Was tun, wenn die Schuldenfalle zuschnappt?

Bünde/Kirchlengern/Rödinghausen. Der beste Weg, aus einer Schuldenfalle herauszukommen, ist der, gar nicht erst in eine hineinzutappen. Das sagen Finanzexperten oft. Doch so einfach es leider nicht immer. Manchmal ist das Minus auf dem Konto gar nicht selbst verschuldet und beruht auf außerplanmäßige Ausgaben wie Reparaturen. Arbeitslosigkeit oder langfristige Arbeitsunfähigkeit und Krankheit sind die häufigsten Ursachen für schwere Finanzprobleme. Nicht selten ist die finanzielle Klemme aber selbst gemacht, zum Beispiel weil man sich Dinge leisten will, die man sich eigentlich nicht leisten kann. Ein oder zwei Ratenkäufe hier, ein Leasingvertrag dort und obendrein noch ein neuer Handyvertrag. Da können einem die monatlichen Abbuchungen - und die kommen so sicher wie das Amen in der Kirche - den Schweiß auf die Stirn treiben. Gerade jetzt zur Weihnachtszeit droht die "Null-Prozent-Verlockung", die einem "bequeme Ratenzahlungen" verspricht. Im Onlinehandel heißt es auch "jetzt kaufen und erst im Januar zahlen". "Wer den Überblick über sein Budget verliert, kann schnell in die Schuldenfalle tappen", sagt Marcus Köster von der Verbraucherzentrale NRW im NW-Gespräch. Und dann ist auch die Überschuldung nicht mehr weit. Verschuldung und Überschuldung Was aber bedeutet Überschuldung und was ist eine Verschuldung? Schuldnerberater erklären, dass eine Verschuldung nicht negativ zu bewerten sei, sofern die Raten für die Verbindlichkeiten fristgemäß gezahlt werden können. "In vielen Situationen ist ein Kredit völlig normal", so Marcus Köster. Ähnlich wie bei Unternehmen ist es für besondere Anschaffungen auch für den Bürger meistens unumgänglich, Schulden zu machen, denn wohl kaum jemand zahlt sein neues Haus bar und auch die meisten Autos werden finanziert. "In die Klemme kommt der Schuldner, wenn sein Einkommen nicht mehr ausreicht, um seine laufenden Kosten für Miete, Lebensmittel, Versicherungen und zusätzlich noch die Raten zu bestreiten. Dann spricht man von einer Überschuldung", erklärt Köster. Elf Prozent sind im Kreis Herford überschuldet Laut einer Statistik der Auskunftei Creditreform sind im Kreis Herford knapp 11 Prozent der Menschen überschuldet. Gutes Mittelmaß könnte man sagen, denn im Oktober galt deutschlandweit jeder zehnte Deutsche als so verschuldet, dass er seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Am schlimmsten dran ist Wilhelmshaven mit fast 22 Prozent, am besten Eichstätt in Bayern mit nicht einmal vier Prozent. Mehr als die Hälfte aller Käufe würden laut einer Statistik des Bankenfachverbandes nicht getätigt, wenn keine Finanzierung oder kein Ratenkauf dafür angeboten würde. Oft bleibt es auch nicht bei nur einem Kauf auf Pump, der zeitgleich mit einem oder mehreren anderen abgestottert werden muss. Und das vermeintlich gute Gewissen ruft beim Anblick der fett gedruckten Null im Prospekt: &bdquo;Ist doch ein Schnäppchen. Du zahlst ja keine Zinsen." Kunden, die in einer Summe zahlen, sind sogar im Nachteil Schuldnerberater und Verbraucherschützer kennen die Kurzsichtigkeit ihrer Klienten: "Oft rechnen die Konsumenten zu kurzfristig. Manch einer meint, diese 20, 50 oder 100 Euro zusätzlich im Monat noch abzahlen zu können, doch dann kommt plötzlich im Januar die Jahres-Abbuchung der Kfz-Versicherung oder etwas anderes, was nicht im monatlichen Budget berücksichtigt wurde – und die finanzielle Luft wird mit einem Mal eng", heißt es von einer Schuldnerberatungsstelle. Doch die Verlockung der kleinen Raten ist nicht der einzige Grund, warum so viele Menschen darauf zurückgreifen. Die Hürden, diesen Kredit zu bekommen, sind oft wesentlich kleiner als bei einem klassischen Bankdarlehen. Und die Kreditkosten sind im Kaufpreis des neuen Fernsehers oder der Sofagarnitur bereits eingerechnet. Das bedeutet im Umkehrschluss: Die Kunden, die in einer Summe zahlen, sind im Nachteil, sofern ihnen nicht ein entsprechender Nachlass bei Barzahlung gewährt wird. Die "Revolving"-Kreditkarten "Gegen eine echte Null-Prozent-Finanzierung, also ohne zusätzliche Zinsen, ist nicht einzuwenden", sagt Verbraucherschützer Köster. Problematisch werde es aber, wenn Koppelgeschäfte drohen - zum Beispiel mit einer so genannten "Revolving"-Kreditkarte. "Zum Teil wird mit dem Ratenkredit auch eine Kreditkarte angeboten, die der Kunde meistens ohne Probleme bekommt. Kreditrahmen von bis zu 10.000 Euro sind keine Seltenheit. Aber zinslos wird das Darlehen nur für den in Verbindung gekauften Artikel gewährt - zum Beispiel ein Fernseher. Holt sich der Kunde aber noch eine Stereoanlage dazu und zahlt über diese Kreditkarte in Raten, werden für diesen zweiten Artikel schnell 15 oder gar 16 Prozent Zinsen fällig - mehr als