Landrat des Kreises Herford: "Wir müssen bald Turnhallen wieder in Beschlag nehmen"

Kreis Herford. &bdquo;Wir sind weit über den Flüchtlingszahlen von 2015“, sagt Stefan Schwartze, Bundestagsabgeordneter der SPD für den Kreis Herford. Und wird von Landrat Jürgen Müller bestätigt: &bdquo;Wir bewegen uns auf die Zahlen der Flüchtlingskrise von 2016 zu.“ Viele Kommunen in NRW ächzen derzeit unter der Last, die sie für die Unterbringung der Geflüchteten tragen. Auch deshalb muss Innenministerin Nancy Faeser kommende Woche kurzfristig einen Flüchtlingsgipfel einberufen. Ein Überblick über die Situation im Kreis Herford. Schwartze und Müller hatten beim Frühstück der SPD-Senioren in Bünde das Thema auf die politische Agenda gehoben. Wohlwissend, dass die aktuelle Situation der Geflüchteten bald auch wieder die Bürgerinnen und Bürger deutlicher zu spüren bekommen. Wenn weiterhin Geflüchtete ankommen, &bdquo;sehe ich die Situation so, dass wir wieder Turnhallen in Beschlag nehmen müssen“, sagt Landrat Jürgen Müller: &bdquo;Das macht mich betroffen.“ Denn bisher sind in den Kommunen im Kreis Herford die Geflüchteten zu einem Großteil privat oder in gemeindeeigenen Wohnungen untergekommen, wie eine Umfrage der NW bei den Gemeinden und Städten zeigt. Reserven bald aufgebraucht Seit der Flüchtlingskrise in 2015/2016 haben viele Kommunen vorgesorgt, wie die Gemeinde Hiddenhausen beispielsweise schreibt: Man habe &bdquo;die Kapazitäten sukzessive durch Anmietung und Erwerb von Immobilien ausgebaut.“ Auch in der Hinterhand: ein ehemaliges Bürogebäude, in Löhne eine ehemalige Schule. Enger, Spenge und Kirchlengern haben schon ihre Turnhallen im Blick, allerdings wolle man eine solche Belegung vermeiden, wie auch die Stadt Herford betont: Ein Rückgriff darauf &bdquo;konnte bislang vermieden werden und sollte auch in Zukunft lediglich die letzte Möglichkeit bleiben“, schreibt Pressesprecherin Susanne Körner. Auf der anderen Seite aber stehen die zunehmenden Zahlen der Geflüchteten. &bdquo;Die Aufnahme von Hilfesuchenden aus der Ukraine hat seit Mitte Dezember wieder spürbar zugenommen“, sagt Doris Greiner-Rietz, Sprecherin der Stadt Bünde. Dort liegt die sogenannte &bdquo;Erfüllungsquote“ bei 127 Prozent. Heißt: Die Stadt hat 242 Personen mehr aufgenommen, als sie eigentlich müsste. Und auch in den anderen Kommunen des Kreises sind die Zahlen am Limit: In Rödinghausen sind 2022 192 Menschen angekommen, in 2015/16 waren es etwa 220. In Spenge waren es jetzt 267, damals 320. Hiddenhausen jetzt 289, damals 336. In Löhne kamen vergangenes Jahr 704 Menschen an, 2015 waren es 534. In Herford kommt die besondere Situation der Zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes hinzu (ZUE), die zwar weniger städtische Zuweisungen mit sich bringt, die aber natürlich auch eine große Zahl von Menschen in Not aufnimmt. Eine Beispielrechnung Zu den angekommenen Menschen kommen jeweils noch diejenigen, die bereits in den Städten und Gemeinden leben, geduldet sind, deren Asylverfahren läuft oder die einen anderen Status haben. Und nicht alle Menschen, die hier ankommen, bleiben auch. Ein Beispiel aus Kirchlengern: 287 Personen kamen in 2022 dort an, alle aus der Ukraine. Aber: 74 von ihnen sind seither auch wieder zurückgekehrt. Insgesamt leben 512 Geflüchtete in Kirchlengern, das sind gut 3 Prozent der Einwohner. Mit dem russischen Angriffskrieg ist ein Problem deutlicher in den Vordergrund gerückt: In den Kommunen im Kreis sind viele Familien mit Kindern angekommen. Ein Beispiel aus Spenge: Dort leben derzeit 484 Geflüchtete, fast die Hälfte, nämlich 206, sind Kinder und Jugendliche (43 Prozent). In den größeren Städten wie Herford, Löhne und Bünde machen die Kinder und Jugendlichen etwa ein Drittel der Geflüchteten aus. Daraus ergeben sich andere Herausforderungen, denn bei vielen Kindern besteht Schulpflicht. Wollen die Eltern arbeiten, müssen auch die kleineren Kinder betreut werden. Und dass dort ein Mangel besteht, ist hinlänglich bekannt. Landrat Jürgen Müller hat knackige Zahlen parat, wenn auch auf das Land gemünzt: Während der Flüchtlingskrise 2015/16 standen rund 80.000 Plätze zur Erst-Unterbringung der Menschen vom Land NRW zur Verfügung. Jetzt sind es 30.000. Er sieht daher das Land in der Pflicht, den Städten und Gemeinden zu helfen. Und dabei geht es nicht in erster Linie ums Geld, obwohl auch gefordert wird: &bdquo;Wir müssen viel praktischer in die Umsetzung kommen“, sagt er. Was jetzt helfen würde Was damit gemeint ist, wissen die Kommunen genau: &bdquo;Mehr Unterkünfte, mehr Plätze in Kitas und Schulen sowie mehr Sprachlehrer“, sagt Niklas Krämer für Rödinghausen. Alle Kommunen unterstreichen, dass Wohnraum am dringendsten benötigt wird. Bünde spricht den Fachkräftemangel im Bereich der Schul- und Sozialintegrationsarbeit an. Das Sozialdezernat Herford schlägt zudem Ausbildungsplätze vor. Spenge verweist ganz am Ende der Liste darauf, dass Rückführungsprogramme effektiver gestaltet werden sollten, um die Kommunen zu entlasten. Und auch die Sprachbarriere ist immer wieder Thema. &bdquo;Es bedarf dringend Sprachkursen“, fordert daher auch Landrat Müller. Derzeit belegten kreisweit nur rund 60 Menschen einen Sprachkurs, weil das Angebot fehle. Beim Flüchtlingsgipfel am kommenden Donnerstag gibt es also viel zu besprechen. Die Stadt Vlotho hat auf die NW-Anfrage nicht reagiert.

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