Pleiten, Pech und Pannen: Der Start als Bürgermeisterin war „hammermäßig“

Vor einem Jahr sind Rat und Bürgermeisterin in ihre neue Amtszeit gestartet. Susanne Rutenkröger schaut Redakteurin Katharina Eisele auf ihre Amtszeit zurück und zieht ein erstes Fazit. Besonders die ersten Monate waren durch die Brand- und Vandalismusserie herausfordernd. Ein Jahr Bürgermeisterin: Ist der Job so, wie Sie sich das vorgestellt haben? Susanne Rutenkröger: Wie &bdquo;vorgestellt" ist schwierig, weil man verschiedene Gedanken im Kopf hat und dreigeteilt unterwegs ist: Da ist zum einen die politische Arbeit, ich sitze zum Beispiel dem Rat vor, man ist Chefin der Verwaltung und das dritte Standbein ist der &bdquo;Bürger" im Bürgermeister. Die politischen Abläufe kenne ich natürlich, weil ich auch vorher in der Kommunalpolitik aktiv war. Das Thema Bürger ist meine Herzensangelegenheit und das lebe ich. Ich mache jede Woche eine Bürgersprechstunde und da stelle ich fest: Es ist wichtig, Sachverhalte zu erklären, das mache ich sehr gerne. Ich bekomme auch viele E-Mails, leider ohne Telefonnummer. Ich schreibe dann immer zurück, bitte schicken Sie mir Ihre Nummer, ich möchte mich gerne dazu austauschen, weil es einfach zu zeitaufwendig ist, alles zu formulieren und zu schreiben. Wie war diese neue Aufgabe als Verwaltungschefin zu Beginn? Im Rathaus – das ist eine große Aufgabe, wir haben mehr als 400 Mitarbeiter und man muss die Strukturen und Abläufe kennenlernen. Ich sag im Moment immer ganz plakativ: Wer die 100-Tage-Regel erfunden hat, der hat eigentlich keine Ahnung. Weil die ersten 100 Tage so viel auf einen einstürzt und es kommen so viele Menschen auf einen zu, auch die Menschen, die in den vergangenen fünf Jahren ein Anliegen hatten und nicht weitergekommen sind. Ein Bürgermeisterkollege hat nach vier Wochen zu mir gesagt: Hast du auch das Gefühl, dass alle an dir zerren? Das habe ich nicht so negativ empfunden, aber es ist eben viel. Nach einem Jahr ist man wirklich angekommen. Und wenn ich jetzt so über die Flure gehe, kann ich die Mitarbeitenden mit Namen ansprechen, man weiß, wer wie tickt, wie die Abläufe sind, wen man fragen kann. Das ist nach einem Jahr deutlich gesettled. Bürgermeisterin ist ja auch kein Lehrberuf, auf den man sich vorbereiten kann. Das stimmt. Das war im Wahlkampf auch Thema, weil ich keine Verwaltungserfahrung habe, aber das sieht das Wahlverfahren so nicht vor. Dafür hat man Beigeordnete wie Herrn Berg an seiner Seite. Er ist mein direkter Vertreter und ein ausgesprochener Verwaltungsexperte. Zudem hat man mit den Amtsleitungen zu tun, die alle aus der Verwaltung kommen und gelernt Fachleute sind. Alle unterstützen mich sehr. Grundsätzlich finde ich es aber auch erfrischend, einen Blick von außen zu haben, durch eine andere Brille als die Verwaltungsbrille. Und erschwerend kommt dieses Mal eine Amtsübernahme während Corona dazu. Das war wirklich schwierig. Das Krisenmanagement liegt beim Kreis Herford. Das hat Landrat Jürgen Müller gut organisiert. Es gibt jeden Montag um 15 Uhr eine Bürgermeisterrunde. Das war für mich natürlich toll, weil ich in eine Runde kam, wo es langjährig erfahrene Kollegen gibt. Uns war es wichtig, Entscheidungen zu treffen, die für den ganzen Kreis Herford gelten. Zum Beispiel: Müssen Eltern Beiträge zahlen, obwohl die Kindergärten geschlossen sind? Wir haben den Standpunkt vertreten: keine Leistung, kein Preis. Das haben wir kreisweit hinbekommen. Das hatte sicher auch Auswirkungen auf die Arbeit in der Verwaltung. Es waren dort viele Dinge zu organisieren: Wer arbeitet wann mit wem, insbesondere auf der Feuer- Rettungswache musste rund um die Uhr die Besetzung coronakonform organisiert werden. Abgesehen von Corona hat Ihre Amtszeit schwierig begonnen... Der Start war schon ziemlich hammermäßig. Zum Einen wegen Corona, aber es gab ja auch eine kleine Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie. An dem Wochenende meines Amtsantritts ist die