Trotz Depression findet eine Frau seit Jahren keinen Therapieplatz

Bünde. Zweimal hat Johanna M. (Name von der Redaktion geändert) in ihrer Kindheit ernsthaft darüber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen. Seit Jahren lebt sie mit Depressionen und verschiedenen Ängsten. Laut eigenen Angaben ist sie durch ihre psychische Erkrankung nicht arbeitsfähig. Trotzdem findet sie seit Jahren keinen festen Therapieplatz. Damit steht sie im Bünder Land nicht alleine da. Nachdem die NW darüber berichtete, wie schwierig es für Kinder und Jugendliche ist, rechtzeitig einen Therapieplatz zu bekommen, meldet sich Johanna M. bei der Redaktion. Sie hat Mitleid mit den Kindern, die auf der Suche nach einem Therapieplatz im System feststecken, denn sie weiß aus eigener Erfahrung wie wichtig es ist, psychische Erkrankungen frühzeitig noch zu erkennen. &bdquo;Dann kann man ja noch entgegenwirken“, sagt sie. Denn bei ihr war das zunächst nicht möglich. Ihre Familie habe kein Verständnis dafür, dass psychische Erkrankungen auch Erkrankungen seien, sagt sie. Deswegen habe sie ihnen nie von ihrer Depression und ihren Ängsten erzählt. Bis heute wüssten sie nichts davon. Genau deswegen möchte Johanna M. auch anonym bleiben. Entwickelt hat sie ihre psychische Erkrankungen aufgrund eines Kindheitstraumas und nach jahrelangem Mobbing in der Schule. Das habe bereits in der ersten Klasse angefangen. Sie erinnert sich an einen besonders schlimmen Moment, als ihr ihre Mitschüler einen Mülleimer voller Erbrochenem über den Kopf gestülpt haben. Noch heute kann sie sich einer Schule nicht nähern, ohne panische Angst zu haben, sagt sie.Wartezeiten von sechs bis neun Monaten sind üblich Mit Anfang 20 erkennt sie, dass sie eine ernsthafte Erkrankung hat und begibt sich in Therapie in einer Tagesklinik. Doch obwohl sie die nächsten Jahre immer mal wieder in einer solchen Klinik verbringt, findet sie bis heute keinen festen Therapieplatz für eine Anschlussbehandlung. Zu schwierig ist die Suche und zu lang sind die Wartelisten.&bdquo;Im Nachmittagsbereich kann es schon mal neun Monate dauern, bis ein Platz frei wird“, sagt Michael Wörder, Psychotherapeut aus Bünde. Er ist Vorstand beim Verein Psychotherapie OWL, der rund 30 Therapeuten aus der Region vertritt. Etwas besser sei die Situation, wenn Patienten zeitlich flexibler sind und im Vormittagsbereich zur Therapie kommen können. Da kann die Wartezeit dann auch &bdquo;nur“ sechs Monate dauern. Dafür müssen Patienten sich dann aber regelmäßig bei den Praxen melden, um auf der Warteliste für einen Therapieplatz zu bleiben. &bdquo;Das ist für die Patienten natürlich zum Teil ein immenser Aufwand“, sagt Wörder. Wenn Patienten genug eigenen Antrieb haben, können sie so tatsächlich an einen Platz kommen. &bdquo;Menschen, die ohnehin schon soziale Phobien haben, haben dagegen schlechte Karten“, sagt Wörder. Genau so ergeht es Johanna M. Ständig bei verschiedenen Praxen hinterher zu telefonieren, um auf der Warteliste zu bleiben, ist für sie enorm belastend.So kann es sein, dass gerade Menschen, die besonders Hilfe brauchen, durchs System fallen. Aber auch allein das Warten kann für Patienten fatal sein. &bdquo;Die Leute werden dadurch nicht gesünder“, sagt Wörder. Die existierenden psychischen Probleme könnten chronisch werden oder Patienten könnten zur Selbstmedikation mit Alkohol greifen. Wie kann es dann sein, dass Menschen so lange auf einen Therapieplatz warten müssen? Wie schon berichtet, gibt es schon seit Jahren Unstimmigkeiten zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und Psychotherapeuten, wie genau eine angemessene Versorgung mit Therapieplätzen auszusehen hat. Denn die Kassenärztlichen Vereinigungen geben nur einer festgelegten Anzahl an Praxen ihre Anerkennung. An diesen Kassensitzen bezahlen die Krankenkassen ohne größere Aufwände die Therapie von gesetzlich Versicherten Patienten.Laut der Berechnungsgrundlage der Kassenärztlichen Vereinigungen gibt es im Kreis Herford eine Überversorgung beim Therapieangebot. Auf Nachfrage der NWgibt die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen Lippe (KVWL) an, dass es im Kreis Herford bei Therapeuten allgemein einen Versorgungsgrad von 111,1 Prozent (Stand November 2021) gebe. Dahinter stehen 51 Therapeuten, die im Kreisgebiet tätig sind. 39,25 davon behandeln laut KVWL &bdquo;nicht ausschließlich, aber überwiegend“ Erwachsene. Therapeuten kritisieren die aktuell geltende Berechnungsgrundlage allerdings seit Jahren als nicht mehr zeitgemäß. Die so festgelegte Anzahl an Therapeuten, würde dem tatsächlichen Therapiebedarf nicht gerecht. &bdquo;Ich wünsche mir bald endlich einen Therapie machen zu können“ Johanna M. ist mittlerweile Anfang 30. Momentan steht sie auf vier Wartelisten für einen Therapieplatz. Mit Medikamenten und anderen Hilfsangeboten hat sie eine Form von Alltag aufgebaut. Trotzdem ist ihr Wunsch klar: &bdquo;Ich wünsche mir, bald endlich einen Therapie machen zu können, damit ich wieder etwas mehr Lebensfreude habe“, sagt sie.

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