ein Darlehen bei einer Bank kosten würde", warnt Köster. Auch Versicherungen werden laut Köster gern im Zusammenhang mit einer Finanzierung angeboten. Sei es für das Gerät selbst - was wegen der eh gültigen Garantie manchmal überflüssig sei -, oder auch Restschuldversicherungen, die nicht zuletzt auch sehr teuer seien. "Restschuldversicherungen sind sinnvoll, wenn man beispielsweise ein Haus finanziert, damit die Familie im eigenen Todesfall abgesichert ist", erklärt Marcus Köster. Man dürfe dabei auch nicht vergessen, dass der, der die Versicherung verkauft an der Provision interessiert ist, die er dafür bekomme. Ratenkäufe aus dem Bauch heraus sind immer problematisch. Um sicher zu gehen, dass man sich die Rate auch leisten kann, rät Verbraucherschützer Köster dazu, sich vor dem Kauf die entsprechende Monatsrate eine Zeit an die Seite zu legen, um zu sehen, in wie weit die Liquidität dadurch belastet wird. Das Pfändungsschutzkonto Aber was tun, wenn einem die Gesamtsumme der monatlichen Raten schon längst über den Kopf gewachsen und der Dispokredit regelmäßig Mitte des Monats am Anschlag ist? Marcus Köster nennt hier zwei Schritte, die in der Regel zusammen mit einer Schuldnerberatung vorgenommen werden sollten: "Zuerst wird geprüft, ob es existenzgefährdende Probleme gibt, die sofort gelöst werden müssen. Dazu zählt zum Beispiel, das Umwandeln des eigenen Girokontos in ein P-Konto, also ein Pfändungschutzkonto bei der Bank oder Sparkasse. Damit ist ein Grundfreibetrag von 1.133,80 Euro vor dem Zugriff von Gläubigern geschützt." Doch damit nicht genug: Hat der Schuldner eine Familie zu versorgen, stehen ihm zusätzliche Freibeträge zu. Für die erste Person 426,71 Euro, für weitere Personen jeweils 237,73 Euro. "Dazu muss man nicht erst in eine Notlage geraten. Jeder kann sein Konto grundsätzlich auf Antrag bei dem Kreditinstitut in ein P-Konto umwandeln lassen. Allerdings muss das Konto dazu natürlich mit dem entsprechenden Freibetrag gedeckt sein", gibt der Verbraucherschützer zu bedenken. Empfehlenswert sei das jedoch nicht immer. Die Verbraucherzentrale weist in einer Mitteilung zum P-Konto hin: "Während Verschuldete keine Alternative zum P-Konto haben, ist es für Kontoinhaber mit schwarzen Zahlen ohne Pfändung nicht zu empfehlen und auch unnötig. Denn Verbraucher haben häufig noch mit hohen Preisen, eingeschränkten Leistungen und einer gewissen Stigmatisierung bei ihrer Bank zu rechnen, wenn sie ein P-Konto einrichten." Die weitere Budgetplanung "Im zweiten Schritt", so Marcus Köster, "geht es in die Planung der Zukunft. Es wird geprüft, an welchen Schrauben man drehen kann, damit monatlich noch genug zum Leben übrig bleibt." Köster zählt da als Beispiele Versicherungen auf, die mitunter doppelt vorhanden sein können. Schuldnerberater sagen allgemein, dass in jedem Haushalt Einsparpotenziale vorhanden sind. Auch die Führung eines Haushaltsbuchs kann helfen, einen Überblick zu behalten. Sind die Raten dann immer noch zu hoch, kommt auch eine Kontaktaufnahme mit den Gläubigern in Betracht. Übernehmen die Schuldnerberater dies nicht, verweisen sie an entsprechende Stellen, die darauf geschult sind. Das könnten auch Anwälte sein. Dabei geht es dann um Verhandlungen, ob zum Beispiel Ratenzahlungen vorübergehend pausieren, oder die Ratenhöhe - bei dann längerer Laufzeit - gesenkt werden können. Von einer Umschuldung, wie sie manchmal von Kreditinstituten empfohlen würden, rät Köster ab. "Mit der Darlehenssumme lassen sich die Raten dann zwar auf einmal abzahlen, aber der Schuldner hat dann die Bank als neuen Gläubiger und nicht selten sind die Raten für den neuen Kredit noch höher." Die Privatinsolvenz mit neuer Rechtslage In letzter Konsequenz hilft die Insolvenz, die es auch für Privatleute gibt. Dabei gibt es eine Gesetzesreform, die von Verbraucherschützern begrüßt wird. Bislang dauerte das Verfahren bis zur Restschuldbefreiung sechs Jahre und soll nach einer neuen EU-Richtlinie auf drei Jahre halbiert werden. Einfach wird das aber nicht, denn die Schuldner haben bestimmte Voraussetzungen dafür zu erfüllen. Eine Voraussitzung ist, dass der Schuldner in dieser Zeit 35 Prozent der Forderungen an die Gläubiger gezahlt hat und zusätzlich auch die Kosten des Verfahrens trägt. Erst dann kann die Restschuldbefreiung beim Insolvenzgericht beantragt werden. Ohne entsprechende Hilfe einer Schuldnerberatung finden nur wenige den Weg aus der Schuldenfalle. Marcus Köster weist in dem Zusammenhang auf Beratungsstellen hin, die vom Bundesfamilienministerium zertifiziert sind. Die Verbraucherzentrale unterhält selbst 13 dieser Stellen in NRW. Auch im Kreis Herford gibt es verschiedene Anbieter von Schuldnerberatungen.

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