Bürger planen künftigen Verkehr mit

Bünde. Ein Blick in die Aula des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums am Donnerstagabend verhieß ein mangelndes Interesse aus der Bürgerschaft an der Entwicklung des Straßenverkehrs, zu dem weit mehr zählt als Straßenbau und Ampelschaltungen. Lediglich zwölf Personen, viele davon aus Politik und Interessenvertretungen wie dem ADFC, waren anwesend. Online waren der Info-Veranstaltung noch weitere 26 Zuhörer zugeschaltet, die im Chat Fragen stellen konnten. Bei der Komplexität des Verkehrsentwicklungsplans, der bis 2035 umgesetzt sein soll, ließ sich nicht ins Detail gehen. Dennoch: Die Empfehlungen des Planungsbüros SHP Ingenieure aus Hannover zeigen deutlich, dass die Innenstadt vom Autoverkehr entlastet werden muss. Projektbetreuerin und Verkehrsplanerin Melissa Meusel stand in der jüngeren Vergangenheit schon häufiger den Mitgliedern von Rat und Verkehrsausschuss Rede und Antwort. Diesmal waren direkt auch die Bürger am Zug. Eine im Dezember 2020 durchgeführte Online-Bürgerbeteiligung lieferte zudem wertvolle Analyseergebnisse und auch erste Maßnahmen-Ideen im städtischen Verkehr. Insgesamt 787 Anregungen aus der Bevölkerung konnten damals gesammelt werden. Sie fließen zusammen mit der Bestandsanalyse in den Verkehrsentwicklungsplan ein. &bdquo;Wir möchten die Bevölkerung im Prozess mitnehmen“, erläutert Meusel. Gemeinsam mit einem Lenkungskreis, bestehend aus Vertretern von Politik, Verwaltung, ADFC, Polizei, Einzelhandel, Nabu und Bund sowie Fridays For Future, untersuchte sie in den vergangenen Monaten die verkehrlichen Gegebenheiten in der Stadt Bünde. Als ein &bdquo;Oberziel“ des Verkehrsentwicklungsplans (VEP) stehen gleiche Mobilitätschancen für alle Verkehrsteilnehmer – motorisiert oder unmotorisiert, vom Kind bis zum Senior, mit und ohne Handicap.Umweltverträgliche Verkehrsmittel Als eines von sechs Unterzielen zählt die Verlagerung möglichst vieler Fahrten auf umweltverträgliche Verkehrsmittel. Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV), das Radfahren und auch das Zufußgehen sollen in ihrer Attraktivität gefördert werden. Als einen Punkt, das zu erreichen, nennt Melissa Meusel, dass Radfahrer die Möglichkeiten bekommen müssen, ihre Fahrräder entsprechend sicher an Bushaltestellen abzustellen. Zum Beispiel in Boxen oder auch an Fahrradbügeln. Aber auch das Radwegenetz muss passen. Hier nannte Meusel einige Defizite. Zwar verfüge Bünde über ein dichtes Radwegenetz, doch würde der Radverkehr vorwiegend auf gemeinsamen oder getrennten Geh- und Radwegen geführt, die nicht immer den gültigen Standards entsprechen würden. &bdquo;Sie sind zu schmal oder mit einer schlechten Oberfläche“, so Meusel. Auf gering frequentierten Straßen wie der Kurt-Schumacher-Straße gibt es beidseitige Radfahrschutzstreifen. Auch an der Beschilderung (&bdquo;oft nur in eine Fahrtrichtung“) hatte die Planerin etwas auszusetzen. Hingegen stellten die Planer in ihrer Analyse fest, dass der Radverkehr an &bdquo;hoch belasteten Straßenabschnitten“ (Wasserbreite) &bdquo;im Mischverkehr“ mit den Autos und Lkw geführt werde. &bdquo;Aber gerade hier ist eine Trennung erforderlich“, so Meusel, die ferner kritisierte, dass Radwege an verschiedenen Stellen plötzlich und scheinbar ohne Grund enden würden. Ein Einwand, den auch der hiesige ADFC schon häufig vorgebracht hat.Schaffung von Aufenthaltsqualität Bei dieem Thema spricht Melissa Meusel besonders von einer &bdquo;Entschleunigung des Kfz-Verkehrs in der Innenstadt. Das will man unter anderem mit einer Ausweitung von Tempo 30-Zonen erreichen, aber auch mit einer entsprechenden Bewirtschaftung des Parkraums, der speziell im Innenstadtbereich reduziert und verlagert werden soll. &bdquo;Dadurch wird der Verkehr, der beim Suchen nach freien Parkflächen entsteht, reduziert“, erklärte Meusel. Eine Reduzierung der Stellflächen um 10 bis 15 Prozent sei durchaus denkbar. Leistungsfähiges Straßennetz Nicht alle Wege lassen sich mit dem Rad oder zu Fuß zurücklegen, weshalb auch das Straßennetz, das sowohl von Pkw und Lkw wie auch vom ÖPNV genutzt wird, leistungsfähig sein muss. &bdquo;Im ÖPNV gibt es noch Erschließungsdefizite“, so Melissa Meusel und meint damit vor allem die Frequenz der Busfahrten in den Außenbereichen – besonders an den Wochenenden. Als Negativ-Beispiel nannte Meusel den Süden von Spradow, der schlecht zu erreichen sei. In Richtung Norden hält sie unter den gegebenen Bedingungen mit nur einer Linie nach Dünnerholz eine Ausweitung des Angebots für nicht möglich. Stadtverträgliche Abwicklung des Verkehrs Die Erreichbarkeit sämtlicher Ziele in Bünde mit dem Auto wird als gut eingeschätzt. Allerdings sagt die Verkehrsplanerin auch hier, dass eine Neuorganisation des Verkehrsflusses vonnöten sei. In ihrer Analyse schreibt das Ingenieurbüro davon, dass Lieferverkehr in der Innenstadt durch Lastenräder ersetzt werden könnten.Fragen von Bürgern Einige der online zugeschalteten Bürger stellten Fragen, die im Anschluss verlesen wurden. So ging es bei einer Frage darum, die Turnerstraße als Fahrradstraße anzulegen. Das lehnte Melissa Meusel ab, da die Turnerstraße vorrangig für Autos genutzt werden soll. &bdquo;Dabei herrscht ein Interessenkonflikt, weil die Straße auch von Schülern mit dem Fahrrad genutzt wird.“ In einem weiteren Bürgerbeitrag wurde angeregt, die Kleine Wasserbreite als Fahrradstraße zu verlängern. Hierzu sagte Meusel, dass die Kleine Wasserbreite zusammen mit der Grabenstraße diesbezüglich bereits Bestandteil des Konzepts seien. Wie es weitergeht Was Verkehrsplanerin Melissa Meusel auszugsweise aus dem Verkehrsentwicklungsplan vorgestellt hat, sind im Augenblick lediglich Empfehlungen an die Entscheider in Bünde, dem Rat und der Stadtverwaltung.Im kommenden Frühjahr soll die politische Beratung beginnen und schließlich die Festlegung, ob und wie man die Vorschläge der Verkehrsplaner umsetzen will.

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