Arme Menschen gibt es auch in der reichsten Stadt im Kreis Gütersloh

Verl. Im Vergleich aller Städte im Kreis Gütersloh leben in Verl die meisten Einkommensmillionäre. Bei den erfolgreichsten deutschen Mittelstädten rangiert Verl auf Platz 22 und in Nordrhein-Westfalen sogar ganz vorne. Teure Bauprojekte können vorangetrieben werden. Und dennoch leben auch hier Menschen, die nicht wissen, wie sie ihre Miete und die nächste Mahlzeit bezahlen sollen. Viele von ihnen nutzen Hilfsangebote, um einigermaßen über die Runden zu kommen. "Mit 14 Familien sind wir angefangen, aktuell sind es 60" Den Eindruck, dass es wohl allen Verlern gut geht, hatte auch Ingrid Schlecht. &bdquo;Jeder hat ein Haus mit Garten, alle gehen schick gekleidet in die Kirche, hier kann es doch keine Armut geben", das war ihr Eindruck. &bdquo;Wenn mir vor 16 Jahren jemand erzählt hätte, dass es auch hier Not und Elend gibt, dann hätte ich das wohl kaum geglaubt", erzählt die 85-Jährige. Seit 16 Jahren engagiert sich Ingrid Schlecht bei der Zweigstelle Verl der Gütersloher Tafel und mit ihr ein Dutzend weiterer ehrenamtlicher Helfer. &bdquo;Mit 14 Familien sind wir angefangen, aktuell sind es 60", verweist sie auf den rapiden Anstieg. Viele ältere Menschen seien dabei, deren Rente nicht ausreiche oder die einfach nicht mehr in der Lage seien, zu arbeiten. &bdquo;Viele Frauen, die immer nur 420-Euro-Jobs hatten oder die aufgrund von Corona entlassen werden mussten", weil die Betriebe, in denen sie gearbeitet haben, selbst ums Überleben kämpfen, kommen zur Ausgabestelle, &bdquo;aber auch viele andere", betont Ingrid Schlecht. Wer bisher in der Gastronomie etwas nebenher verdient habe, der habe es lange schwer gehabt, weil die Restaurants geschlossen hatten. &bdquo;Die kommen jetzt zu uns", sagt die patente Seniorin und fügt hinzu: &bdquo;Das merken wir gewaltig." Oft kommen die ehrenamtlichen Tafel-Mitarbeiter mit den Menschen ins Gespräch. &bdquo;Sie erzählen uns, wie es ihnen geht." Die Tafel sei nicht nur eine Lebensmittelausgabe, sondern auch ein Kommunikationstreffpunkt. &bdquo;Viele sind einsam, das kommt dazu", sagt Ingrid Schlecht. Zahl der Bedürftigen könnte durch Corona noch zunehmen Sie ist sich sicher, dass die Zahlen der bedürftigen Menschen angesichts der Corona-Entwicklung noch zunehmen werden. &bdquo;Alleine im November hatten wir sechs Neuaufnahmen." Unter denen, die sich eine der gepackten Kisten abholen, sind aber auch viele alleinerziehende Mütter. Jeden Freitagmorgen werden die Lebensmittel von der Gütersloher Tafel nach Verl geliefert. Die Tafel ist außerdem auf Spenden angewiesen, um dazukaufen zu können. &bdquo;Gerade haben wir von einer Verler Firma 500 Euro bekommen, davon gibt es zu Weihnachten etwas Besonderes", kündigt Ingrid Schlecht ein Pfund guter Butter und ein Päckchen Kaffee für die bedürftigen Menschen an. &bdquo;Das sind Sachen, die es sonst nicht gibt", sagt sie. Der Warenkorb sieht sich als "sozialer Einkaufsmarkt" In Geschäften werden täglich Lebensmittel vernichtet, weil sie nicht mehr verkauft werden können, obwohl sie noch gut verwertbar sind. Genau hier setzt das Konzept des Caritas-Warenkorbes an. Er ist ein &bdquo;sozialer Einkaufsmarkt", ein Projekt gegen Armut der Caritaskonferenzen im Dekanat Rietberg-Wiedenbrück. Aussortierte Lebensmittel werden aus den Märkten abgeholt und im &bdquo;Warenkorb" an bedürftige Menschen mit einem Einkaufsnachweis gegen einen geringen Betrag weitergegeben. Seit vielen Jahren auch in Verl. Viele Flüchtlinge und Asylbewerber kommen an den Ausgabetagen zum Pfarrzentrum St. Anna und zur Gemeinschaft &bdquo;Libelle" in der Sürenheide. Momentan, sagt Heiner Stroth vom Caritas-Warenkorb, kämen regelmäßig etwa 60 Menschen mit Berechtigungsschein. &bdquo;Es werden wieder mehr." Viele seien geimpft. Kontrolle, Maskenpflicht, Abstand, &bdquo;das funktioniert gut", sagt Stroth, der sich als Ansprechpartner für die Bedürftigen sieht. Hin und wieder seien allerdings Bürger dabei, die sich weigerten, sich mit &bdquo;denen" (gemeint sind Flüchtlinge) in eine Reihe zu stellen. Aber das sei wieder ein anderes Thema, mit dem Heiner Stroth und seine Teamkollegen Hans Seeberg und Gerda Ackermann gelernt haben umzugehen. Durch besondere Aktionen werden Lebensmittel gesammelt Um zusätzliche Lebensmittel zu sammeln, ist die Plus-1-Aktion, die im vergangenen Jahr ausfallen musste, am 19. und 20. November wieder durchgeführt worden. Viele Menschen haben nach ihrem Einkauf im Edeka-Ölbachcenter und im Elli-Markt Sürenheide Lebensmittel in den bereitstehenden Warenkorb gelegt. Auch Geldspenden gab es, die für Zukäufe genutzt werden. Mit ihrer Hilfe kann der Warenkorb gefüllt werden, denn Heiner Stroth weiß: &bdquo;Es ist immer genügend da, aber am Ende ist auch immer alles weg."

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