesichtern &bdquo;ist nicht bewusst, was sie anrichten“ P. ist froh, den Weg aus der Sportwettensucht gefunden zu haben, hat schon selbst Treffen für Betroffene abgehalten. &bdquo;Ich würde mir wünschen, dass es auch einen Ansprechpartner bei der Stadt gibt oder zumindest jemanden, der an die richtigen Stellen vermittelt“, sagt er. Gerne würde er auch Prominente, die in der Vergangenheit Werbung für Tipico gemacht haben, im Fernsehen öffentlich zur Rede stellen. &bdquo;Denen ist gar nicht bewusst, was sie anrichten. Ich habe Oliver Kahn mal angeschrieben, aber da kam natürlich nichts“, sagt er. Vielleicht wendet sich für Stefan P. auch in Sachen investiertes Geld alles zum Guten. &bdquo;Tipico und andere Online-Anbieter hatten zwischen 2013 und 2020 keine Lizenz für Online-Glücksspiel in Deutschland. Das Geschäft war illegal“, sagt er. Man könne Spieleinsätze einklagen. Er habe einen Prozesskostenfinanzierer eingesetzt, der 30 Prozent von der verspielten Summe bekommt. &bdquo;Aber das ist eben Geld, bei dem man nicht wusste, dass man es je wiedersehen könnte.“ Infos zu Suchthilfen gibt es bei der Diakonie Herford im Internet.

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