Kirchlengern/Bünde

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Wie das Coronavirus einen (jungen) NW-Redakteur umhaute und die Lunge traf

Florian Weyand infiziert sich Mitte November mit dem Coronavirus. Offiziell gilt er als genesen, doch unter den Folgen von Covid 19 leidet der Journalist noch immer.

Mit kurzen Spaziergängen trainiert NW-Redakteur Florian Weyand die Lunge. Zu Beginn der Übung schaffte er weniger als 500 Meter. | © Carolin Nieder-Entgelmeier

10.01.2021 | 02.02.2021, 18:23

Kirchlengern/Bünde. Mit trockenem Husten macht sich das Coronavirus an einem Sonntagnachmittag bei mir bemerkbar. In der folgenden Nacht kommt Fieber dazu. Am nächsten Morgen liegt die Temperatur bei über 39 Grad. Meine Ärztin testet mich auf das Coronavirus und einen Tag später steht fest: Ich habe mich infiziert.Bereits einen Tag vor dem positiven Ergebnis isoliere ich mich von meiner Freundin. Außer dem Schlafzimmer und unserem Gästebad sind alle anderen Räume unserer Wohnung für mich Sperrgebiet. Doch die Maßnahme treffen wir zu spät, wie sich einige Tage später herausstellt. Wird meine Freundin erst noch negativ getestet, klagt sie wenige Tage später selbst über Fieber, Schmerzen und Abgeschlagenheit – sie ist ebenfalls infiziert.

Paprika schmeckt nach Essig

Wenige Minuten nachdem ich mein positives Testergebnis erhalte, informiere ich die Menschen, die ich in der Woche zuvor getroffen habe: Neben der Familie und einigen wenigen Freunden sind auch berufliche Kontakte dabei. Sorgen mache ich mir besonders um meine Eltern, die beide über 60 Jahre alt und vorerkrankt sind. Einige Tage zuvor habe ich sie getroffen. Wie meine Freundin und ich müssen meine Familie und Freunde in Quarantäne. Doch es geht gut aus, denn niemand erkrankt, weil ich keinen von ihnen infiziert habe.

Mehrere Medikamente sollen für eine schnelle Genesung sorgen. - © Florian Weyand
Mehrere Medikamente sollen für eine schnelle Genesung sorgen. | © Florian Weyand

Stattdessen treten bei mir immer mehr Symptome auf. Zwei Tage nach den ersten Symptomen verlässt mich mein Geruchssinn. Eine schreckliche Erfahrung. Auch mein Geschmackssinn spielt mir Streiche. Was ich früher gern gegessen habe, schmeckt mir jetzt überhaupt nicht mehr. Paprika schmeckt auf einmal nach Essig und in der bitter schmeckenden Hühnersuppe scheint gleich ein ganzer Salzstreuer gelandet zu sein. Später schmecke ich gar nichts mehr. Sieben Wochen nach der Infektion bereiten mir mein Geschmacks- und Geruchssinn immer noch Probleme.

Den positiven Corona-Befund bekommt Florian Weyand auf das Handy. - © Florian Weyand
Den positiven Corona-Befund bekommt Florian Weyand auf das Handy. | © Florian Weyand

Schweißausbrüche und Schüttelfrost

In der akuten Phasen wird auch der Husten wird immer stärker, mit jedem Tag steigt das Fieber. Mehrmals kratzt meine Körpertemperatur an der Marke von 40 Grad. Hinzu kommen Schmerzen auf der Kopfhaut und in den Ohren. In der Nacht brauche ich mehrere Bettdecken, um nicht zu frieren. Tagsüber schwitze ich. Mitunter wechsel ich vier Mal am Tag meine Kleidung, weil mein T-Shirt klittschnass ist. Zudem muss ich aufrecht liegen. Ansonsten habe ich das Gefühl, nicht richtig Luft zu bekommen. Die Tage vergehen, doch die Symptome bleiben. Nur das Fieber geht mit der Zeit runter, die Temperatur liegt fast wieder im Normalbereich.

Hustenstiller wirkt nicht mehr

Dafür ist der Husten kaum auszuhalten – besonders in der Nacht. Der verschriebene Hustenstiller wirkt trotz hoher Dosierung nicht. Die Folge: Die Hustenattacken lassen mich nicht schlafen. Nachts liege ich hustend bis 3 oder 4 Uhr wach. Ich bin müde und will schlafen, kann es aber nicht. Es ist eine Qual. Entkräftet schlafe ich dann doch irgendwann ein. Manchmal ist es dann draußen schon hell.

Mehr als eine Woche verbringe ich schon im Bett, doch ich fühle mich nicht besser. Das Virus wütet weiter im Körper. Mittlerweile fühle ich mich so schlapp, dass ich Nachrichten auf meinem Handy gar nicht oder erst Tage später beantworte. Das sieht man mir offenbar auch aus Entfernung an: Mein Schwager, der in der Wohnung unter uns wohnt, sagt, dass mein Gesicht die Farbe meiner FFP-Maske angenommen habe. Meine Freundin vergleicht mich mit einem Gespenst.

