Dreck, Lärm, Feinstaub: Anlieger wütend über Stau-Wahnsinn durch A33

Werther. 16 Uhr an einem ganz normalen Montagnachmittag. Stoßstange an Stoßstange quälen sich die Autos Richtung Ampelkreuzung, aus ihren Auspuffrohren qualmen die Abgase, es stinkt nach Diesel und Ruß. Wer kann, sucht das Weite oder geht ins Haus. Es ist der tägliche Wahnsinn, der sich in Blechlawinen über die Straße stadteinwärts wälzt, und erst nach 18 Uhr wird es für die Anlieger etwas erträglicher. Sie nennen den Zustand, der sich wochentags über mehrere Stunden früh morgens und nachmittags wiederholt, &bdquo;unhaltbar". Und fordern von Stadt und Straßenbaulastträger, dass sich hier endlich etwas ändert. Seit Jahren, ja Jahrzehnten besteht das Verkehrsproblem an der Haller Straße. Schon der ehemalige Chefarzt des Wertheraner Krankenhauses, Dr. Siegfried Zierenberg, hatte in den frühen 1980er Jahren zusammen mit anderen Anliegern eine Bürgerinitiative gegründet. Über die Jahre folgten immer wieder neue Vorstöße, Abhilfe zu schaffen. Zuletzt 2012, als Anwohner forderten, zumindest dem Schwerlastverkehr die Durchfahrt zu verbieten. Mit dem Ausbau des Hapkenbergs, so ihre Hoffnung, könnten die Lkw über diese Strecke geführt werden. "Was bedeuten der Lärm und die vielen Abgase für unsere Gesundheit?" Ein Trugschluss, wie sich zeigte: Straßen.NRW machte damals rechtliche Gründe geltend, weshalb ein Lkw-Verbot auf der Landesstraße nicht in Frage käme. Die Laster würden die Bausubstanz nicht über Gebühr schädigen, also ließe sich ein Verbot nicht rechtfertigen. Auch der Vorschlag, die Haller Straße in eine Gemeindestraße umzuwidmen und darüber ein Lkw-Verbot zu erwirken, verlief im Sande: Dann müssten die Städte Halle und Werther für die teure Straßenunterhaltung aufkommen, was von beiden Seiten abgelehnt wurde. Mit dem Lückenschluss der A 33 hat sich die Lage inzwischen jedoch so verschärft, dass die Anlieger den täglichen Verkehrsinfarkt nicht länger hinnehmen wollen. &bdquo;Es geht einfach nicht mehr", sagen Annette Hennig, Tochter von Dr. Zierenberg, Inge Jerrentrup und Jutta Schebaum. "Da wackeln bei uns die Wände" Die Verkehrsbelastung sei durch die Autobahn einfach unerträglich geworden. &bdquo;Wie kann es sein, dass es die Stadt Halle geschafft hat, den Verkehr aus ihrer Ortsdurchfahrt herauszubekommen, und Werther ihn sich reingeholt hat?", fragt Jutta Schebaum. Auch nachts würden oft so viele Fahrzeuge fahren, dass sie kaum in den Schlaf käme. &bdquo;Und wenn gerade mal kein Stau ist, fahren die Autofahrer viel zu schnell", bekräftigt Inge Jerrentrup. Sie beklagt zudem die zunehmende Zahl an landwirtschaftlichen Fahrzeugen. &bdquo;Riesengroße Trecker mit Hängern. Da wackeln bei uns die Wände." Lüften nach hinten hinaus ginge nur noch abseits der Stoßzeiten, &bdquo;nach vorn bleiben die Fenster zu", sagen die drei. Auf der Terrasse sitzen sie an manchen Tagen gar nicht, &bdquo;wir haben unseren seitlichen Balkon sogar zugemacht – zu laut und zu staubig", erzählt Inge Jerrentrup. "Wir haben unseren seitlichen Balkon zugemacht" Die Ausfahrt von den eigenen Grundstücken müssten sie sich regelrecht erzwingen, &bdquo;sonst kommen wir hier gar nicht weg", beschreibt Jutta Schebaum. Radfahren an der Haller Straße tun alle drei nur noch, wenn es nicht anders geht. Ihre größte Sorge gilt jedoch ihrer Gesundheit. Was, fragen sie sich, richten der Lärm und die vielen Abgase, denen sie jeden Tag ausgesetzt sind, an? Zum Beweis wischt Inge Jerrentrup über ihren Briefkasten. Ein schwarzer Schmierenfilm bleibt auf dem Tuch hängen. &bdquo;Und das ist nicht der Dreck vom letzten halben Jahr." Annette Hennig zitiert aus wissenschaftlichen Studien, nach denen mehr Verkehr gleichbedeutend sei mit mehr kritisch erkrankten Personen, mit Schlafstörungen, Erkrankungen der Atemwege, des Herz-Kreislauf-Systems, einer geringeren Lebenserwartung. "Das würde ja noch längere Rückstaus bedeuten" &bdquo;Geradezu irrwitzig" nennen die drei daher die Überlegung der Stadt, eine Fahrradspur an der Haller Straße einzurichten und die Linksabbiegespur an der Ampelkreuzung zu streichen. &bdquo;Das würde ja noch längere Rückstaus bedeuten." Mit dem Zeitungsbericht wollen die drei Anliegerinnen nicht mit dem Finger auf Schuldige zeigen. Auch wollen sie den Verkehr an der Haller Straße nicht unterbinden. &bdquo;Das können wir auch gar nicht. Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, wie sich die Situation für uns Anlieger erträglicher gestalten lässt." Mit einem neuen Vorstoß hinsichtlich eines Lkw-Verbots oder Tempo 30 vielleicht. Dies hatte Annette Hennig im Februar auch Bürgermeister Veith Lemmen geschrieben und um ein Gespräch gebeten. Auf eine Antwort musste sie bis November warten, nach Aussage Lemmens geschuldet den Belastungen der Mitarbeiter durch die Corona-Pandemie. Der Bürgermeister verwies darauf, dass die Haller Straße als Landesstraße nicht in die Zuständigkeit der Stadt falle. Und dass die bloße Ausschilderung eines Lkw-Verbots nach Einschätzung von Stadt und Polizei nicht den gewünschten Erfolg bringen werde. Anlieger warten auf Antworten der Behörden In seiner schriftlichen Antwort an Annette Hennig berichtet Lemmen außerdem von Ergebnissen einer Lärmkartierung des Landes NRW von 2013, nach der Straßen.NRW und der Kreis Gütersloh als zuständige Straßenverkehrsbehörde geeignete Maßnahmen zur Lärmminderung treffen sollten. Leider sei es zu keinen Maßnahmen gekommen, bedauert er. Inzwischen habe er erneut Kontakt zu Straßen.NRW und dem Kreis aufgenommen, um nach gegebenenfalls neuen Erkenntnissen und daraus resultierenden Veränderungen zu fragen. Eine Antwort liege bislang noch nicht vor, so Lemmen. Was jedoch bereits passiert sei, sei der Hinweis an die Programmierer von Navigationsgeräten, mit dem A33-Lückenschluss die Haller Straße als Nebenstraße aufzuführen. Das reicht den drei Anliegerinnen nicht aus. Sie überlegen nun, sich an den Anregungs- und Beschwerdeausschuss der Stadt zu wenden. &bdquo;Schließlich sitzen im Rat unsere gewählten Vertreter. Vielleicht können wir über sie etwas erreichen."

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