Kita Krempoli abgebrannt. Wir hatten dann im November die Vandalismusschäden und Brandanschläge in der Innenstadt. Das hat mich sehr belastet. Dann war die Weihnachtsmarktabsage. Das war auch noch mal dem geschuldet, dass ich die Abläufe noch nicht so kannte. Da war man an der einen oder anderen Stelle auch noch mal vorsichtiger. Wobei ich auch sagen muss, dass ich auch sehr viel positives Feedback dazu bekommen habe. Dann hatten wir das erste Mal seit vielen Jahren Winter, also Schnee, und dann kam noch der Starkregen. Das sind alles Ereignisse, wo man sofort gefordert ist. Und alles im ersten Jahr. Beim Schnee kam noch dazu, dass unser Bauhofleiter gerade angefangen war, der war seit 1. Februar im Amt und wenige Tage später dann der viele Schnee. Eine echte Feuertaufe, die er gut gemeistert hat. Eine Kritik war dabei die Kommunikation mit den Bürgern. Dabei war im Wahlkampf Bürgernähe eines Ihrer zentralen Themen. Wo haben Sie als Bürgermeisterin das Thema schon vorangebracht? Mir ist es wichtig, Dinge vor Ort zu besprechen. Also ich bin da ganz ehrlich, das ist zeitlich ein bisschen schwieriger, als ich dachte. Es gibt eben auch echtes Tagesgeschäft, das in der Verwaltung adhoc zu regeln ist. Es ärgert mich selber manchmal, dass das zeitlich nicht immer so klappt. Ich war kürzlich aber zum Beispiel an der Gerhart-Hauptmann-Straße. Da geht es ja um eine besondere Parksituation, die wir noch einmal mit der Polizei erklärt haben. Das Parkproblem an der Gerhart-Hauptmann-Straße ist konkret in der Straßenverkehrsordnung geregelt. Die Bürger hatten auch Empfehlungen und Tipps. Es ist immer wichtig, beide Seiten zu hören. Am Anfang waren alle aufgebracht und nach zwei Stunden hatte ich für mich das Gefühl, man ist auf einer gemeinsamen Ebenen angekommen. Eine neue Lösung gibt es aber nicht? Ich sage immer: Ich bin Bürgermeisterin und keine Königin, ich kann nicht einfach Dinge bestimmen. Es gibt vieles, was demokratisch im Stadtrat entschieden wird und in diesem Gremium habe eben auch ich nur eine Stimme. Wenn ich dann frage, wie sind wir in Bünde mehrheitsmäßig aufgestellt, das wissen viele Menschen nicht. Wenn man dann noch mal deutlich macht, wie Entscheidungswege sind, dann sorgt das für mehr Klarheit. In diesem Fall ist es auch ein Kommunikationsproblem gewesen. Jetzt haben wir dasselbe Problem bei der Borrenkampstraße. Wie will die Verwaltung, wie wollen Sie künftig damit umgehen? Was die Borrenkampstraße angeht: Das ist kommunikativ schlecht gelaufen. Das ist ein Prozess gewesen, der auch schon seit letztem Jahr läuft, was mir jetzt erst richtig bewusstgeworden ist. Da sind die Aufgaben entsprechend verteilt. Es gibt die Straßenverkehrsbehörde, die für die Einhaltung der Vorschriften zuständig ist und es gibt die Unfallkommission. Richtiger wäre es gewesen, im Verkehrsausschuss auch schon im Vorhinein mal zu berichten: Übrigens die Unfallkommission tagt und es geht um die Borrenkampstraße. Das ist nicht passiert. Warum nicht, kann ich gar nicht erläutern. Dann kam es auch zu einem Missverständnis im Ausschuss. Im Verkehrsausschuss wurde mitgeteilt, dass die Straße für den Verkehr gesperrt wird und es kam so rüber, als wenn die Unfallkommission das beschlossen hat. Da hatte ich dann natürlich den Kreis Herford am Telefon, so nach dem Motto, was wird in Bünde erzählt? Die Unfallkommission hat das gar nicht bestimmt. Sie hat nur festgestellt, da ist ein Unfallschwerpunkt, da muss etwas passieren und der Verkehr muss dort anders funktionieren. Dann ist es wieder bei der Stadt zu sagen: Was können wir machen? Es sind im Laufe der Monate verschiedene Maßnahmen umgesetzt worden: Man hat zum Beispiel ein Tempo-30-Schild aufgestellt, man hat den Fahrradweg durch neue Farbe hervorgehoben, aber festgestellt, dass das nichts genutzt hat. Und jetzt musste man einen Schritt weiterdenken. Die Kommunikation hat erst nach der Berichterstattung stattgefunden. Was kann man verbessern und was sind Ihre Ideen, wie es