Psychotherapie in OWL: So erhalten Sie Hilfe, wenn Sie keinen Platz finden

Paderborn. Die Suche nach Therapieplätzen ist schwierig, da es vor allem in ländlichen Regionen wie OWL mehr Bedarf als Plätze gibt. Viele Psychotherapeuten haben deshalb lange Wartezeiten, die bei Betroffenen zu Verzweiflung führen können. Die psychologische Psychotherapeutin Eva-Maria Kraft aus Paderborn kennt diese Probleme und engagiert sich in der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung für eine bessere Patientenversorgung. Im Gespräch erklärt sie, wie Betroffene am besten einen Therapieplatz finden und wie sich die Wartezeit überbrücken lässt. Wie ist die Versorgungslage in Westfalen-Lippe? Für die Sicherstellung der ambulanten Versorgung der Bevölkerung mit Psychotherapeuten ist die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) zuständig. Grundlage dafür ist nach Angaben von Sprecher Stefan Kuster die Bedarfsplanung, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassen wird. Demnach gilt Westfalen-Lippe nicht als unterversorgt. In einigen Teilen der Region stehen laut Kuster lediglich noch Quotensitze für ärztliche Psychotherapeuten und Psychosomatiker zur Verfügung. &bdquo;Hintergrund ist, dass mit der Gesamtzahl der psychotherapeutischen Sitze in einer Region auch ein bestimmtes Verhältnis zwischen den Fachrichtungen erfüllt sein muss. Ist dies nicht der Fall, dann entstehen zusätzliche Sitze.“ Lesen Sie auch: Fast eine Million Menschen in der Region haben Depressionen Wie lang sind die Wartezeiten? Nach der Berechnungsgrundlage der KVWL gilt die Region nicht als unterversorgt. In der Realität zeigt sich jedoch, dass es deutlich mehr Bedarf als Plätze gibt. In Westfalen-Lippe müssen viele Menschen mit psychischen Problemen mehrere Monate auf die psychotherapeutische Sprechstunde als Erstkontakt und bis zu zwei Jahre auf einen Therapieplatz warten. Das ist auch in der Praxis von Eva-Maria Kraft in Paderborn der Fall. Trotzdem sollten sich Betroffene nicht entmutigen lassen, rät sie. &bdquo;Um chronischen Erkrankungen vorzubeugen, ist es wichtig, sich frühzeitig Hilfe zu suchen. Wie bei physischen gilt auch bei psychischen Krankheiten, dass sie besser behandelt werden können, wenn sie frühzeitig erkannt werden.“ Schwerpunkt der Therapeutin ist die Verhaltenstherapie. &bdquo;Patienten mit Zwangsstörungen melden sich im Durchschnitt erst sieben bis zehn Jahre nach dem Auftreten erster Symptome. Behandlungen sind nach so vielen Jahren sehr aufwendig.“ An wen sollten sich Menschen mit psychischen Problemen wenden? &bdquo;Wenn Menschen merken, dass sie psychische Probleme haben, können sie sich in einem ersten Schritt an ihre Haus- oder Kinderärzte wenden, die dann bei Bedarf an Psychotherapeuten überweisen können“, erklärt Kraft. Eine Überweisung ist jedoch keine Voraussetzung für eine Psychotherapie. &bdquo;Auch ohne vorherigen Kontakt zum Hausarzt können sich Betroffene an Psychotherapeuten wenden.“ Als Erstkontakt zwischen Therapeut und Patient ist laut Kraft die psychotherapeutische Sprechstunde vorgesehen. &bdquo;Nach einem Erstgespräch zwischen 25 bis 50 Minuten geben Therapeuten eine Ersteinschätzung ab. Ist eine Behandlung nötig, wird das weitere Vorgehen, wie zum Beispiel die Wahl der Therapieform, mit dem Patienten besprochen.“ Auf Termine für die psychotherapeutische Sprechstunde müssen Patienten in vielen Praxen mehrere Monate warten. Zudem ist nicht gesichert, dass Patienten nach der Sprechstunde umgehend einen Therapieplatz erhalten. In vielen Fällen müssen sie erneut mehrere Monate warten. &bdquo;Zur Überbrückung der Zeit helfen Betroffenen erste Hinweise zur Krankheit sowie der genaue Starttermin für den Therapiebeginn weiter“, weiß Kraft. Zudem können verordnete digitale Gesundheitsanwendungen über Apps hilfreich sein. Eine Auswahl bietet das Bundesinstitut für Medizinprodukte. Bei Schwerbetroffenen können laut Kraft auch Soziotherapien als Überbrückung verordnet werden. Bei Soziotherapien handelt es sich um ein ambulantes Hilfsangebot für psychisch schwer Kranke. &bdquo;Als Therapeuten geben wir den Patienten Hilfestellungen für die Wartezeit.“ Zudem gibt es in OWL drei aktive psychotherapeutische Netzwerke, die nach Angaben der KVWL gute Anlaufstellen sind: Der Arbeitskreis niedergelassene Psychotherapeuten in Bielefeld Der Psychotherapeutenverein Paderborn/Höxter Der Herforder Arbeitskreis Psychotherapie Wie sollten Menschen vorgehen, die einen Therapieplatz suchen? Menschen mit psychischen Problemen haben nach Angaben Krafts zwei Möglichkeiten, um einen Therapieplatz zu finden. &bdquo;Der erste Weg ist das telefonische Abfragen der Praxen“, erklärt Kraft. Helfen kann dabei die Online-Arztsuche der KVWL. &bdquo;Dort erhalten Betroffene auch für Psychotherapeuten einen Überblick der Praxen in ihrem Umfeld.