Abschied nach 32 Jahren im Kreis Gütersloh: Bekannter Verler löst Lebenswerk auf

Verl. Am Ende geht es ganz schnell. Keine halbe Stunde dauert der offizielle Teil der Jahreshauptversammlung, dann ist der gemeinnützige Verein Hüttis Balkanhilfe endgültig Geschichte. 13 Mitglieder sind in den Gasthof Menning gekommen, um Günter Hüttenhölscher bei der Abwicklung seines Lebenswerkes noch einmal die Ehre zu erweisen. Keine Frage: Das hat &bdquo;Hütti“, wie den 86-Jährigen alle nur liebevoll nennen, mehr als verdient. Was der Verler mit seinen Mitstreitern in mehr als drei Jahrzehnten in Sachen Balkanhilfe geleistet hat, ist enorm. &bdquo;Irgendwann geht alles vorbei“, sagt der Senior leise. Das Problem: Hütti hat keinen Nachfolger gefunden und das Alter fordert seinen Tribut. Die Geschichte von Hüttis Balkanhilfe beginnt am 27. November 1992. Damals startet der erste Hilfstransport mit einem 7,5-Tonner der Firma Graute. Ziel ist ein Priesterseminar im kroatischen Zagreb. &bdquo;Von Lenkzeiten hatte ich keine Ahnung, also bin ich einfach bis Zagreb durchgefahren“, erinnert sich Hütti. 432 Hilfstransporte in 32 Jahren Weil eine Näherei am Tag vor der Abfahrt etliche Kinderjeans gespendet hat, sucht Hütti in der Umgebung ein Waisenhaus mit 36 Kindern auf. Diese Spende ist vor allem Günter Hüttenhölschers 2001 verstorbener Frau Brigitte wichtig, die selbst als Waisenkind aufgewachsen ist. Stolze 432 Lkw-Hilfstransporte hat die Balkanhilfe in fast 32 Jahren auf den Balkan geschickt. Bei allen hat Hütti selbst beim Packen mitgeholfen. Sieben bis acht Stunden hat das mit vielen helfenden Händen immer gedauert. 130 Mal sitzt er bei den Fahrten selbst auf dem Bock – 107-mal ist er in Rumänien, 13-mal in Kroatien, sechsmal in Bosnien-Herzegowina, dreimal in der Ukraine und einmal im Kosovo. Touren bei großer Hitze oder bei minus 25 Grad – Hütti hat alles mitgemacht. Er, der gerne Statistiken führt, hat ausgerechnet, dass er hierfür insgesamt 910 Tage (oder zweieinhalb Jahre) unterwegs war. Zahlreiche Spendenaktionen hat Hütti ins Leben gerufen &bdquo;Die Ladungen bestanden unter anderem aus Lebensmitteln, Speck, Würstchen, Weihnachtsgebäck und weit mehr als 200 gebrauchten Fahrrädern“, erzählt Hütti. Die Drahtesel hat er beim Fundbüro der Stadt ersteigert. 17 Jahre lang sammelt Hüttis Balkanhilfe am 2. Weihnachtstag in Gütersloh mit Hilfe von Radio Gütersloh unter dem Motto &bdquo;Kinder helfen Kindern“ Spielsachen, Lebensmittel und Geldspenden ein. Ähnliche Aktionen gibt es in Halle-Hörste und in Mastholte. &bdquo;Für uns war es normal, dass unser Opa Weihnachten keine Zeit hatte“, sagt Enkelin Pia Hüttenhölscher, die Hütti mittlerweile in Haus und Garten unterstützt. Aber auch ganze Kücheneinrichtungen oder Altenheimbetten werden auf den Balkan gebracht. Oder eben nach und nach die Kinderzimmer der fünf Enkeltöchter. &bdquo;Wir haben immer im Lager mitgeholfen“, sagt Pia. Auch Urenkel Bela (17) – insgesamt hat Hütti fünf Urenkel – hat mit angepackt. Weniger Leute engagieren sich ehrenamtlich Der letzte Hilfstransporter macht sich am 10. Januar 2023 auf den Weg. Als das kostenfrei nutzbare Lager auf dem Hof Balsfulland an der Bleichestraße wegen Eigenbedarf aufgegeben werden muss, ist das Ende absehbar. &bdquo;Wer arbeitet heutzutage denn noch ehrenamtlich? Kaum einer“, sagt Hütti zum Thema Nachfolge. Im Vereinsregister ist der Verein mit seinen aktuell 72 Mitgliedern längst abgemeldet. Das Vereinsvermögen (13.461,36 Euro) wurde an das Waisenhaus der Karmelitinnen in Kroatiens Hauptstadt Zagreb sowie an das Caritas-Waisenhaus in Oborovo gut 35 Kilometer südöstlich von Zagreb gespendet. &bdquo;Damit schließt sich ein Kreis“, sagt Pia Hüttenhölscher und fügt mit Blick auf Hüttis angeschlagener Gesundheit hinzu: &bdquo;Es ist gut so, wie es jetzt ist.“ Lesen Sie auch: Mögliche Unterkunft für Geflüchtete im Kreis Gütersloh – Bürger sorgen sich um Sicherheit Ob Hütti, jetzt wo alles vorbei ist, traurig ist? &bdquo;Warum soll ich traurig sein? Es hat immer Spaß gemacht. Und jetzt bin ich alt“, sagt der gelernte Bäcker – und doch scheinen seine Augen für einen Augenblick etwas glasig zu werden. Immerhin: Ein wenig stolz auf sein Lebensprojekt ist Hütti schon. Dass ihm ganz nebenbei auch hochkarätige Ehrungen wie das Bundesverdienstkreuz und die Bundesverdienstmedaille, den Papst-Orden &bdquo;Pro Ecclesia et Pontifice“oder die Ehrennadel der Stadt Verl beschert hat. Als eines der Mitglieder während der finalen Versammlung Hütti mit &bdquo;Alles hat ein Ende“ anspricht, kommt die trockene Antwort: &bdquo;Nur die Wurst hat zwei.“ Merke: Seinen Humor hat Hütti noch lange nicht verloren.

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