Ich bin kreidebleich, die Augen sind leer. Wenn ich das Bett verlasse, wanke ich in unser Gästebad, kann mich kaum auf den Beinen halten. So geht es noch einige Tage. Als das Ordnungsamt zur Quarantäne-Kontrolle kommt, schleppe ich mich nicht zur Haustür sondern nur zum Schlafzimmerfenster. Der Blick aus der Distanz reicht der Kontrolleurin.

Tasche für das Krankenhaus gepackt

Nach zwölf Tagen ist für mich der Tiefpunkt der Erkrankung erreicht. Unter der Dusche muss ich mich hinsetzen, ich kann nicht mehr stehen. Die Tränen stehen mir in den Augen. Da Wochenende ist, kontaktiert meine Freundin den ärztlichen Notdienst. Danach packt sie zur Sicherheit meine Tasche – für das Krankenhaus. Zuvor soll mich aber erst eine Ärztin untersuchen. Gekleidet wie in einem Katastrophenfilm untersucht mich die Allgemeinmedizinerin in unserem Wohnzimmer. Da meine Sauerstoffsättigung gut ist, soll ich zu Hause bleiben. Stattdessen verschreibt sie mir weitere Medikamente, unter anderem Kortison. Nach und nach verbessert sich mein Zustand. Doch der trockene Husten und die starke Abgeschlagenheit bleiben.

Quarantäne wird verlängert

Das Gesundheitsamt entlässt mich einige Tage später trotz Symptomen aus der Quarantäne. Ende November gelte ich offiziell als genesen. Auf Nachfrage erklärt man mir, dass das die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts seien. Als ich meiner Ärztin, mit der ich mehrmals in der Woche telefoniere, davon erzähle, ist sie irritiert. Da ich noch Symptome habe, bestehe noch Ansteckungsgefahr. Sie hakt telefonisch bei den Behörden nach. Erneut werde ich vom Gesundheitsamt kontaktiert – und meine Quarantäne wird bis zum 4. Dezember verlängert.

Die Symptome gehen unterdessen nur langsam zurück. Drei Wochen nachdem ich mich mit dem Coronavirus infiziert habe, ist der trockene Husten noch nicht verschwunden. Zudem merke ich, dass ich mich bereits bei kleiner Belastung wie nach einer schnellen Joggingrunde fühle. Ich bin total entkräftet, schwitze schon beim Gang ins Bad. Als ich nach mehr als drei Wochen das erste Mal wieder mit meiner Freundin am Küchentisch sitze, muss ich den Kopf mit meinem Arm abstützen.

Entzündungen in der Lunge

Meine schlechte Verfassung lässt sich nicht nur damit erklären, dass ich in den drei Wochen acht Kilogramm an Körpergewicht verloren habe. Nach einer Computertomographie (CT) steht fest, dass das Virus auch in meiner Lunge gewütet hat. Das Lungengewebe ist betroffen. Mit kurzen Spaziergängen trainiere ich meine Lunge für kommende Belastungen. Meine Ärztin geht davon aus, dass dadurch lebenslange Folgeschäden vermieden werden können.

Als ich nach Wochen das erste Mal vor die Tür gehe, schaffe ich nur wenige hundert Meter. Abgeschlagen schleppe ich mich wieder ins Bett. Täglich schaffe ich mehr Meter, doch die Müdigkeit im Kopf und in den Muskeln bleibt. Zudem nehme ich eine gewisse Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen wahr. Long-Covid-Symptome nennen das Fachleute. Bis dieses Feld erforscht ist, wird es noch Monate oder sogar Jahre dauern. Mein Blick in die Zukunft ist eine Mischung aus Optimismus und Pessimismus.

Mahnende Worte der Ärztin

Meine Ärztin sagt mir, dass ich sehr krank gewesen sei und jetzt viel Geduld aufbringen müsse. Auch sie habe mich nur aufgrund meiner guten Sauerstoffsättigung nicht ins Krankenhaus eingewiesen. Worte, die mir deutlich machen, wie gefährlich Covid-19 ist. Nicht nur für Menschen in Pflegeheimen, sondern auch junge, ansonsten gesunde Menschen kann die Krankheit schwer treffen. Am 8. März 2020 habe ich für nw.de über den ersten Corona-Fall im Kreis Herford berichtet. Beruflich habe ich den Verlauf der Pandemie eng verfolgt, viele Artikel über Covid-19 im Kreis Herford verfasst und gelesen. Mit einem trockenen Husten hat die Krankheit bei mir angefangen. Nie hätte ich gedacht, dass mich Covid-19 in meinem Alter so hart belasten wird. Jetzt muss ich damit umgehen lernen. Mit meinem Leben mit Corona.