Die NW-Redaktion öffnet ihren Adventskalender

Bünde. Schöne Bescherung! Dieser Ausdruck wird unter den derzeitigen Umständen sicher von vielen im Sinne eines Stoßseufzers verwendet. In der Adventszeit 2020 - da ist nicht viel normal. Keine Weihnachtsfeiern, keine Gottesdienste, keine Weihnachtsmärkte. Zu allem Überfluss wurde auch noch der zarte Versuch, in Form des weihnachtlichen Bünde etwas Feststimmung in die Innenstadt zu zaubern, gecancelt. Es ist als würde der Grinch, jenes griesgrämige grüne Wesen, das den Menschen die Weihnacht vermiesen möchte, in diesem Jahr gewinnen. Die NW-Redaktion setzt etwas dagegen. Ab heute finden Sie in jeder Ausgabe unseren Adventskalender. 24 Tage lang öffnen unsere Mitarbeiter ein Türchen im Bünder Land und erzählen eine Geschichte, die dahinter steckt. Es kann eine klassische Tür sein, ein großes Tor, eine Luke, ein Deckel oder eine Klappe. Ihre Gemeinsamkeit soll sein, dass sie nicht für jeden einfach so zugänglich ist. Was sich dahinter verbirgt, kann so auch für unsere Autoren zur Überraschung werden. Auf diese Weise möchten wir Ihnen, liebe Leser, ein klein wenig Weihnachts-Normalität und Vorfreude auf das Fest liefern. Das erste Türchen liegt ganz nah und doch in weiter Ferne Unsere Einstiegs-Folge spielt ganz nah - und doch irgendwie in weiter Ferne. Zum 1. Dezember öffnen wir das Archiv im Keller unserer Geschäftsstelle an der Eschstraße. Es geht wenige Stufen einer verwinkelten Treppe hinab in einen langen Flur mit weiß getünchten Wänden. In einer Nische befindet sich unsere erste Tür. Sie gibt den Blick in eine lange vergangene Zeit frei. Hier sind die Exemplare der NW und ihrer Vorgängerblätter, wie der freien Presse, abgeheftet. Bis in die 30er Jahre geht das Register zurück. Durch diesen Raum, so schießt es einem beim Betreten durch den Kopf, weht ein Hauch der Geschichte. Vielleicht ist es aber auch nur der leicht muffige Geruch von Kellerwänden und altem Papier. In metallenen Regalen lagert sie, die Geschichte unserer Region. Aufgeschrieben auf mechanischen Schreibmaschinen, lange Zeit gepresst auf Bleiplatten und nach dem Druck feinsäuberlich abgeheftet von unzähligen Kollegen. Zeugnisse aus Jahrzehnten, in denen an Weihnachten noch Schnee lag, der Liter Benzin 50 Pfennig kostete und Telefone grau waren und eine Wählscheibe hatten. Das muss eine Zeit gewesen sein, in der alles besser war - oder? Schon vor 70 Jahren gab es Streit um verkaufsoffene Sonntage Schlagen wir einmal 70 Jahre zurück: In einen Band aus dem Jahr 1950 lesen wir, dass der für den 3. Dezember geplante verkaufsoffene Sonntag ausfällt. Die Kreisverwaltung hatte eine Genehmigung erteilt, die Gewerkschaft ist jedoch dagegen. Stünde das nicht auf arg vergilbtem Papier in einem aus heutiger Sicht gewöhnungsbedürftigem Layout - man könnte sich an die Diskussion des Jahres 2020 erinnert fühlen. Ein anderer Band aus den 80er Jahren: "Die Sowjetunion darf Gas nach Westeuropa liefern" ist auf der Titelseite zu erfahren. Gut, jene UdSSR ist Geschichte, aber eine Diskussion um Gaslieferungen aus dem Osten - das drängt sich der Vergleich mit Nord-Stream II geradezu auf. Vielleicht wiederholt sich die Historie ja doch. Manches, das macht ein flüchtiger Blick in die Ausgabe des Jahres 1938 klar, sollte allerdings Geschichte bleiben. Das NW-Archiv hält sie dennoch fest, damit folgende Generationen daraus lernen können. Doch zurück in die Gegenwart: Die Weihnachtsgeschichten des Jahres 2020 werden nicht mehr auf Papier in die Regale im Keller einziehen. Vergessen werden sie trotzdem nicht. Längst wird die Zeitung digital gespeichert. So wird vielleicht der NW-Adventskalender des Jahres 2050 mit der ersten Folge beginnen: Damals vor 30 Jahren, als "Schöne Bescherung" überall als Stoßseufzer zu hören war.

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