Coronakrise: Verler Anwalt erklärt, welche Rechte Arbeitnehmer jetzt haben

Verl. Längst ist das Coronavirus auch im Kreis Gütersloh angekommen - das öffentliche Leben ist inzwischen stark eingeschränkt. Zwar dürfen Einzelhandel- und Gastronomie-Betriebe unter strengen Hygienerichtlinien mittlerweile wieder öffnen, an Normalität ist aber noch lange nicht zu denken. Je länger die Corona-Krise anhält desto wahrscheinlicher ist es für viele Branchen der Wirtschaft, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder sogar entlassen. Auch vermeintlich große Unternehmen wie Miele in Gütersloh haben bereits Kurzarbeit für ihre Mitarbeiter beantragt. So stellen sich für Arbeitnehmer aktuell viele Fragen. Darf ich bei Kurzarbeit meinen Verdienstaufall aufstocken, kann ich Homeoffice einfordern und wie sieht es mit Urlaubsansprüchen aus? Der Verler Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Heethey beantwortet die wichtigsten Fragen. Herr Peter Heethey, darf ein Arbeitnehmer aus Angst vor Ansteckung der Arbeit fern bleiben? Heethey: Nein, die bloße Angst reicht als subjektive Voraussetzung nicht aus. Hier riskiert der Arbeitnehmer eine Kündigung. Dann anders gefragt: Vorausgesetzt es gibt auf der Arbeit einen konkreten Verdachtsfall - kann ich als Arbeitnehmer sagen, dass ich nicht mehr komme? Heethey: Hier müsste der Arbeitgeber zunächst aufgefordert werden entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Erst wenn der Arbeitgeber diese Maßnahmen, zu denen er aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer gesetzlich verpflichtet ist, nicht ergreift darf sich der Arbeitnehmer selber schützen und nicht zur Arbeit erscheinen. Kann ich vom Arbeitgeber Homeoffice einfordern? Heethey: Nein, Homeoffice kann ich nicht ohne weiteres einfordern. in der Regel ist nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch der Arbeitsort arbeitsvertraglich festgelegt. Wenn dies nicht festgeschrieben ist, wird davon ausgegangen, dass Arbeitsort der Betrieb ist. Wer bezahlt das Gehalt, wenn ich als Arbeitnehmer für 14 Tage in Quarantäne muss? Heethey: Muss eine Person in Quarantäne, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn diese Person sich in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befindet. Die Quarantäne wird dann der Krankheit gleichgesetzt. Kann bereits eingereichter Urlaub wegen Corona verschoben oder gestrichen werden? Heethey: Ja, bereits genommener Urlaub kann wegen Corona verschoben oder gestrichen werden. Also ein solcher Urlaub, der noch nicht angetreten ist. Daran sind aber sehr strenge Voraussetzungen geknüpft. Es müssen besondere betriebliche Interessen gegeben sein. Der Arbeitgeber kann nicht einfach verlangen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht antritt. Gegebenenfalls muss der Arbeitgeber bereits gezahlte Urlaubskosten erstatten. Das gilt auch, wenn ich als Arbeitnehmer in Kurzarbeit muss? Heethey: Hier kann in der Regel verlangt werden, dass alter Urlaub aus dem vorherigen Jahr, der noch nicht eingereicht ist, vor Beantragung der Kurzarbeit erst genommen wird. Nach den allgemeinen fachlichen Weisung der Bundesagentur für Arbeit ist für bestehenden Resturlaubsanspruch aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr der Arbeitgeber aufzufordern, den Zeitpunkt für den Antritt noch vorhandenen Urlaubs zur Vermeidung des Arbeitsausfalls festzulegen. Und was ist mit Urlaub aus dem laufenden Jahr? Heethey: Für Urlaubsanspruch aus dem aktuellen Jahr ist das anders: Momentan sieht die Bundesagentur noch davon ab, die Erbringung von Erholungsurlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr einzufordern. Zu bedenken ist bei der Beantragung von Kurzarbeit, dass ein Arbeitsausfall unvermeidbar sein muss und dass der Arbeitgeber alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen haben muss, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Dazu gehört dann auch der Verbrauch des (alten) Urlaubs. Darf ein Arbeitgeber zwecks Ansteckungsgefahr fragen, wo wie und mit wem ich meinen Urlaub verbracht habe? Heethey: Ein Fragerecht des Arbeitgebers, wo ich meinen Urlaub verbringe, wie und mit wem, ist nicht gegeben. Darauf hat der Arbeitgeber keinen Anspruch. Kann ich mich aktuell weigern als Arbeitnehmer eine Dienstreise anzutreten? Heethey: Grundsätzlich kommt es darauf an, wo die Reise hingeht und ober der Arbeitnehmer dadurch gefährdet würde. Dies muss der Arbeitnehmer nicht hinnehmen (z.B. Itaien). Welche Regelungen gibt es bei Kurzarbeit? Wie lange darf ein Arbeitnehmer in Kurzarbeit geschickt werden? Heethey: Die gesetzliche Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld beträgt grundsätzlich zwölf Monate. Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie wurde für Arbeitnehmer, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31. Dezember 2019 entstanden ist, die Bezugsdauer auf bis zu 21 Monate, längstens bis zum 31.Dezember 2020 verlängert. Darf ich meinen Verdienstausfall mit einem Nebenjob ausgleichen? Heethey: Ja, grundsätzlich besteht die Möglichkeit Gehaltseinbußen bei Kurzarbeit durch eine Nebentätigkeit auszugleichen. Entgelt, welches ich durch eine Nebentätigkeit während der Kurzarbeitszeit verdiene, wird aber grundsätzlich gemäß § 106 Abs. 3 SGB III auf das Kurzarbeitergeld angerechnet. Anders verhält es sich bei sogenannten systemrelevanten Bereichen und Berufen. Hier hat der Gesetzgeber einen Sondertatbestand geschaffen, so dass befristet bis zum 31. Oktober 2020 diese Bezüge nicht hinzugerechnet werden, beziehungsweise nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet werden. Gibt es bedingt durch die Corona-Krise ein Kündigungsrecht für den Arbeitgeber? Heethey: Die Krise hat keine besonderen gesetzlichen Kündigungsvoraussetzungen geschaffen. Kurzarbeit ist ja gerade eine Maßnahme, die Kündigungen verhindern soll. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einfach kündigen, wenn nicht genügend Aufträge vorhanden sind oder wenn Lieferketten nicht mehr funktionieren. Dies gehört in das Betriebsrisiko des Arbeitgebers. In Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern und einer länger als sechsmonatigen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber das Kündigungsschutzgesetz beachten. Dieses verlangt eine soziale Rechtfertigung für eine Kündigung, die bei betrieblichen Schwierigkeiten in finanzieller oder organisatorischer Hinsicht nicht so einfach zu begründen ist. Gilt das auch in kleinen Unternehmen? Heethey: Es verhält sich anders, wenn zehn oder weniger Mitarbeiter in einem Betrieb tätig sind und das Kündigungsschutzgesetz nicht eingreift. In diesem Fall darf die Kündigung nicht willkürlich sein, man muss aber in diesem Zusammenhang klarstellen, dass die Schwelle für eine Kündigung dann bedeutend niedriger ist. Es wird in der juristischen Literatur allerdings diskutiert, ob Änderungskündigungen zur Vermeidung von Kurzarbeit zulässig sind. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat aber hohe Anforderung an die Wirksamkeit von Änderungskündigungen durch ständige Rechtsprechung geschaffen, so dass ich davon nicht ausgehe.

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