künftig anders laufen soll? Entscheidungen müssen innerhalb der Verwaltung transparenter werden. Sicher gehören auch Überlegungen über Veränderung von Strukturen dazu. Im nächsten Verkehrsausschuss werden wir die Borrenkampstraße noch einmal thematisieren. Das heißt, intern soll etwas verändert werden, um dann extern...? Ich hatte die Idee, dass die Straßenverkehrsbehörde einmal im Jahr oder halbjährlich berichtet im Verkehrsausschuss. Zum Beispiel wäre ein Berichtspunkt: Die Unfallkommission hat getagt. Das kann man auch den Mitarbeitern nicht zum Vorwurf machen. Das sind einfach gewachsene Strukturen, über die man nachdenken und die man vielleicht auch verändern muss. Bei uns haben sich Bürger gemeldet, die sagen: Im Wahlkampf habe ich von Frau Rutenkröger jeden Tag etwas gelesen. Jetzt lese ich gar nichts mehr. Warum ist das so? Und: Kann man das wieder ändern? Ich für mich habe schon das Gefühl, dass ich sehr präsent bin. Es gibt auch Menschen, die sagen, Sie stehen ja jeden Tag in der Zeitung. Was die Sozialen Medien angeht, muss ich sagen, das ist ein gewisser Arbeitsaufwand, den ich im Wahlkampf auch nicht allein geleistet habe. Da berichte ich auch jetzt regelmäßig, aber nicht jeden Tag. Ich wünsche mir auf Dauer, dass ich mehr Zeit finde, mit kleinen Videos und Statements zu arbeiten. Offiziell aus der Verwaltung? Das Thema Soziale Medien müssen wir hier im Rathaus noch mal beleuchten. Bei Facebook sehe ich den Nachteil, dass oft Informationen verrissen werden. Ich schreibe ganz oft einen persönlichen Post oder eine E-Mail zurück, dass ich angerufen werden kann. Ich bin allerdings noch nie zurückgerufen worden. Ich kann nur immer wieder betonen, dass ich ansprechbar bin. Im vergangenen Jahr ist aber auch einiges gut gelaufen. Was war das aus Ihrer Sicht? Ich freue mich über die Belebung der Innenstadt. Die Innenstadt war ja auch durch Corona belastet. Gewisse Entwicklungen gab es auch schon vor Corona und wurden durch die Pandemie noch einmal beschleunigt. Uns ist es gelungen, viele Leerstände abzubauen und die Struktur zu verändern, also auch gastronomische Setpoints zu haben. Da bin ich dem Stadtmarketing sehr dankbar, die Initiative mit dem Förderprogramm vorangebracht zu haben und da finde ich auch den Austausch mit dem Handel Bünde sehr konstruktiv. Ein großes Erlebnis war auch die Eröffnung des Freibades. Das ist nicht in meiner Amtszeit entschieden worden, aber da war ich schon immer auch sehr engagiert, diese Entscheidung voranzutreiben und wenn man dann das neue Freibad eröffnen darf, ist das einfach klasse. Welche größeren Projekte stehen im nächsten Jahr an? Das Thema Stadtentwicklung ist mit der Unterstützung eines Technischen Beigeordneten einfacher. Die fehlende Stellenbesetzung hat das ein bisschen entschleunigt. Beim Cordes-Gelände bekommen wir auch Anfragen, das belebt sich ein bisschen. Ich bin derzeit dabei alle Informationen, um diese Themen nach außen in die Politik zu bringen. Das ist bisher noch nicht passiert. Und die Briten-Siedlungen sind nach wie vor Thema. Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust: Jetzt auf biegen und brechen etwas zu kaufen, da muss man noch mal abwägen, die Häuser stehen eben auch schon fünf Jahre leer und sind von der Bausubstanz nicht so wie ein klassisches Einfamilienhaus wie wir es in Ostwestfalen bauen. Es geht nicht nur ums Kaufen, man muss schon auch Ideen entwickeln, was man langfristig damit vor hat. Ein Konzept zum Beispiel? Und das ist ein Gestaltungsprozess, den es hier bisher nicht gegeben hat. Städteplanung spielt da auch eine Rolle – gerade wenn ich hier an Bünde-Mitte denke. Das ist eine tolle Lage, innenstadtnah, da gibt es viele Freiflächen, da wäre auch Verdichtung möglich. Aber da muss ein Plan her. Ich bin nach wie vor mit der B&S im Gespräch, das sind Fachleute, die schon Quartierentwicklung gemacht haben. Das nehme ich mir jetzt fürs zweite Jahr vor.

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