Ärzte aus dem Kreis Herford bewerten das Ende der telefonischen Krankschreibung unterschiedlich

Bünde. Ein Anruf beim Arzt und der &bdquo;gelbe Schein“ kam per Post. Oder man ließ ihn von einem Dritten beim Arzt abholen. Die Corona-Pandemie machte sie plötzlich möglich, die telefonische Krankschreibung. Eine gewaltige Vereinfachung für Patienten und Ärzte. Mit dem 1. April 2023 hat die Regierung diese Möglichkeit nun wieder abgeschafft. Wie es die Kranken finden, dass sie für den kleinen Zettel nun wieder eigens zum Arzt fahren müssen, dürfte klar sein. Und was sagen die Fachleute dazu? Annette Hempen, Geschäftsführerin des Bünder MuM (Medizin und Mehr), schaut noch mal kurz zurück: &bdquo;Wir haben das damals bei der Einführung sehr begrüßt. Erstens wären die Praxen zu Pandemie-Beginn wahrscheinlich sehr schnell sehr überlaufen gewesen, zweitens hätten sich vermutlich viele Leute in den Wartezimmern mit Corona infiziert. Weil man die Gefährlichkeit – letztendlich die Tödlichkeit des Virus – seinerzeit noch gar nicht richtig einschätzen konnte, war das für uns eine ganz schlimme Vorstellung.“ Die telefonische Krankschreibung, so Hempen weiter, habe dann auch von Anfang an sehr gut funktioniert. &bdquo;Unkompliziert und in der Bevölkerung sehr schnell akzeptiert“, sagt Hempen. Wurde von Patienten getrickst? Gab es denn keine Tricksereien? &bdquo;Wenn Sie es unbedingt darauf anlegen, können Sie ihrem Arzt auch in Anwesenheit vorspielen, dass Sie gerade unter Migräne leiden“, sagt Hempen. Will heißen: Sie glaubt nicht, dass die telefonische Krankschreibung dazu geführt hat, dass sich mehr Menschen als sonst unberechtigterweise haben krankschreiben lassen. &bdquo;Dass diese Vereinfachung jetzt wieder abgeschafft wurde, bedauern wir sehr“, sagt Hempen. &bdquo;Wir wollen doch Prozesse vereinfachen, wir wollen doch weniger Bürokratie, wir wollen mehr Digitalisierung. Wir wollen nicht, dass man für alles durch die Gegend fahren muss – das ist jetzt eine echte Rolle rückwärts. Viel zu viel Aufwand für einen rein formalen Akt.“ Von praktizierenden Ärzten habe sie bereits Ähnliches vernommen: &bdquo;Die möchten mehr Zeit für ihre wirklich kranken Patienten haben“, sagt Hempen. Sie nennt – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Beispiel aus der Praxis: &bdquo;Wenn sich eine langjährige Patientin mit Menstruationsbeschwerden oder Migräne meldet und deswegen für ein paar Tage krankgeschrieben werden möchte, dann muss die doch dafür nicht extra zum Arzt kommen. Das ist nicht nur unangenehm für die Betroffene – es hält den Arzt dann auch davon ab, sich um die wirklich Kranken zu kümmern.“ Besonders während der Pandemie geholfen Hausarzt Patrick Diekmann von der Gemeinschaftspraxis Diekmann, Hense & Kollegen hat dazu eine etwas andere Meinung und sieht durchaus den Wunsch der Patienten, in die Praxis zu kommen. &bdquo;In der Gesellschaft ist es tief verankert, persönlich einen Arzt aufzusuchen. Der direkte Patientenkontakt ist fester Bestandteil des Berufes.“ Gleichwohl: Am Anfang der Pandemie, so der Mediziner, habe die Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung extrem geholfen, den Andrang abzumildern und die Wartezimmer nicht unnötig mit Viren zu belasten. Auf eines will der Arzt noch hinweisen: Die Politik habe bereits ein Werkzeug geschaffen, um gewissen Infektionswellen entgegenzutreten und Arztpraxen in diesen Phasen zu entlasten. &bdquo;Die Videosprechstunde ist nicht erst seit der Corona-Pandemie verfügbar. Sie muss nur mehr und richtig genutzt werden“, erklärt der Hausarzt weiter. &bdquo;Über diese Möglichkeit können theoretisch alle Praxen verfügen.“ Florian Lanz, Pressesprecher des GKV-Spitzenverbandes (die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland), ist in Sachen telefonischer Krankmeldung weniger meinungsfreudig: &bdquo;Nachdem die Bundesregierung praktisch alle Corona-Sonderregeln aufgehoben hat, war es nur folgerichtig, auch die Corona-Sonderregel zur telefonischen Krankschreibung zu beenden.“

Meistgelesen