Telefonische Krankschreibung in der Kritik: Gütersloher Arzt wird beim Thema deutlich

Gütersloh. Bundesweit sorgen Monat für Monat neue Höchststände an Krankmeldungen für überlaufene Arztpraxen, auch die Gütersloher Medizinerinnen und Mediziner können sich oft vor Arbeit kaum retten. In der Corona-Pandemie eingeführt und seit Dezember 2023 dauerhaft ins medizinische System integriert soll die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung vor allem die Ärzte entlasten. Nun steht eben diese Möglichkeit allerdings gehörig in der Kritik. Viele Unternehmen sehen eine Korrelation zwischen den steigenden Krankenständen und der Möglichkeit, sich ohne Arztbesuch für eine Woche krankschreiben zu lassen. Unter anderem FDP-Chef Christian Lindner spricht sich für die Abschaffung der telefonischen Krankschreibung aus. &bdquo;Man wird für die Krankmeldung zukünftig wieder zum Arzt gehen müssen und das nicht einfach nur telefonisch erledigen können“, sagte er kürzlich auf einer Veranstaltung des Verbands der chemischen Industrie in Berlin. Eine Aussage, die für gespaltene Meinungen bei Experten in Gütersloh sorgt. Lesen Sie auch: Was Patienten bei der telefonischen Krankschreibung beachten müssen Gütersloher Ärzte müssen ihre Patienten kennen Wolfram Coesfeld unterstreicht zunächst die Vorteile der telefonischen Krankschreibung. &bdquo;Seit sie eingeführt wurde, herrscht in den Praxen der Region weniger Andrang und die Ansteckungsgefahr sinkt“, sagt der Gütersloher Ärztesprecher. Für die Ärztinnen und Ärzte bedeute das eine geringere Belastung und weniger Bürokratie. Wichtig sei vor allem, dass die Mediziner ihre Patienten kennen müssten. &bdquo;Damit es nicht ausgenutzt wird, dass die telefonische Krankschreibung möglich ist“, sagt Coesfeld. Den Unmut der Unternehmen kann er in gewisser Weise nachvollziehen, denn die steigende Anzahl an Krankmeldungen sorge für einen Ausfall der Produktivität. Nicht immer sei aus Sicht des Mediziners am Telefon nachprüfbar, wie krank die Patienten wirklich seien. Er selbst schreibe nur vereinzelt telefonisch Leute krank. Und wenn, dann &bdquo;nur die, die ich gut kenne“. Vor allem das Einschätzungsvermögen der Ärzte sei hierfür unerlässlich, aber auch ein gewisses Arzt-Patienten-Vertrauen. Dass es in einigen Fällen nicht sinnvoll sei, Patienten zur Praxis zu beordern, sieht auch Coesfeld so. Über die Zukunft der telefonischen Krankschreibung kann der Ärztesprecher nur spekulieren. Dauer der Krankschreibung als Ansatzpunkt An ein Fortbestehen glaubt er schon, allerdings möglicherweise unter anderen Voraussetzungen. &bdquo;Man sollte über die Dauer der Krankschreibung nachdenken“, findet Coesfeld. Fünf Kalendertage findet der Mediziner zu lang, er plädiert für eine Maximaldauer von drei telefonisch verordneten Krankheitstagen. Gehe es den Patienten danach nicht besser, müssten sie eben die Praxis aufsuchen. Ohnehin seien 80 bis 90 Prozent der telefonischen Krankschreibungen auf Erkältungskrankheiten zurückzuführen. Eine generelle Regelung gibt es laut Coesfeld aber nicht. &bdquo;Wenn jemand einen Magen-Darm-Infekt hat, kann er ebenso telefonisch krankgeschrieben werden“, sagt der Mediziner. Lesen Sie auch: &bdquo;Braucht nicht mehr zu kommen“: Hausarzt aus Gütersloh greift bei fehlenden Patienten durch Deutlicher wird Mathias Knollmann. Er ist Hausarzt in der Gemeinschaftspraxis an der Brunnenstraße in Gütersloh. Für ihn ist Möglichkeit, Patienten telefonisch krankzuschreiben, eine enorme Entlastung. Oft sei die Untersuchung nur ein bürokratischer Akt, weil Patienten ohnehin nur für die Krankschreibung in die Praxis kämen. &bdquo;Ich bin über die Einführung der telefonischen Krankschreibung sehr dankbar“, sagt Knollmann. Idee wird in Gütersloher Praxis bereits umgesetzt Natürlich gebe es nie eine hundertprozentige Sicherheit darüber, ob die Personen am anderen Ende der Leitung wirklich krank seien. Aber er und sein Praxisteam würden ständig aufpassen, dass niemand die Möglichkeit missbraucht. Das medizinische Fachpersonal sei geschult und wisse, welche Fragen im Zweifel gestellt werden müssten. Zwar sei die Hürde, sich krankschreiben zu lassen, mit der telefonischen Möglichkeit natürlich niedriger. Es sei aber Aufgabe der Ärzte, im Blick zu behalten, welche Patienten wie oft krankgeschrieben seien. &bdquo;Wir kennen unsere Leute“, sagt Knollmann. Ihm zufolge gibt es in der Praxis an der Brunnenstraße nicht mehr Krankschreibungen als in vergangenen Zeiten. Patienten, die eine Krankheit nur vortäuschen würden, seien aus seiner Erfahrung absolute Einzelfälle. Die Idee von Coesfeld, Patienten telefonisch lediglich drei Tage krankzuschreiben, befürwortet Knollmann. &bdquo;Das ist bei uns ohnehin gängige Praxis“, sagt der Mediziner. Gütersloher Arzt unterstreicht die Schweigepflicht Wichtig ist ihm, dass Patienten mit schwereren Symptomen auch weiterhin in die Praxis kommen: &bdquo;Wir achten auch am Telefon auf jegliche medizinische Warnzeichen und nehmen diese sehr ernst“, so Knollmann. Am bewährten System der telefonischen Krankschreibung möchte er auch zukünftig festhalten. Konkrete Zahlen zum Umfang der telefonischen Krankschreibungen gibt es - auch in Gütersloh - laut der AOK Nordwest nicht. Eine Info darüber ist laut AOK-Sprecherin Andrea Elsenplässer im Vordruck der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vorgesehen, &bdquo;würde jedoch dazu beitragen, die Diskussionen um die telefonische Krankschreibung zu objektivieren.“ Lesen Sie auch: Wegen &bdquo;Null Bock“ einfach nicht zur Arbeit gehen? Das sagen Gütersloher Unternehmer Für Knollmann ist dies zukünftig aber keine Option. Aus dem Vermerk könne man potenziell Rückschlüsse über mögliche Krankheiten der Patienten ziehen. &bdquo;Das verstößt gegen unsere ärztliche Schweigepflicht“, stellt er klar. Ohne entsprechende Info ist es allerdings für Unternehmen kaum einzuschätzen, inwieweit die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung von Arbeitnehmern missbraucht wird. Zurückhaltung bei Gütersloher Unternehmen Miele &bdquo;Konkrete Hinweise auf Missbrauch der telefonischen Meldung beim Arzt liegen uns nicht vor. Hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung der Krankmeldungen gehen wir davon aus, dass die hierfür zuständigen Stellen zu einer sachgerechten Lösung kommen werden“, äußerte sich beispielsweise Carsten Nagel vom Gütersloher Unternehmen Miele auf &bdquo;NW“-Nachfrage zurückhaltend zu dem Thema.

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