“ Führt das nicht zum Erfolg, rät Kraft Betroffenen dazu, Hilfe beim Hausarzt zu suchen. &bdquo;Der Hausarzt kann bei Bedarf eine Überweisung mit einem Dringlichkeitscode ausstellen, mit der sich gesetzlich Krankenversicherte an die Terminservicestelle der KVWL unter der Nummer 116 117 wenden können.“ Nach Angaben der KVWL werden über die Terminservicestelle keine Therapieplätze, sondern nur Termine für die psychotherapeutische Sprechstunde als Erstgespräch sowie Termine für Akutbehandlungen vermittelt, wenn diese von einem Psychotherapeuten empfohlen werden. Bei der Vermittlung geht es nach Angaben eines Sprechers nicht um Wunschtermine bei einem Therapeuten der Wahl, sondern lediglich um freie Termine bei einem Therapeuten, mitunter verbunden mit sehr langen Fahrtwegen. &bdquo;Die maximale Wartezeit zwischen Anruf und Termin beträgt vier Wochen. Sollten wir keinen Termin anbieten können, vermitteln wir einen ambulanten Behandlungstermin in einem Krankenhaus.“ Doch auch über diesen Service müssen Betroffene mit längeren Wartezeiten rechnen. &bdquo;Auch hier ist Durchhaltevermögen gefragt, weil die KVWL nur dann Termine anbieten kann, wenn Therapeuten Kapazitäten haben, zum Beispiel durch Ausfälle“, ergänzt Kraft. Welche Kosten übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung? Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt die Kosten der psychotherapeutischen Sprechstunde sowie einer daran anschließenden Akut-, Kurz- oder Langzeittherapie im vollen Umfang, wenn der Antrag dafür zuvor bewilligt wurde. Zu den psychotherapeutischen Verfahren, die von den Krankenkassen anerkannt werden, zählen die Verhaltenstherapie, die analytische Psychotherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die systemische Therapie für Erwachsene. Voraussetzung für die Kostenübernahme ist, dass die Behandlung nicht ausschließlich der Lebens-, Erziehungs-, Ehe- oder Sexualberatung dient und durch einen zugelassenen psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten oder einen Arzt mit entsprechender Ausbildung durchgeführt wird. Der Therapeut muss zudem von der Kassenärztlichen Vereinigung zugelassen sein. Worauf sollten Betroffene bei der Wahl eines Psychotherapeuten achten? Die Berufsbezeichnung Psychotherapeut ist in Deutschland nach Angaben des Gesundheitsministeriums geschützt, der Begriff Psychotherapie hingegen nicht. Somit können zum Beispiel auch Heilpraktiker damit werben, eine Psychotherapie anzubieten. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt die Kosten für Psychotherapien jedoch nur, wenn sie von psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten oder Psychiatern durchgeführt werden. Psychologische Psychotherapeuten werden nach Angaben des Ministeriums von ärztlichen Psychotherapeuten unterschieden. Psychologische Psychotherapeuten absolvieren ein Psychologiestudium und anschließend eine mindestens dreijährige Ausbildung zum Psychotherapeuten. Zudem wird seit 2020 auch ein Direktstudium zur Ausbildung in der Psychotherapie angeboten, an das sich eine Weiterbildung anschließt. Ärztliche Psychotherapeuten absolvieren ein Medizinstudium und danach eine Ausbildung zum Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder eine Ausbildung zum Psychotherapeuten. Ärztliche Psychotherapeuten sowie Psychiater, die ein Medizinstudium und eine Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie absolvieren, dürfen im Gegensatz zum psychologischen Psychotherapeuten auch Medikamente verschreiben. Wo erhalten Betroffene bei Suizidgedanken Hilfe? Nach Angaben des Nationalen Suizidpräventionsprogramms, einem bundesweiten Netzwerk, muss jede Form von Suizidalität – also Lebensüberdruss, Todeswünsche oder Suizidgedanken – unbedingt ernst genommen werden. Leiterin Barbara Schneider, Chefärztin der Abteilung Abhängigkeitserkrankungen in der LVR-Klinik Köln, rät Betroffenen dazu, sich Menschen in ihrem Umfeld anzuvertrauen und so ein entlastendes Gespräch zu führen. Zudem verweist sie auf die anonyme Telefonseelsorge unter der (0800) 1110111, die auch Online-Kontakte anbietet. Wenn Menschen eine Gefahr für sich oder andere darstellen, können sie nach Angaben Schneiders jederzeit auch Hilfe beim ärztlichen Notdienst in den Ambulanzen psychiatrischer Kliniken suchen.

Meistgelesen